FIRST NATIONS   AUSGABE 3/2013
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Blick 
		von der Terrasse des Hotels Sacacomie auf den gleichnamigen See

Wilde, schöne Natur, so weit das Auge reicht ... In Saint Alexis des Monts in der Provinz Québec werden Kanadaträume wahr. Hier der Blick von der Terrasse des Hotels Sacacomie auf den gleichnamigen See.

   

Carsten Heinke

Die neuen Krieger von Wendake

Der Sankt-Lorenz-Strom, drittmächtigster Fluss Nordamerikas, der das Wasser der Großen Seen in den Atlantik bringt, ist die wichtigste Lebensader der größten kanadischen Provinz Québec. Eng mit ihm verbunden ist das Volk der Wendat, deren letzte Angehörige in der Nähe von Québec-City leben. Im Reservat Wendake, einem hübschen kleinen Dorf, das auf den ersten Blick recht bürgerlich wirkt, entdecken die modernen „Indianer ihre alten Traditionen wieder und nutzen sie für innovative touristische Projekte. Ganz in der Nähe der heiligen Kabir-Kouba-Wasserfälle betreiben sie seit einigen Jahren Kanadas erstes Museumshotel.

Eine Bisonledercouch ist der ideale Platz zum Träumen. Noch dazu, wenn sie vor einem Kamin steht, außerdem in Kanada und obendrein in einem „Indianerhotel, gebaut und betrieben vom Volk der Wendat, das die Franzosen Huronen nennen.

Noch ein Schluck vom Feuerwasser – und ich bin Winnetou, reite in Gedanken durch die Prärie, jage Büffel, kämpfe gegen Bleichgesichter. Für die Friedenspfeife müssen alle Krieger vor die Tür, auch echte Indianer. Das angeblich unkorrekte Wort für die Ureinwohner Nordamerikas hört man hier im Übrigen genau so oft wie das offizielle „First Nations.

Beseelt von Wildwest-Klischees und kitschigen Bildern aus Karl-May-Filmen, freue ich mich auf die Begegnung mit dem einheimischen Fremdenführer, einem waschechtem Wendat, der mir den Ort seiner Väter zeigen will. „Bonjour! begrüßt mich der elegant gekleidete junge Mann am nächsten Morgen an der Rezeption und stellt sich mit Dave Laveau vor. Dass ich auf der Suche nach einem  nordamerikanischen Ureinwohner an ihm vorbeigelaufen wäre, behalte ich für mich.

Als hätte er die Gedanken erraten, erzählt Dave von einer japanischen Reisegruppe, die richtig böse gewesen sei auf sein „normales Outfit. „Sie fragten: Warum haben Sie keine Federn auf dem Kopf, und wo stehen überhaupt Ihre Zelte?, gibt der 28-Jährige zum Besten, mit einer Designer-Brille in der Hand. Doch schließlich hatten sich die Japaner selber ebenso wenig als Samurais verkleidet wie ich mit Seppelhose oder Spreewaldhaube.

Statt auf unbeschlagene Pferde steigen wir in einen klimatisierten Van, der uns zu Kabir Kouba bringt. An diesen Wasserfällen begann die Geschichte der First-Nations-Siedlung, deren heutigen Bewohnern es weitaus besser als den meisten ihrer „roten Brüder“ geht.

 

Schmucke Häuschen, saubere Straßen, gepflegte Rabatten bestimmen das Bild des Reservats, zu dem auch eine katholische Kirche, Shopping Mall, Gewerbegebiet und neuerdings ein Museumshotel gehören.

Neben dem Verwaltungsgebäude, in dem der Oberhäuptling regiert, spielen die Kinder der Biber-Grundschule auf gemähtem Rasen Fußball. An der Polizeistation hängt eine Blumenampel. Die Nähe zum modernen Québec-City, wo die meisten Wendat arbeiten, lernen und studieren, ist überall in dem Indianerdorf zu spüren. Auch Dave ist in Amerikas französischster Stadt aufgewachsen, zur Schule gegangen, hat Tourismusmarketing studiert – wie auch in Großbritannien.

Von der Sprache seiner Ahnen kennt der junge Mann nur wenige Worte, etwa den Namen seines Stammes: Annaariskwa, die Wolfsleute. Alle Tiere, die den Wendat heilig sind, trifft man in Wendake in vielfältigen Darstellungen – als Skulpturen, Graffiti oder Lichtbilder, die nachts von der Straßenbeleuchtung auf die Gehwege projiziert werden.

Mit großem Getöse stürzen die Wassermassen des Akiawenrahk-Flusses, den die Frankokanadier Saint Charles nennen, in die Tiefe, bevor sie sich durch einen schmalen, 42 Meter tiefen Canyon zwängen. Eine Tafel erinnert an das Ende einer langen Reise, die Daves Vorfahren 1697 bis an diese Stelle führten. „Vor 400 Jahren war unser Volk über den ganzen Nordosten Amerikas verbreitet. An die 40.000 Wendat lebten in mehr als 30 Dörfern. Heute sind wir noch 3.000, berichtet der junge Wolfsmann. Wie im Museum zu erfahren ist, wurden sie durch den Handel mit Tierfellen zu Freunden der Franzosen, nahmen allmählich deren Sprache, Religion und Kultur an. Heute entdecken viele Wendat die alten Traditionen wieder neu.

Einer von ihnen ist Christian Bastien. Bekleidet mit Hirschlederanzug, Fuchsfell und

Federn, hockt der sportliche 62-Jährige an der Feuerstelle und lässt sich von Touristen fotografieren. Lange hat der Mann vom Stamm der Schildkröten als Banker in Montréal gearbeitet, bevor er in seinen Heimatort Wendake zurückkehrte. „Ich hatte genug Rock ,n’ Roll in meinem Leben. Jetzt kann ich meine Rente in diesem wunderbar ruhigen Ort genießen, gesteht er und macht es sich wieder am Kochtopf gemütlich. Es war gut, dass ich Dave zuerst getroffen habe. Monsieur Bastien hätte mich mit seinem beeindruckenden altmodischen Aufzug womöglich auf eine falsche Fährte gelockt.

Im Sankt-Lorenz-Strom 
		leben zahlreiche Walarten, unter anderen Blau-, Finn- und Weißwale, die 
		sich überwiegend im nahrungsreichen Mündungsgebiet aufhalten

Im Sankt-Lorenz-Strom leben zahlreiche Walarten, unter anderen Blau-, Finn- und Weißwale, die sich überwiegend im nahrungsreichen Mündungsgebiet

des Saguenay-Flusses aufhalten.

Das wasserreiche Québec ist ein Tummelplatz für Wasserwanderer. Wie hier am Saguenay-Fjord bei Otter Lake kann man fast überall Kanus mietenDas wasserreiche Québec ist ein Tummelplatz für Wasserwanderer. Wie hier am

Saguenay-Fjord bei Otter Lake kann man fast überall Kanus mieten.

 

Der 
	100 Kilometer lange Saguenay-Fjord ist an manchen Stellen bis zu drei 
	Kilometer breit. Bei Tadoussac mündet er in den Sankt-Lorenz-StromDer 100 Kilometer lange Saguenay-Fjord ist an manchen Stellen bis zu drei Kilometer breit. Bei Tadoussac mündet er in den Sankt-Lorenz-Strom.

Dass wir auf der Suche nach einem nordamerikanischen Ureinwohner an Dave 
			Laveau vorbeigelaufen wären, behalten wir für uns
Dass wir auf der Suche nach einem nordamerika-nischen Ureinwohner an Dave Laveau vorbeigelaufen wären, behalten wir für uns.

Wer unwissend durch das Reservat Wendake mit seinen gepflegten Häuschen läuft, würde nie darauf kommen, in einem Indianerdorf zu seinWer unwissend durch das Reservat Wendake mit seinen gepflegten Häuschen läuft, würde nie darauf kommen, in einem Indianerdorf zu sein.

In den letzten Jahrzehnten fast in Vergessenheit geraten, wird die uralte Kultur der Wendat von der heute lebenden Generationen wiederentdecktDie jungen Indianer Andrew und Dave. In den letzten Jahrzehnten fast in Vergessenheit geraten, wird die uralte Kultur der Wendat von der heute lebenden Generationen wiederentdeckt.

Das 
	Tsawenhohi-Häuptlingshaus, zwischen 1807 und 1820 für den 
	Wendat-Oberhäuptling Nicolas Tsawenhohi Vincent gebaut, dient heute als 
	MuseumDas Tsawenhohi-Häuptlingshaus, zwischen 1807 und 1820 für den Wendat-Oberhäuptling Nicolas Tsawenhohi Vincent gebaut, dient heute als Museum.

 

Die um 1730 erbaute Kirche Notre-Dame-de-Lorette in Wendake symbolisiert die enge Verbindung von Katholizismus und indianischem Glauben
Die um 1730 erbaute Kirche
Notre-Dame-de-Lorette in Wendake symbolisiert die enge Verbindung von Katholizismus und indianischem Glauben.

Alle 
			Tiere, die den Wendat heilig sind, trifft man in Wendake in 
			vielfältigen Darstellungen, so auch in diesem Wandbild am FlussAlle Tiere, die den Wendat heilig sind, trifft man in Wendake in vielfältigen Darstellungen, so auch in diesem Wandbild am Fluss.

Das Hôtel-Musée Premières Nations in Wendake war das erste von kanadischen Ureinwohnern gebaute und betriebene Hotel des LandesDas Hôtel-Musée Premières Nations in Wendake war das erste von kanadischen Ureinwohnern gebaute und betriebene Hotel des Landes.

 

In 
	enger Nachbarschaft zu Wald und Fluss landschaftlich sehr schön gelegen, 
	verbindet das Museumshotel in Wendake typisch indianische Gastfreundschaft 
	und traditionelle Küche mit modernem ServiceIn enger Nachbarschaft zu Wald und Fluss landschaftlich sehr schön gelegen, verbindet das Museumshotel in Wendake typisch indianische Gastfreundschaft und traditionelle Küche mit modernem Service.

Der Wendak Christian Bastien in der traditionellen Kleidung der Schildkrötenmänner aus Hirschleder, Fuchsfell und Federn vor einem Zelt seiner Ahnen
Der Wendat Christian Bastien in der traditionellen

Kleidung der Schildkrötenmänner aus Hirschleder, Fuchsfell und Federn vor einem Zelt seiner Ahnen.

Lange hat der heute 62-Jährige als Banker in Montréal gearbeitet. Heute zeigt Christian Bastien im Freilichtmuseum Onhoüa Cheteke Touristen die Kultur seines VolkesLange hat der heute 62-Jährige als Banker in Montréal gearbeitet. Heute zeigt Christian Bastien im Freilichtmuseum Onhoüa Cheteke Touristen die Kultur seines Volkes.

Der Saint-Charles River ist der heilige Fluss der Wendat-Indianer.Der Saint-Charles River ist der heilige Fluss der Wendat-Indianer. In ihrer Sprache heißt er Akiawenrahk

Fluss der tausend Mäander.

Kabir Kouba nennen die Wendat die 28 Meter hohen Wasserfälle des Saint-Charles RiverKabir Kouba nennen die Wendat die 28 Meter hohen Wasserfälle des Saint-Charles River.

Hier 
	begann Ende des 17. Jahrhunderts die Geschichte der First-Nations-Siedlung 
	WendakeHier begann Ende des 17. Jahrhunderts die Geschichte der First-Nations-Siedlung Wendake.

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