FLUSSREISE | AUSGABE 1/2013 | ||||||
Blick aus der Kuppel der Dresdener Frauenkirche auf die Elbe südwärts. |
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Potsdam gehört dazu, eine Reise wie diese
mit der MS SAXONIA
muss in Potsdam beginnen,
wenn sie ihr Glanzlicht in Dresden und ihren
Wendepunkt in Prag hat. Drei Residenzen, drei schicksalsträchtige prächtige
Städte. Aber auch Wörlitz, Magdeburg und Wittenberg, Torgau und Meißen, das
Elbsandsteingebirge, Melnik und Leitmeritz sind Besuche wert, Leipzig
allemal einen Abstecher.
Doch warum soll man sich diesen Orten mit dem Schiff
nähern, bloß weil fast alle am Wasser liegen? Nicht nur aus Bequemlichkeit.
Die Annäherung, den Rundgang durch die Stadt, die Nacht vor der Stadt, das
Lösen am Morgen der Weiterfahrt erlebt man vom Schiff her anders als mit der
Bahn, dem Auto oder dem Fahrrad. Wir gleiten durch Stille, über dunkles Wasser. Immer
haben wir Landschaft um uns, einen gewaltigen Himmel über uns. Bäume
verbinden Oben und Unten, züngelnd und einsam oder in Gruppen, schützend und
abgrenzend. Immer läuft eine kleine Welle mit und deutet Buchten,
Abzweigungen oder Einmündungen aus. Vögel in Schilf und Ried, Locktöne und
flatterndes Erschrecken. Am Ufer regt das Nahe wie das Ferne zum
Weiterdenken an, wenn es kundig vorgestellt wird. Städte und Dörfer kündigen
sich am Wasser schnell an und versinken ebenso schnell wieder. Kaimauern
oder Pontons laden den Reisenden kaum ein. Sie sind Hilfen, um an Land zu
kommen, mehr nicht.
Ausgangs- und Endpunkt stehen bei Schiffsreisen selten auf dem Ausflugsprogramm. Wer will, kann vorher oder nachher auf eigene Faust den Ort erkunden. Potsdam hätte den Gästen der MS SAXIONIA gewiss einen bequemeren Ein- und Ausstieg bieten können, doch ein besserer Start in das wasserreiche Gebiet des Havellandes ist schwer vorstellbar. Es ging linksherum um den Stadtkern. Lange im Blick die grüne Kuppel der Nikolaikirche und an freundlichen Ufern Wohn- und Wirkstätten von Prominenz und Prinzen. Die SAXIONIA fuhr
unter der Glienicker Brücke durch, auf der in Zeiten des kalten Krieges
Spione und Gefangene ausgetauscht wurden, und am Cecilienhof vorbei, in dem
Stalin, Roosevelt und Churchill 1945 Weichen für das weitere Schicksal
Deutschlands stellten.
Das mitreisende Viersterne-Hotel namens SAXONIA fährt für Phoenix Reisen, Bonn. Das Schiff wurde in den Niederlanden gebaut und 2001 in Hamburg getauft. Es ist 82 Meter lang, 9,50 Meter breit, und hat je nach Zuladung einen Tiefgang von 1,05 bis 1,60 Meter. Die SAXONIA kann 90 Gäste in 45 Doppelkabinen aufnehmen, um die sich 25 Personen in Küche, Hotel, Schiffsführung und in der Kreuzfahrtleitung kümmern. Für zwölf Tage packt man auf dieser Reise im April seine Koffer nur einmal aus und wieder ein. 69 Gäste sind an Bord. Man gewöhnt sich (auch zu zweit) schnell an 12 Quadratmeter Kabine mit Ausklappbetten und einem passabel großen Duschbad. Umgangssprache der freundlichen Helfer für die Kabine, im Restaurant, im Salon, an der Bar ist Deutsch in vielen Tönungen, aus Lettland, Ungarn, Rumänien, Bulgarien und Tschechien. Tisch und Tischgenossen bleiben während der ganzen
Reise die gleichen, beim Frühstück (vom Buffet), Mittag- und Abendessen. Was
man zu den Hauptmahlzeiten essen will, bestellt man beim Frühstück. Zu
Kaffee und Bouillon trifft man sich im Salon, klug gegliedert für kleine und
größere Gruppen. Dort kann man auch dem unermüdlichen Roumen am Flügel
lauschen. Das Sonnendeck ist nur manchmal gesperrt, wenn
Brücken zu niedrig für Sitzende sind. Dann fährt auch das Steuerhaus ein,
die SAXONIA ist eine Etage niedriger
geworden. Das Schiff ist in Basel registriert. Eigner ist die Scylla AG in
Basel, für den Veranstalter Phoenix Reisen ist nur die Kreuzfahrtleiterin an
Bord, kenntnisreich, auskunftsfreudig, kompetent, engagiert und perfekt
organisiert – Monika Hütte.
Man könnte das Wasser zwischen der Stadt Berlin und der Stadt Brandenburg als einen Stausee bezeichnen, der entstand, als viele Mühlen Wasser brauchten. Wo in diesen weiten Wasserflächen fließt die Havel? Sie kommt aus dem Mecklenburgischen im Norden, berührt Berlin und Potsdam und mündet in die Elbe, wie man weiß. Doch sie lässt sich bei allem Zeit, zieht gemächlich durchs Land in vielen Kehren und Wendungen. Kurz vor der Elbe zögert sie und dreht wieder nach Norden ab, läuft viele Kilometer parallel zur Elbe durch dünn besiedeltes Gebiet und mündet erst südlich von Wittenberge in den großen Fluss. Die Preußen haben schon im 18. Jahrhundert
Verbindungswege zwischen Berlin und der Elbe gegraben, Verkehre ermöglicht,
und schließlich auch den Havel-Elbe-Kanal, der der Schifffahrt den Weg
erheblich verkürzt und erleichtert. Nach der Wiedervereinigung entstand als
Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 17 das Wasserstraßenkreuz
Magdeburg, in Deutschland einmalig und in der Welt selten: ein großer,
breiter Kanal überquert einen großen Fluss, der Mittellandkanal die Elbe bei
Flusskilometer 339,6. Selbst bei höchstem Elbwasserstand beträgt die
Durchfahrthöhe auf dem Fluss immer noch 6,50 Meter.
Die Elbe heißt in Tschechien Labe. Ihre Quelle liegt
im Riesengebirge. Aber es gibt genügend Tschechen, die der Elbe lieber einen
anderen Namen geben würden, Moldau. Dieser Fluss führt in seiner Einmündung
in die Labe mehr Wasser und ist sehr viel länger als das, was da aus dem
Riesengebirge kommt. Doch Gewohnheit und Tradition haben uns den Namen Elbe
beschieden, die rund 1100 Kilometer lang ist. Ab der deutschen Grenze ist
die Kilometerzählung verständlich, in Tschechien hat man neuerdings eine
andere Art der Zählung so ausgeschildert, dass selbst Kapitän Pavel Nyvlt
Schwierigkeiten hat, einem Laien das Prinzip zu erläutern. Er, der die Elbe
liebt und alle Schleusen und Manöver souverän meistert, lobt die Donau, die
10 Länder durchfließt oder berührt. Sie hat eine einheitliche
Kilometrierung, Null steht an der Mündung am Schwarzen Meer, 2655 Kilometer
am Ende der Schiffbarkeit. Von dem gewaltigen Strom, der ab Hamburg in die
Nordsee fließt, ist bei Magdeburg noch nichts zu sehen. Doch wir hörten,
dass trotz wechselnder Wasserstände der Containerverkehr bis Magdeburg das
ganze Jahr über sicher gestellt ist. Flussauf hinter Magdeburg sieht die
Elbe eher schmal aus, Buhnen machen den Strom schneller, Wiesen und Weiden
fassen ihn ein. Doch das friedliche Bild täuscht. Die Elbe ist bis nach Tschechien hinein gefährlich, genauso wie flussabwärts von Hamburg. Hier sind’s die Hochwasser, die aus Tschechien und den deutschen Nebenflüssen kommen, dort ist es das Hochwasser von der Nordsee. Im Norden hat man die Elbe einigermaßen gebändigt, hier arbeitet man noch daran. Bei Bad Schandau kurz vor der Grenze deutete der Kapitän auf einen blauen Strich auf einem Tor einer hoch am Ufer gelegenen Werft. Bis dahin habe das letzte gewaltige Hochwasser 2002 gestanden – und uns verschlug’s den Atem. Hochwassermarken sind in allen Städten am Fluss zu sehen, diese nötigten uns Respekt ab. Die Elbe sei ein romantischer Fluss, hat Friedrich Schiller einst gerühmt. Dem mag man nur an wenigen Stellen zustimmen, etwa im Elbsandsteingebirge. Und immer wieder mal, wenn’s kuhweidengemütlich wird. Aber das ist selten, flache grüne Ufer werden zum Süden hin seltener, man lebt schließlich von Produktion und Gewerbefleiß. Wo Gewerbefleiß das Sagen hat, werden auch Städte,
Dörfer sowieso, durch Fabrikbauten optisch zerstört. Im realen Sozialismus
hat man diese Zerstörungen guter Stadtbilder anders benannt und begründet.
Aber Freude über solche Errungenschaften kommt bei der Passage mancher
Elborte heute nicht mehr auf. So tut der große Fluss immer wieder der Seele wohl
und entsetzt immer wieder mal das Auge.
Prag liegt an der Moldau nicht an der Elbe, was
eigentlich schade ist. Denn zu einer bedeutenden Stadt gehört auch ein
bedeutender Fluss. Die Moldau ist aber offenbar in Tschechien bedeutender
als die Labe – Smetana hat über sie ein Seelen erwärmendes Stück Musik
komponiert („Die
Moldau” von Friedrich Smetana hören), das nicht nur die Tschechen
begeistert. Auf der MS SAXONIA
lernt man vor allem die andere Seite der Moldau kennen. In dem jungen Staat
Tschechoslowakei, gegründet 1918, war dieser Fluss die bedeutendste
Wasserstraße, die unter anderem dafür sorgte, dass Prag genügend Holz und
Kohle bekam und seine Menschen ernähren konnte. Die Versorgung war nur
gesichert, wenn der Fluss genügend Wasser führte. Bei launischen Wasserwesen
wie Labe und Moldau war das nur durch Kanäle möglich. Sie sorgten mit ihren
Schleusen dafür, dass niemand darben musste. So gibt es auf der Labe in
Tschechien bis zur Moldaueinmündung sechs Schleusen, bis nach Prag noch
einmal fünf. Die SAXONIA nähert sich der
Goldenen Stadt quasi durch den Hinterhof. An ihm wird auch Hässliches
liebevoll gepflegt, aber ist solche Annäherung Prags würdig? Erst nach dem
Festmachen entdeckte man den Glanz, der die Goldene Stadt berühmt gemacht
hat.
An ausgedruckte Tagesprogramme ist man bei Schiffsreisen gewöhnt, auf der MS
SAXONIA
verwöhnte Monika Hütte ihre Gäste mit weiteren gründlichen
Informationen. So gab es für jeden Halt Stadtpläne und Erläuterungen und
darüber hinaus Durchsagen. Kein Ort, der passiert wurde, blieb
unkommentiert. Das half über die Enttäuschung wegen fehlender Elbkarten
hinweg, die selbst in Magdeburg nicht zu haben waren. Ein Führer über den
Elberadweg tröstete etwas, die
Faltkarte half nur schwach. Aber die kundige Reiseleiterin war auch auf
diese Fälle vorbereitet, beriet sich mit dem Kapitän oder nutzte Handy oder
Laptop, und die richtige Antwort kam prompt. Monika Hütte fährt seit vier
Jahren für Phoenix und kennt dieses Revier und die Führer der Ausflüge an
Land seit vielen Reisen.
Der goldene Reiter im steinernen Denkmal vor dem
Rathaus und Grabmale im Dom erinnern an Magdeburgs vergangene Bedeutung,
doch das Bild der Innenstadt ist geprägt vom Wiederaufbau unter dem realen
existierenden Sozialismus. Die Stadt wurde im Krieg zu 80 Prozent zerstört.
Heute ist das Auge dankbar für jede erhaltene Kirche und jubelt über die
grüne Zitadelle, einem Baukomplex von Friedensreich Hundertwasser. Bedeutend
unter Kaiser Otto I. geworden, war Magdeburg mit seiner Rechtsordnung
Vorbild für mehr Stadtgründungen im Osten als jede andere deutsche Stadt –
doch davon merkt der Besucher heute nichts mehr.
Gelegentlich, das mussten auch die Mächtigen der DDR
zugeben, haben selbst Fürsten das Wohl des Volkes nachhaltiger befördert, als die sozialistische Theorie vorsieht. Wörlitz wurde reich und
seine Bewohner glücklich durch landesherrliche Erkenntnisse über
Fruchtwechsel und Menschenführung. Die übliche Dreifelderwirtschaft, die immer ein
Drittel des Landes brach liegen ließ, ersetzte 1759 Fürst Leopold Friedrich
Franz von Anhalt-Dessau durch den Fruchtwechsel, den er auf seinen
herrschaftlichen Reisen in England kennengelernt hatte. Das Land, das bis
dato den Bauern gemeinsam gehörte, wurde ihr Privatbesitz. Reisebegleiter des Fürsten entwarfen und bauten
Schloss und Park Wörlitz. So erblühte hier ein Gemeinwesen, das noch heute
als Weltkulturerbe der UNESCO jährlich Tausende von Besucher anlockt. Der Gondelführer, der die Praktikantin die Gäste durch die Kanäle rudern ließ, wusste allerdings auch zu stöhnen. Der UNESCO Schutz macht den dort Arbeitenden nicht nur Freude. Käfer, die Eichen aushöhlen, sind geschützt und Biber von der Elbe, die Bäume fällen, dürfen daran nicht gehindert werden.
Lutherstadt Wittenberg, der Ort, von dem aus die Welt verändert wurde! Für die MS SAXONIA-Besucher war er eine Straßenzeile, die an der Schlosskirche begann und |
am Lutherhaus endete. Vom Fluss aus war Wittenberg gut auszumachen, zum Land hin auf übliche Weise ausufernd. Die lange Reihe der
Namen prominenter Stadtbesucher von Karl V. an war an den Häusern verewigt,
in denen sie abgestiegen waren. Herr Obenauf wusste als Fremdenführer nicht
nur über Luthers Thesen und die Schlosskirche, Maler Cranach und Professor
Melanchthon und die berühmteste Universität ihrer Zeit zu berichten, er
kannte auch die von weither angereisten Gäste dieses Zentrums von Religion
und Wissenschaft. Und er stellte Herrn Käthe vor. Gemeint war Katharina von
Bora Luthers Frau, die wohl sehr resolut einen großen Haushalt führte. Doch überraschend war die preußische Ausrichtung der Stadt. Zu Luthers und Melanchthons Zeiten war sie sächsisch, preußisch wurde sie erst 1815. Und weil die Schlosskirche abgebrannt war, wurde sie von den Preußen wieder aufgebaut. Ihr Kirchturm erinnert manchen Besucher und Bewohner an die Pickelhaube preußischer Militärs. Der um den Turm laufende Spruch verstärkt den Eindruck noch: „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen”. Als hätte Luther nichts Friedlicheres zu verkünden gehabt.
Wer Porzellan liebt, muss Meißen und die Manufaktur
mögen. Wer das weiße Gold eher als Gebrauchsgegenstand nutzt, kann sich auch
in der Stadt umsehen. Auch da kann er Schönes kaufen, und auch da kann er
ein Vermögen ausgeben. Meißen lief die MS SAXONIA
zweimal an und jedes Mal
ehrten wir, was auch bekannt sein sollte: den Wein von der nahen Unstrut und
das Bier aus dem Brauhaus auf halber Höhe zu Schloss und Burg. So wäre viel
über Wein aus der Region zu berichten, der seinen Preis hat, und das dunkle
Bier aus der privaten Schwerter Brauerei wäre zu loben, das auch tiefen
Durst stillt.
Man ahnt schon beim ersten Besuch, dass man sich Dresden nähert, die Silhouette vor dem Bug der MS SAXONIA verrät die Schöne. Irgendetwas sieht anders aus, das Elbtal wird breiter, der Fluss zieht eine große Kurve. Und dann ist man da und hält den Atem an vor so viel gesammelter Schönheit. Elbflorenz hat Johann Gottfried Herder sie als erster genannt. Den heutigen Reisenden erinnert sie mit ihrer Konzentration großer Bauwerke eher an Wien – und dann doch nicht mehr. Wien hat keine Fassade zur Donau, ist dem Fluss nicht zugewandt, Dresden ist ohne Elbe nichts. Sie fließt mitten durch das Schöne hindurch. Rechts das alte, einst zerbombte wieder erstandene Dresden mit Frauenkirche, Semperoper, Zwinger, auf der anderen Seite auffällig der Regierungssitz und das Finanzministerium. Dresden beherrscht ein ganzes Tal, ist Weltkulturerbe der UNESCO, aber wie lange noch, wenn die neue Brücke als fünfte die Ufer verbindet? Die Stadt war seit Jahrhunderten Sitz von Kurfürsten, deren zwei Anfang des 18. Jahrhunderts gleichzeitig auch polnische Könige waren. Ihre Nachkommen wurden deutsche Könige von Napoleons Gnaden und blieben es bis 1918, als der letzte, August Friedrich, beim Abdanken seinen Sachsen sagte: „Nun macht Euren Dreck alleene”. Das nehmen die Dresdener sich
offenbar immer noch zu Herzen. Die Innenstadt ist blitzsauber. Sie zu
genießen, braucht man mehr als die angesetzten drei Stunden, die für die
Rundfahrt mit dem Bus und den Rundgang auf dem Programm der MS SAXONIA
standen. So war dann das Ablegen erst für den nächsten Morgen um 6.30 Uhr
angesetzt.
Die Sandsteine gab es schon immer, jedenfalls seit 100 Millionen Jahren. Die Elbe bahnte sich ihren Weg durch sie. Als die Sandsteine ihre heutige Form durch Wind und Wasser gefunden hatten, wanderten zwei junge Herren, Adrian Zingg und Anton Graff, durch sie. Die gebürtigen Schweizer studierten in Dresden Malerei und Kunst und fanden, diese Berge erinnerten sie an ihre Heimat im Südwesten. Sie sprachen fortan von der „Sächsischen Schweiz”, und so wurde das Elbsandsteingebirge an der Grenze nach Tschechien in deutschen Landen bekannt. In Tschechien
nannte man das Entsprechende bald die „Böhmische Schweiz” – aber
eidgenössisch sieht in ihr nichts aus. Doch atemberaubend ist beides, der
Blick von oben auf die Elbe wie der von unten auf die Steine, zwischen denen
im vorletzten Jahrhundert zum ersten Mal eine Brücke gebaut wurde, die
nichts weiter sollte, als Touristen zu erfreuen. Was sie heute noch tut –
von oben wie von unten betrachtet.
Sie ist gewaltig, weltberühmt, wurde nie belagert,
nie eingenommen und auch nie verteidigt. Jeder Sozialist müsste sie kennen,
denn zwischen 1872 und 1874 saß August Bebel hier als Gefangener, und von
1949 bis 1955 war sie ein „Werkhof” für
straffällige Jugendliche der DDR. Das Kurfürstentum und das
Königreich Sachsen leisteten sie sich als Tresor des Staatsschatzes, wenn es
im Lande kritisch wurde. Die gewaltige Festung über der Elbe hätte sich im
Falle eines Falles so lange halten können, wie der 152,5 Meter tiefe
Brunnen im Hof Wasser gab. Wie lange das hätte sein können, wurde nie
herausgefunden.
Prag ist mehr als man in zwei Tagen erleben kann. Was also tut man? Monika Hütte schlug vor, sich am ersten Abend treiben zu lassen und am zweiten Tag vom Hradschin in die Stadt bis zum Fluss hinunter zu wandern. Schon Mitte April, der Wind pfiff noch kühl, war die Stadt voller Besucher, voller als jede andere, die wir kennenlernten. Was mag hier erst im Sommer los sein? Aber eine Stadt mit so viel Vergangenheit und
Bedeutung zieht viele an: die an mittelalterlicher Geschichte
Interessierten, die Nationalbewußten, die Spurensucher von Krieg und
Nachkriegszeiten, Juden, Christen aller Schattierungen, Literaten, Musiker,
Bierfreunde und Liebhaber gewaltiger Fleischportionen. In Prag kann man sich
nicht langweilen, und man ist vermutlich auch nie lange genug da.
Wer hätte schon von Melnik gehört? Ein Schloss der
Herren von Lobkowicz, wo die Moldau in die Elbe mündet. Die entsprechende
Schleuse erlaubt den ersten Blick auf Weinberg und Gebäude. Und oben darf
man den Wein – nein, nicht degustieren, aber kaufen, in einer Flasche, die
nur hier zu haben ist. Und wer kennt Leitmeritz? Dort mündet die Eger in
die Elbe, oder auf Tschechisch: die Ohře in die Labe. „Schon im 18. Jahrhundert
befand sich dort eine slavische Siedlung”, las man auf dem
Informationsblatt. Nun ja. Der letzte Satz des Blattes enthält das bewegende
Detail. „Unweit von Leitmeritz befindet sich die Festung Theresienstadt”.
Festung? Konzentrationslager ist wohl gegenwärtiger. Und während wir im
Abenddunkel über den Marktplatz wanderten, erfuhren wir fast beiläufig, dass
sich in den Höhlen und Gängen unter der Stadt während des Krieges
KZ-Häftlinge zu Tode schuften mussten.
Auch Städte, die an nicht mehr schiffbaren Wassern liegen, lohnen einen Besuch. Leipzig liegt an der Pleiße, einem Nebenfluss der Elster, die ihrerseits ein Nebenfluss der Saale ist, die bei Barby in die Elbe mündet. Mit einem Schiff wie der MS SAXONIA kommt man da nicht hin. Wer also Leipzig kennenlernen wollte, musste das Schiff verlassen und mit dem Bus in die Leipziger Innenstadt fahren und im Schatten der Thomaskirche aussteigen. Thomaskirche? Ja, die von Bach und vom Thomanerchor. Vom Denkmal her beobachtet Felix Mendelssohn-Bartholdy den
parkenden Bus. Von hier begann ein Ausflug mit Gedenken und pulsierendem
Leben. Gedenken an Johann Sebastian Bach, der bei seiner
Berufung 1723 nach Telemann und Graupner nur dritte Wahl für die Stelle des
Thomaskantors war. Gedenken an die Montage in der Nikolaikirche – während
der Endzeit der DDR. Man meint den Geist von einst, der ein blutiges Ende
verhinderte, noch immer zu spüren. Drei Gebäude, in denen ebenfalls Geschichte geschah:
Das Reichsgericht, vor dem der Brand des Reichstags im September 1933
verhandelt wurde, Georgi Dimitroff gegen Hermann Göring. Gegenüber
unscheinbar: die zentrale Hinrichtungsstätte der DDR, wo Todesstrafen mit
unerwartetem Genickschuss vollzogen wurden. Und in der „Runden Ecke” der
Sitz der damaligen Stasi. Beeindruckend: Busfahrten durch das großbürgerliche Leipzig. Was für ein Wohlstand herrschte einst hier, oder immer noch oder schon wieder? Besuch des Völkerschlachtdenkmals, um dem mitgebrachten Lunchpaket Ehre zuteilwerden zu lassen. Das Denkmal erinnert den Kundigen an die Heere vierer Nationen, die hier gegen Napoleons Armeen 1813 antraten. 50.000 Tote später räumten am Ende des dritten Tags die Franzosen das Feld. Es war die bis dato verlustreichste Schlacht der Weltgeschichte. Das Völkerschlachtdenkmal wurde genau hundert Jahre später ein Jahr vor dem Ersten Weltkrieg eingeweiht.
Letzter Halt, letzter Abend in Brandenburg. Es gibt
Städte, die mit großen Namen im Schatten der Geschichte stehen. Brandenburg
gehört dazu, ein schöner Platz zum Festmachen, Monika Hütte lud zu einem
letzten Rundgang ein, also los. Und dann musste man die Augen schließen vor
dem, was an die jüngere proletarische Vergangenheit erinnert. Und sie wieder
weit öffnen vor großer preußischer Backsteingotik an Dom und Rathaus.
Jeder hat von Brandenburg gehört, aber auch von dieser Stadt? Noch immer erinnern Fassaden an Kämpfe des Weltkriegs, der 1945 zu Ende ging. Und dann trifft man auf eine knollennasige Gestalt Loriots – auf einer Bank sitzend. Loriot, alias Vicco von Bülow, wurde in Brandenburg geboren und hier im Dom getauft. Eine andere Plakette erinnert an Friedrich de la Motte-Fouqué, der hier seine „Undine” schrieb, die gleich zweimal als Oper vertont wurde.
Letzte Abende einer Reise zerfasern häufig. Meistens
ist der vorletzte Abend der bessere, und so fand auch das Captain Wie jeden Abend
spielte Roumen auch jetzt unermüdlich, doch nie zu laut. Heute war das zu
hören, was seine Zuhörer in zwölf Tagen besonders geschätzt hatten. Der Blick nach draußen zeigte am letzten Abend eine
dunkle Havel, flache Horizonte, mit fahlen Spuren der Sonne, Lichter von
Schleusen. „Morgen früh sind wir in Potsdam”.
Aber die Flussfahrt kann weitergehen. Von Potsdam aus fährt die MS SAXONIA
nach Hamburg oder in die Ostsee oder die Oder entlang. Auf
Wiedersehen also, sagte Monika Hütte und lächelte einladend. |
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Die
MS SAXONIA auf der Elbe unterhalb der
Bastei. |
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Die
Nikolaikirche in Potsdam beherrscht das Stadtbild. |
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Loriots Männchen mit der Knollennase
lädt den Autor zum Verweilen ein.
Vicco von Bülow wurde in Potsdam geboren und im Dom getauft. |
Kapitän Pavel Nyvlt steuert in Potsdam das Ablegemanöver der MS SAXONIA von der Nock aus. |
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Schloss Wörlitz im Wörlitzer Park oder Dessau-Wörlitzer Gartenreich gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. |
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Die SAXONIA hat in Torgau festgemacht. |
Das
Schloss von Torgau mit den Überresten der Elbbrücke, auf deren Trümmern sich
1945 zum ersten Mal auf deutschem Boden amerikanische und
sowjetische Truppen begegneten. |
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Meißen: Schloss, Dom und Burg ragen hoch über der Elbe empor. |
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Dresden: Die Kuppel der Frauenkirche
überragt die Stadt. Links die Kuppel der Kunstakademie. |
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Die Frauenkirche ist in Dresden die Sehenswürdigkeit. Im Krieg zerbombt, wurde sie nach der Wende wieder aufgebaut. Die schwarzen Steine im Mauerwerk sind Originalbausteine, die die Bomben nicht zerstört hatten. |
Frauenkirche hell und schwarz: Steine, die die Zerstörung überstanden, wurden für den Neubau der Frauenkirche mit verwendet. Sie sind an der dunklen Farbe zu erkennen. |
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Dresden lebt mit seinem Fluss.
Ausflugsdampfer und besuchende Schiffe machen fast im Stadtzentrum fest. |
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Hoch über der Elbe verbindet eine Brücke die gewaltigen Felsen der Bastei. |
Von Wind und Regen gezeichnet ist der Sandstein in der Sächsischen Schweiz. |
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Das Elbsandsteingebirge liegt kurz
vor der Grenze nach Tschechien. |
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Niemals eingenommen liegt hoch über der Elbe die sächsische Festung Königstein. |
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Festung Königstein: Kanonen sollten Feinde abwehren, die nie einen Angriff wagten. |
Schweres
Kaliber, das nie im Kampf eingesetzt wurde: Kanone auf
der Festung Königstein. |
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Zu jeder vollen Stunde sammeln sich Menschenmassen vor der astronomischen Uhr an der Südmauer des Altstädter Rathauses in Prag. |
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Blick über Prags Dächer vom Hradschin aus. |
Das Kafka-Museum an der Moldau in Prag. |
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