FLUSSREISE-SCHMANKERL | AUSGABE 3/2013 | ||||||
Prag – Blick vom Rathausturm auf Altstädter Ring mit Teynkirche. |
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Dagmar Krappe Kreuzfahrt im 6/8-Takt Mit MS FLORENTINA unterwegs auf Moldau und Elbe |
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Ganz chronologisch ist es nicht. Denn als „Die Moldau” von Bedřich Smetana aus den Bordlautsprechern über das Sonnendeck zu scheppern beginnt, ist MS FLORENTINA schon fast am Schlussakkord angekommen. Dort, wo die Moldau in der Ferne verschwindet, um nach 440 Kilometern bei Melnik in die Elbe zu münden. Seit 1874, als der böhmische Komponist „Die Moldau” als einen von sechs Zyklen in „Mein Vaterland” schrieb, hat sich das „wilde, reißende Wasser” stark verändert, wurde zur Energieerzeugung nutzbar gemacht. Erst rund 20 Kilometer oberhalb Prags ist die Vltava (tschechisch für Moldau) schiffbar. Riesige Stauseen entstanden, um den Fluss zu zähmen und die Bevölkerung mit Trinkwasser und Strom zu versorgen. „Dadurch verschwanden in den 1940er und 50er Jahren die berühmten von Smetana vertonten Sankt-Johannes-Stromschnellen, die sich gerade mit lauten Paukenschlägen ankündigen“, erklärt Bordreiseleiterin Zdeňka Steklíková: „Benannt wurden sie nach Johannes von Nepomuk, einem böhmischen Priester und Märtyrer. König Wenzel IV. ließ ihn im Jahre 1393 von der Prager Karlsbrücke in die Moldau stoßen, da er ein Beichtgeheimnis nicht brechen wollte”. Rund 50 Kilometer legt das Schiff bis zur Mündung
der Moldau in die Labe (tschechisch für Elbe) bei Melnik zurück. Insgesamt
kreuzt es 400 Kilometer auf beiden Flüssen und durchfährt 47 Schleusen.
Schon über 30 Jahre ist die in Berlin-Spandau gebaute FLORENTINA auf
europäischen Flüssen wie Rhein, Donau und Elbe unterwegs. Seit 2008 nennt
sie Prag an der Moldau ihren Heimathafen. In Melnik leuchtet das Schloss des Jíří Lobkowicz von der gegenüberliegenden Elbseite. Wenn auch in Zürich geboren, ist er der Nachfahre einer der einst reichsten Familien Tschechiens. Die Fürstenfamilie von Lobkowicz stammt aus dem Ort Lobkovice wenige Kilometer flussaufwärts. Als nach 1918 durch den Zerfall der österreich-ungarischen Monarchie der tschechoslowakische Staat entstand, wurde der Adelstitel aberkannt. Nach dem Zweiten Weltkrieg auch das Schloss. Rund um das Barockensemble baut Jíří Lobkowicz Wein an. „Nur vier Prozent des tschechischen Weins stammen aus Böhmen”, berichtet Zdeňka: „96 Prozent kommen aus Mähren, wo die Sonne offenbar deutlich intensiver scheint”. MS FLORENTINA gleitet flussabwärts durch die
Elbniederung. Mais- und Zuckerrüben- sowie abgeerntete Weizen-, Gersten- und
Hopfenfelder erstrecken sich links und rechts des Ufers. Es ist bereits
dunkel, als das Schiff in Litomerice (Leitmeritz) anlegt, denn der Sommer
ist vorüber. Der Herbst kündigt sich mit Nebelschwaden am Morgen und kühlen
Abenden an. Mit Taschenlampen bewaffnet, macht sich eine kleine Gruppe auf
zum Karel-Macha-Denkmal. Ein weiteres Monument des großen tschechischen
Dichters der Romantik befindet sich in Prag auf dem Laurenziberg. „Dieses zu
besuchen, lohnt sich auf jeden Fall”, rät die Bordreiseleiterin: „Zumindest
am 1. Mai, denn wer an diesem Tag vor der Statue geküsst wird, wird ein
ganzes Jahr Glück in der Liebe haben”. Karel Macha war nicht all zu viel
Glück beschert. Er starb bereits mit 26 Jahren in Leitmeritz, einem
denkmalgeschützten Städtchen mit einem überdimensionierten Stadtplatz,
umgeben von Rathaus, Kirchen und Handelshäusern.
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Der nächste
Tag in Nelahozeves (Mülhausen) an der Moldau ist nicht nur dem
Lobkowicz-Prachtbau, sondern einem weiteren böhmischen Komponisten, Antonín
Dvořák, gewidmet. Sein Geburtshaus steht nur wenige Schritte vom
Renaissance-Schloss mit seiner ungewöhnlichen Sgraffito-Fassade entfernt.
Dvořáks Vater betrieb einen Metzgerladen im Dorf. Seine Frau war die Tochter
des damaligen Verwalters des Lobkowicz-Anwesens. Im Wohnzimmer des
Geburtshauses, das heute Museum ist, erklingen die „Slawischen Tänze”, die
dem unbekannten Künstler 1878 zum internationalen Durchbruch verhalfen,
nachdem der Hamburger Komponist Johannes Brahms ihn seinem Verleger
empfohlen hatte. Mitten in der Pampa ankert MS FLORENTINA am letzten Abend. Die Crew bittet zum Kapitänsdinner. „Škoda lásky” (im Deutschen bekannt als „Rosamunde”) und andere tschechische Volkslieder schallen über das Panoramadeck und die Stoppelfelder. Doch nur wenige Gäste wiegen sich in Decken gehüllt zur Musik. Selbst den Grillen am Flussufer ist es sehr schnell zu kalt für ein Konzert. Als das Schiff am frühen Morgen wieder die
tschechische Hauptstadt erreicht, hat die Sonne die Kuppeln der zahlreichen
Türme gerade zum Leuchten gebracht. Auf der Karlsbrücke eröffnen Händler
ihre Stände mit Kitsch und Kunst. Musiker packen ihre Instrumente aus.
Direkt hinter dem Altstädter Brückenturm vor dem Smetana-Museum steht ein
lebensgroßes Denkmal des Komponisten. Jeden Tag hat er den Blick auf seine
„Moldau”, die nun ein letztes Mal aus dem Bordlautsprecher erklingt.
Informationen Länge der Flusskreuzfahrt: 400 Kilometer, davon etwa 125
Kilometer
auf der Moldau. Insgesamt werden 47 Schleusen durchfahren. Böhmische Rhapsodie 8 Tage Prag – Melnik-Böhmische Pforte-Kutna Hora-Nelahozevez-Prag Reisen wöchentlich ab Prag vom 18.05.2013 bis
21.09.2013. Bis zum Frühjahr 2013 wurden alle 48 Passagier-Kabinen
renoviert. Im Reisepreis sind Vollpension, Gala-Dinner, Musikprogramm
zuzüglich Ausflugspaket mit 8 Ausflügen (225 Euro) enthalten bei individueller An- und
Abreise. Schiffsdaten MS FLORENTINA Baujahr: 1980 in Berlin-Spandau Besatzung: etwa 20 Personen Reiseanbieter Thurgau Travel (Schiffseigner) Nicko Tours, Mittlerer Pfad 2 Werner Tours |
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Das Schiff | |||||||
MS FLORENTINA am Anleger in Prag. |
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Blick in einen Teil des Restaurants ... |
... und in die andere Richtung. |
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Auf dem FLORENTINA-Sonnendeck ... |
... schippert es sich entspannt über Moldau und Elbe. |
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MS FLORENTINA auf der Elbe bei Melnik. |
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Die Reise | |||||||
Blick vom Prager Altstädter Brückenturm auf die Karlsbrücke. |
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Blick vom Prager Pulverturm auf Altstädter Ring mit Teynkirche. |
Das Denkmal von Bedřich Smetana an der Moldau. |
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Melnik – die Mündung des Moldaukanals in die Elbe. |
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Das Schloss Melnik ist umgeben von Weinreben. |
Burg Schreckenstein über dem Wehr Strekov. |
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Schloss Nelahozeves im gleichnamigen Dorf. |
Gute Stube im Geburtshaus des Komponisten Antonín Dvořák im Dorf Nelahozeves. |
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Blick auf die Moldau und den Stausee Slapy. |
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MS FLORENTINA liegt wieder am Anleger in Prag. |
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