Die
GL-Tochter FutureShip hat für die Reederei Scandlines ein emissionsfreies
Antriebskonzept entwickelt. Die Technologie könnte in den nächsten fünf
Jahren auf den Ostseefähren umgesetzt werden.
Die Optimierung der Liegezeiten im Hafen bringt eine
Kraftstoffeinsparung von bis zu 30 Prozent“, sagt Fridtjof Rohde.
Bunkerkosten senken am Kai? Der Schiffbauingenieur der Designberatung
FutureShip löst das Rätsel sofort auf: „Wer im Hafen schnell ist, kann auf
See das Tempo drosseln. Das senkt den Treibstoffverbrauch und die
Schadstoffemissionen von Schiffen”.
In der internationalen Containerschifffahrt hat sich
„Slow Steaming” längst durchgesetzt.
FutureShip hat mit der Optimierung von Schiffsrümpfen und innovativen
Designentwürfen erheblich zur erfolgreichen Umsetzung des Konzepts
beigetragen. Gemeinsam mit der deutsch-dänischen Reederei Scandlines geht
das Tochterunternehmen des Germanischen Lloyd (GL) nun aber einen Schritt
weiter: zur Entwicklung emissionsfreier Doppelendfähren.
Aktuell betreibt Scandlines die Fährverbindungen
Rostock-Trelleborg, Puttgarten-Rødbyhaven und Helsingør-Helsingborg. Die
einträglichste Verbindung ist die sogenannte Vogelfluglinie, die Puttgarden
auf Fehmarn mit Rødbyhavn in Dänemark verbindet. Die 18,5 Kilometer kurze
Überfahrt dauert nur rund 45 Minuten. Insgesamt pendeln vier
Doppelendfähren. Alle 30 Minuten legt in jedem der beiden Häfen ein Schiff
ab – rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr.
Doch das Geschäftsmodell der Reederei gerät unter
Druck. Erstens plant Dänemark den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels, der die
Fährverbindungen größtenteils überflüssig machen dürfte. Und zweitens gelten
ab 2015 strengere Emissionsrichtlinien in der Ostsee: Schiffe dürfen dann in
den sogenannten Emission Control Areas (ECAs) nur noch mit schwefelarmem
Diesel (maximal 0,1 Prozent) fahren. Und der wird deutlich teurer als das
heutige Schweröl sein.
Grund genug, sich Gedanken über die Zukunft zu
machen. Scandlines horchte auf, als der GL vergangenes Jahr den Entwurf
seines „Zero Emission Ship” vorstellte –
und beschloss die Entwicklung eines Prototyps mit „einem ganz klaren,
einfachen Ziel: null Emissionen”.
Die FutureShip-Ingenieure schlugen einen völlig
neuen Kurs ein – und gingen das Thema ganzheitlich an: von der
Treibstofferzeugung über die Energieumwandlung und Speicherung bis hin zu
einem optimierten Schiffsdesign. So soll etwa der in den norddeutschen und
dänischen Windenergieanlagen produzierte Stromüberschuss für die Erzeugung
von Wasserstoff genutzt werden. Den können Brennstoffzellen an Bord des
Schiffs in elektrische Energie zurückverwandeln und die elektrischen
Pod-Antriebe versorgen. Darüber hinaus produzierter Strom wird in Batterien
gespeichert und deckt Leistungsspitzen ab. Moderne Schiffslinien, optimierte
Propellerformen und effiziente Abläufe im Hafen tragen enorm dazu bei, den
Engergiebedarf deutlich zu reduzieren.
Entstanden ist ein spektakulärer Entwurf. Mit dem
möchte Scandlines demonstrieren, dass es eine echte Alternative zum Tunnel
gibt. Allein dessen Bau, so hat Scandlines berechnet, verursacht 80
Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid.
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Hinzu kommen die Emissionen all jener Fahrzeuge, die
durch den Tunnel fahren. Nicht zu vergessen: Baukosten von rund zehn
Milliarden Euro, und ein enormer Eingriff in die Natur.
Für den GL bot der Entwurf eine ideale Bühne, um zu
zeigen, was mit moderner, vor allem aber verfügbarer Technologie bereits
heute möglich ist. „Short-Sea-Anwendungen sind für unser
Null-Emissions-Konzept prädestiniert”,
sagt Fridtjof Rohde. Der Energiebedarf der Scandlines-Fähren ist geringer,
zudem kann öfter „gebunkert” werden.
Schiffe hingegen, die weite Strecken fahren, ließen sich viel schwerer auf
Umweltkurs trimmen – der Energiebedarf ist einfach zu groß.
Bedarf besteht in erster Linie für den Antrieb,
genauso für den Hotelbetrieb. Dieselmotoren oder Gasturbinen schieden aus,
dafür kristallisierte sich der Einsatz von Photovoltaikanlagen,
Brennstoffzellen und Flettner-Rotoren heraus. Der Entwurf zeigt eine
Doppelendfähre für 1500 Passagiere und mit 2200 Spurmetern für Fahrzeuge.
Die an Deck untergebrachten Wasserstofftanks fassen 140 Kubikmeter – genug
für eine 48 Stunden lange Überfahrt.
Ganz unten im Schiffsbauch, dort, wo sie keinen
Platz rauben, stehen die Brennstoffzellen mit einer Nennleistung von 8300
Kilowatt und die Batteriespeicher mit einer Kapazität von 2400
Kilowattstunden. Sollgeschwindigkeit der Fähre sind 17 Knoten – dafür ist
die Brennstoffzelle ausgelegt. Um auf bis zu 18 Knoten zu beschleunigen,
ziehen die vier 3 MW starken Pod-Antriebe zusätzliche Stromstärken aus den
Batterien.
Die Bilanz überzeugt: Während die heutigen
dieselbefeuerten Fähren je Überfahrt rund eine Tonne Treibstoff verbrennen
und dabei, neben Schwefel- und Stickoxide an die drei Tonnen CO2 ausstoßen,
fährt die neue Fähre emissionsfrei. Dabei floss die Leistung der
Flettner-Rotoren in die Energiebilanz noch gar nicht mit ein. Rohde schätzt
sie auf rund 10 Prozent: „Das ist eine windige Ecke”,
begründet er.
Die neuen Fähren wären übrigens nur rund 25 Prozent
teurer als ein konventioneller Entwurf. „Die Technologie ist vorhanden, sie
muss nur für die Schifffahrt genutzt werden“, sagt FutureShip-Experte Rhode.
Würde der Bauauftrag nächstes Jahr erteilt, ließe
sich der Fehmarnbelt schon 2017 emissionsfrei kreuzen. Die Bauarbeiten für
das Mammutprojekt Tunnel hätten dann gerade erst begonnen.
Dauerte
das Berechnen einer einzigen Schiffsform selbst mit CAD-Programmen vor zehn
Jahren noch oft eine Woche oder länger, so schafft der moderne
Hochleistungsrechner, der beim Germanischen Lloyd in Hamburg gerade
installiert wurde, stolze 40.000 Entwürfe an einem einzigen Wochenende. So
finden die FutureShip-Ingenieure garantiert die ideale Rumpfform.
Quelle: „nonstop”,
Kundenmagazin des Germanischen Lloyd, Hamburg
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