FERNWEH   AUSGABE 1/2013
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Foto: Dieter Bromund, Bremen

Sehnsuchtsziel in Italien: Venedig mit seinem Canal Grande und der Rialto-Brücke.

   

Wohin gehts das nächste Mal? Über Reisewünsche und Reiseziele

„... und tief in der Seele das Ferne, das Sehnen, das nimmermehr ruht ... Ja, damals sangen wir solche Verse an Heimabenden und an Lagerfeuern, wir, die Pfadfinder in Düdenbüttel, nördlich von Stade an der Elbe. „Schön ist die Welt, drum Brüder, lasst uns reisen ... In Heimatkunde lernten wir von Lehrer Buhrke Karten vom Land zwischen Elbe- und Wesermündung zu zeichnen. Später gabs abgegriffene Abenteuerheftchen, die getauscht wurden.

Wir lasen alles, was uns in die Hände fiel, „Das Grab am Wabash und die „Blutige Grenze. Und endlich auch den „Robinson Crusoe, „Tecumseh, „Am Rio de la Plata und das Tagebuch des Robert F. Scott.

Als aus Heimatkunde Erdkunde geworden war, und wir das Gymnasium besuchten, studierten wir jede Landkarte. Und lernten Kurioses erinnern. Wie heißen die Zinninseln im Ausgang der Sundastraße? Ab wo ist der Amazonas schiffbar?

Da oben im Norden ist die See nahe, auf der Elbe kam man in den Nachkriegsjahren am schnellsten nach Hamburg, an Wracks vorbei. Blaue Troyer und Hosen „mit Zahlbrett und Schlag waren noch häufig zu sehen, Tätowierungen wiesen den Träger als Seemann aus. Und wenn so einer dann anfing, von seinen Reisen zu erzählen, stockte uns oft genug der Atem.

Meine Sehnsucht auf die Welt wuchs aus Liedern und Büchern, die Ziele fand ich auf Karten. Es waren lange nur Ziele an Land, Pfadfinder gingen „auf Fahrt und manchmal weiter weg „auf Großfahrt. Da schlug man dann die Zelte an Seen in Schleswig-Holstein auf oder radelte durchs Bergland die Weser entlang. In den Jugendherbergen wurden abends Lieder gesungen von Finnland und Island, von Mückenschwärmen und Kabeljau. Hinter der Nordsee, die wir bei Cuxhaven kennenlernten, lockte die Ferne. Wir lernten Englisch und Französisch und bissen uns die Zähne an Finnisch aus.

 

Zum ersten Mal in die 
Ferne

Mit siebzehn Jahren fuhr ich zum ersten Mal nach England, von Oostende nach Dover. Finnisch hatten wir aufgegeben. Wir wetteiferten jenseits des Kanals mit Reisezielen. Nach Ullapool musste man wenigstens trampen, und Lands End könnte man auch noch erreichen. Die Orte konnten gar nicht weit genug entfernt sein. Oban und Argyll klangen exotisch, auf einer Insel sollte noch Schafwolle zu Stoffen gewebt werden – von Hand.

In Newcastle-upon-Tyne traf sich die Welt. Aus dem Britischen Empire war nach dem Zweiten Weltkrieg das Commonwealth of Nations geworden, und auch in Newcastle studierten seine jungen Männer – aus Indien, Pakistan, Malaysia, aus Burma und aus Afrika, aus der Karibik, aus Neuseeland und Australien. Englisch hatte viele Klang- und Hautfarben. Und kannte viele Geschichten, denen wir, ebenfalls in Newcastle studierend, im Club der ausländischen Studenten lauschten.

Die erste Schiffsreise ging von Rotterdam nach New York, die zweite von New York nach Le Havre, noch mit Schiffen, die schon im Zweiten Weltkrieg gefahren waren. Flugreisen waren damals unerschwinglich.

 

Übers Wasser in den Urlaub

Mit Töchtern und einem Hund waren später Inselurlaube angesagt. Die Ziele sollten sicheres Sommerwetter, große Strände, Badetemperaturen und eine Wohnung bieten, Zelte oder Hotels standen nie auf unserer Liste. So badeten wir in Ostsee, Nordsee, am Atlantik und im Mittelmeer.

In jedem Jahr verschwand damals Vater mit Freunden auf eine Woche oder zehn Tage zum Segeln, das er von der Pieke auf bei einem holländischen Kapitän gelernt hatte. So ließen sich fremde Küsten per Boot besuchen, man lernte, sich auch auf hoher See zu orientieren.

Manche dieser Reisen bildeten den Hintergrund für Romane und Geschichten, die im Herbst, Winter und Frühjahr geschrieben wurden. Weithin unbekannte Orte wurden sehr wichtig, Byxelkrok etwa oder die Gargalo.

Zum Erfinden und Schreiben kamen Übersetzungen aus dem Englischen – maritime Romane aus Englands Kampf gegen Napoleon oder im Schwarzen Meer oder gegen die deutsche Kriegsmarine. Und wieder weitete sich die Welt. Seekarten sammelten sich, Atlanten wurden wichtig, Nachschlagwerke standen dicht gedrängt im Regal. Doch die Reisemuster änderten sich durch diese Tätigkeit noch nicht.

 

Mit der Frage beganns

Ohne die Frage des Verantwortlichen für Rundfunkfeatures wäre alles beim Gewohnten geblieben: „Wollen Sie nicht mal einen Reisebericht für uns machen? Sinnvollerweise über eine Gegend, die einem vertraut war. Harris in Schottland, Öland in der Ostsee, St. Petersburg und die Ile d Oleron, die Färöers und Grönland wurden zu einstündigen Reisefeatures. Und manche auch zu Reiseberichten in der FAZ.

Alles wäre weiter bei gewohnten Stadt- und Inselgeschichten geblieben, wenn nicht der Herausgeber des SeereisenMagazin die gleiche Frage wie der Rundfunkmann gestellt hätte: „Wollen Sie nicht mal einen Reisebericht für uns machen? Ja, ich wollte und will immer noch. Reisen macht wohl nie satt. Viele der angeträumten Ziele haben wir inzwischen erreicht.

Wir fuhren auf die Insel des großen Tuchs, nach Harris und erlebten, wie Tweed gewebt wurde. In Oban an der schottischen Westküste probierten wir wunderbaren Whisky. Wir fuhren durch den Panama, das Maß aller Schiffe, durch den Suez, den ersten Welten trennenden Kanal, staunten über Gibraltar, mit dem die Alten die Säulen des Herkules verbanden. Was Bücher versprochen hatten, wurde in der Südsee Wirklichkeit, Palmen, blauer Himmel, blaues Meer und ein weißes Schiff. Geheimnisvolle Osterinsel mit steinernen Malen. In Venedig ließen wir am Canal Grande die Seele baumeln.

Wir machten mit gecharterten Booten weite Segelreisen und probten Sextanten-Kenntnisse. Auf einem Großsegler stiegen wir in die Wanten. Wir schwankten im Urwald von Honduras über Hängebrücken und genossen an der Küste Meer, Ferne und kühlenden Wind. Inseln bewegen uns immer wieder: die Lofoten mit ihrem geheimnisvollen Licht und Pitcairn, das wohl einsamste Eiland der Welt.

 

Was andere reizt

Auf all unseren Reisen ist eine Erfahrung immer gleich: Gespräche beginnen am Tisch mit einem mehr oder minder kurzen Hinweis auf eine andere eigene Schiffsreise. Aus diesem Hinweis entwickeln sich oft Unterhaltungen, die eine ganze Kreuzfahrt lang fortgesetzt werden können. Doch nicht jeder hat eine vergleichbare Reisebiografie, manch einer will nur mal ausprobieren, wie ein Urlaub auf dem Wasser sich anfühlt.

Was lockt, kann das einzelne Ziel, mehrere Ziele, die gesamte Route, das zu erwartende Wetter, Fauna, Flora oder das Schiff selber sein, das unsere Gesprächspartner zu ihrer Reise veranlasst hat. Manche Annehmlichkeiten brauchen gar keine Erklärung.

Immer wieder mal treffen wir auch auf Reisende, die das im Fernsehen Gesehene überprüfen wollen. Ist die See dort wirklich so blau? Wie geht das mit den Lokomotiven am Panamakanal? Wo landeten die Meuterer der Bounty? Tragen alle Statuen auf der Osterinsel steinerne Hüte?

Bücher locken heute seltener und auch mit dem topografischen Wissen aus dem Erdkundeunterricht ist es nicht mehr so weit her. „Um den Kabeljau zu fangen und zu fischen nach Verlangen reist heute wohl sicher niemand mehr – auch nicht nach Island. Und was treibt uns an? Immer noch „das Ferne, das Sehnen, das nimmermehr ruht?

 

Vom Immerwährenden

Was weckt bei uns heute Reisewünsche, die zu neuen Zielen führen? Erstens fremde Küsten, an denen wir noch nie waren. Zweitens Orte, die wir auf Kreuzfahrten noch nicht besucht haben oder unbedingt wiedersehen wollen. Und schließlich Schiffe, die wir kennenlernen möchten. Wir planen natürlich vernünftig und sachlich, studieren viele Quellen, stimmen uns ab. Und so erscheinen Ziele auf unserer Wunschliste für künftige Reisen, die alle begründbar sind. Soweit so gut.

Doch so ganz rational geht es nicht immer zu. Da nehmen wir ein Buch in die Hand. Hören ein Lied. Sehen einen Film. Der Nachbar erzählt. Und plötzlich gilt das kühl Geplante überhaupt nicht mehr. Wenn wir so unseren Gedanken nachhängen, entdecken wir das Sehnen wieder, „tief in der Seele, das nimmermehr ruht. Da gibt es doch eine Reise von Manaos runter ums Kap und bis Lima rauf. Sollten wir die nicht machen? Also ...

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Die Stadt Oban an der schottischen Westküste, Sprungbrett für Fahrten auf die Hebriden und Heimat eines wunderbaren Whiskys.

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Einzigartig und nur auf den Äußeren Hebriden von Hand aus Schafswolle gewebt: Der Harris Tweed.

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Die Sonne schießen, um auf See die eigene Position zu bestimmen. Die Steuermannskunst von einst wird heute nicht mehr gebraucht.

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Im kühlenden Wind vom Herrensitz auf den unendlichen Ozean blicken – in Honduras ists möglich. 

Foto: Dieter Bromund, BremenAusflug im Urwald in Mittelamerika. Auf schwanken-

der Brücke sind Abgründe leicht zu überwinden.

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Enter auf! Selten geworden sind Reisen auf Schiffen,
auf denen der Gast beim Segelsetzen mitmachen kann.

Foto: Dieter Bromund, BremenVor Marmaris: Fremde Küsten mit dem Boot besuchen: Eine gute Ausbildung erlaubt Fahrten in unbekannte Fernen.

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Der Panamakanal ist in der Schifffahrt das Maß für alle. Durch die Schleusen schleppen Loks die Ozeanriesen.

 

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Eingang zum Orient: Minarette am südlichen Eingang zum Suezkanal, der als erste künstliche Wasserstraße Kontinente trennte.

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Wohin die Meuterer der BOUNTY vor der Royal Navy flüchteten: Pitcairn war 1789 noch eine unentdeckte Insel und ist immer noch eine der einsamsten.

 

Foto: Dieter Bromund, Bremen

Berge, Meer, Fische und geheimnisvolles Licht: Die Lofoten haben viele Geschichten und Lieder angeregt.

Foto: Dieter Bromund, Bremen

 Weißes Schiff auf blauem Meer, Palmen am Südseestrand: Traumziel für Viele.

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