ENTDECKUNGEN | AUSGABE 6/2012 | ||||||
Das
im Stil eines gotischen Wohnhauses errichtete Schwarzhäupterhaus auf dem
Rathausplatz der lettischen Hauptstadt Riga, erstmals 1334 erwähnt als
„Neues Haus der Großen Gilde”,
diente Kaufleuten und Bürgern als Versammlungsort. Im Zweiten Weltkrieg
von den Deutschen zerstört und 1948 von den Sowjets endgültig abgerissen,
wurde das architektonische Kleinod in den 1990er-Jahren originalgetreu
wiederaufgebaut. Im Hintergrund links: die um 1200 entstandene
Petrikirche. |
|||||||
|
|||||||
Die reiche und mächtige Hansemetropole Riga, heute lettische Hauptstadt und größte Stadt des Baltikums, liefert mit ihren Jahrhunderte alten Traditionen als Ort des Handels, der Künste und Wissenschaften das erlebens- und ergründenswerte Beispiel einer ganz besonderen europäischen Großstadt. Einen allerersten Eindruck gewinnen Ostseekreuzfahrer bei einem „Landgang in Riga”.
Allein ein Spaziergang durch die historische Altstadt mit ihren mittelalterlichen Gassen und prächtigen Jugenstilfassaden wäre die Reise in das „Paris des Ostens” wert. Der Vergleich mit der französischen Hauptstadt kommt nicht von ungefähr. Doch abgesehen von Chic und Charme, von ihrer
Vorliebe für alles Schöne und die Leidenschaft, das Leben in vollen Zügen zu
genießen, haben die Städte an Daugava und
Seine auch dieses gemeinsam: Beide machen den Besucher glauben, wer sie
gesehen habe, kenne das ganze Land. Doch so wenig, wie Paris Frankreich ist,
so wenig Lettland ist Riga allein. Schon wenige Kilometer stadtauswärts wird
das spürbar – und noch mehr bei einem Ausflug über Land, ganz ohne Pomp und
Partys. Vorbei am Kurort Jurmala,
einst Rigas Stadtstrand, der sich zum turbulenten Badeort, der „lettischen
Riviera”, zum Tummelplatz der Reichen und
Schönen, gemausert hat, geht es ins stille
Kurzeme – deutsch Kurland – die westlichste der vier Regionen
Lettlands. Ihr Name, den sie dem baltischen Volk der Kuren verdankt, klingt
nicht nur in unseren Ohren nach Urlaub und Erholung. Jede Straße, jeder Weg
auf der Kurischen Halbinsel (nicht zu
verwechseln mit der Kurischen Nehrung – die gehört zu Litauen und Russland)
endet irgendwann an der westlichen Steilküste, einem endlosen Sandstrand im
Norden oder einem von Findlingen überhäuften Uferabschnitt des
Rigaer Meerbusens.
Dazwischen formen sich Landschaften aus Dünen und Heide, hügeligen Wäldern und Storchenwiesen, Mooren, Flüssen und Seen. Ganz im Norden, wo am Kap Kolka die offene Ostsee und der Meerbusen aufeinander stoßen, hütet der Slitere Nationalpark seine Schätze: verlandete Dünen, versumpfte Wälder, mannshohe Farne, im Sommer und frühen Herbst voller Pilze und Beeren. Im Südwesten im Naturpark Pape lassen sich aus der Ferne frei lebende Wildpferde und Waldbisons bestaunen. Und da sind Städte wie Liepaja, die Heimat der lettischen Rock- und Jazzmusik, die Sporthochburg Ventspils mit ihrer schmucken Bungalowsiedlung am Meer oder das verträumte Kuldiga – oft als schönste Stadt Lettlands bezeichnet. Für kurze Zeit regierten die kurländischen Herzöge von hier aus ihr Reich, zu dem im 17. Jahrhundert sogar Kolonien in Tobago und im heutigen Gambia gehörten. Bei allen Wunden, die ihr Kriege und Fremdherrschaft zufügten, hat die einstige Herzogsresidenz |
ihr malerisches Gepräge bewahrt. Bestimmt wird es vor allem durch seine liebenswerten alten Holzhäuser, kleinen Gassen und Kanäle. Ein fesselndes Naturschauspiel setzt im Hochsommer allmorgendlich die Venta bei Kuldiga in Szene, wenn sich der fischreiche Fluss über die 240 Meter breite und etwa zwei Meter hohe Stromschnelle „Ventas rumba” ergießt. Durch den aufsteigenden Frühnebel wirkt der „breiteste Wasserfall Europas” noch viel höher und mächtiger. Und die „fliegenden Fische”, die man angeblich mit der Hand fangen kann, glitzern im Sonnenlicht. Doch vor allem kann man hier herrlich baden und sich von den herabstürzenden Massen des mineralhaltigen Wassers regelrecht massieren lassen. Eine massive, im 19. Jahrhundert gebaute Backsteinbrücke sowie der begrünte Burgberg mit seinem Skulpturenpark machen die Bilderbuchidylle perfekt.
Ganz in der Nähe von Kuldiga lässt der touristisch noch recht unbekannte Ort „Sauleskalni” (Sonnenberg) Ruhe suchende Gäste in sein ungewöhnliches Gartenreich eintauchen. Der Schriftsteller Voldemars Sauleskalns (1905 bis 1973) hatte es zusammen mit seiner Frau Vera nach der Rückkehr aus der sibirischen Verbannung angelegt. Neben einheimischen Pflanzen gedeihen Exoten sowie eine Sammlung von seltenen Fliedergewächsen. Von sonniger Lage profitiert auch Sabile, dem sein über 600 Jahre alter Weinberg, über Jahrhunderte der nördlichste der Welt, einen Eintrag ins Guinnessbuch bescherte. Leider gibt es den raren Rebsaft nur zum Weinfest, das jedes Jahr im August stattfindet. Ein Besuch des beschaulichen Städtchens an der Abava lohnt dagegen immer. Gleich daneben liegt der Kunsthof Pedvale mit einem viele Hektar großen Park voll interessanter Arbeiten junger Künstler aus aller Welt. Mehrere schmale Sandsteinhöhlen, deren Wände mit unzähligen eingeritzten Zeichen und Botschaften übersät sind, befinden sich wenige Kilometer flussaufwärts im Wald. Dabei handelt es sich um die „Maras kambari”, eine uralte Opferstätte, an der die Vorfahren der heutigen Letten ihre Göttin Mara verehrten. Ein eher modernes Kultobjekt in Gestalt eines steinernen Krokodils liegt im Städtchen Dundaga. Es erinnert an den dort geborenen Ethnologen und Reptilienjäger Arvids Blumentals, der 1945 ins australische Exil ging, wo er als Crocodile Harry berühmt wurde und die Idee für den späteren Hollywoodfilm „Crocodile Dundee” lieferte. Hotel-Tipp Riga: Direkt im Zentrum befindet sich das
Radisson Blu Hotel Latvija, Elizabetes iela 55, Telefon +371 67772222,
Übernachtung im DZ ab 71 Euro,
www.radissonblu.com/latvijahotel-riga Touristische Auskünfte rund um Riga gibt es unter www.liveriga.com/de |
||||||
Blick
von der Aussichtsplattform des Turms der Rigaer Petrikirche auf die Altstadt
mit Dom und die Daugava. |
|||||||
Ein
Mann in historischer Tracht vor einem Restaurant in Rigas Altstadt. |
Die Promenade von Jurmala ist in den Sommermonaten eine pulsierende Vergnügungsmeile zum Sehen und Gesehen-werden. |
||||||
|
|||||||
Das neoklassizistische Gebäude der Lettischen Nationaloper wurde von 1860 bis 1863 errichtet und war ursprünglich als Deutsches Theater geplant. International berühmt ist das Haus heute nicht nur wegen seines exzellenten Opern-Ensembles und Orchesters, sondern auch für seine seit 1922 bestehende Ballettkompanie. |
Ausflugskahn
in Vermanes darzs (Wöhrmannscher Garten), Rigas ältestem Park mitten in der
City, die man ein Stück weit auch vom Wasser aus erkunden kann, da die
gefluteten Gräben der mittelalterlichen Stadtbefestigung mit der Daugava
(Düna) verbunden sind. |
||||||
Blick vom Daugava-Fluss auf die Türme der Rigaer Altstadt mit Jakobskirche, Schloss, Petrikirche und Dom. |
|||||||
|
|||||||
Zahlreiche historische Gebäude in Jurmala sind vom Rigaer Jugendstil geprägt. |
Ob traditionell oder modern – wer auf Jurmalas sündhaft teurem Pflaster baut oder saniert, lässt sich sein Sommerhaus schon gerne etwas kosten. |
||||||
|
|||||||
„Ventas Rumba” – der bis zu 240 Meter breite „Wasserfall der Venta (Windau)” bei Kuldiga ist im Sommer ein beliebter Badeplatz. |
Von den herabstürzenden Massen des mineralhaltigen Wassers der Venta kann man sich herrlich massieren lassen. |
||||||
|
|||||||
Das Flüsschen Abava (Abau), hier kurz hinter Kandava, ist wegen seiner malerischen Landschaften, durch die es fließt, aber auch wegen seiner Stromschnellen bei Wasserwanderern sehr beliebt. |
|||||||
Die Steilküste von Jurkalne im Westen von Kurland – nur eine der vielfältig gestalteten Küstenlandschaften Lettlands. |
Die endlosen Strände im Norden von Kurland wie hier bei Mazirbe sind selbst im Sommer leer. Unweit von hier, am Kap Kolka, treffen die offene Ostsee und der Rigaer Meerbusen aufeinander. |
||||||
Dieses alte kurländische Bauernhaus wurde Ende der 1920er Jahre gebaut und diente während der sowjetischen Okkupation als Küche eines Kolchos (so wurden in der UdSSR die durch Zwangskollektivierung gebildeten landwirtschaftlichen Genossenschaften genannt). |
Das steinerne Krokodil in Dundaga (Dondangen) erinnert an den hier geborenen Ethnologen und Reptilienjäger Arvids Blumentals, der nach Australien auswanderte, dort als „Crocodile Harry” berühmt wurde und die Idee für den späteren Hollywoodfilm „Crocodile Dundee” lieferte. |
||||||
Neben unzähligen anderen Vogelarten wie den häufigen Weiß- und den seltenen Schwarzstörchen ist Kurland auch die Heimat zahlreicher Kraniche, die man den ganzen Sommer über sehen und hören kann. |
|||||||
|