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Herbert Fricke 

Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin

 

DAS GROSSE WERBEN

UM DIE ERBEN

 

Der internationale Kreuzfahrt-Markt boomt – und geht doch einer Krise entgegen. Grund ist das ungeheuer gewachsene Angebot an Schiffskabinen, vor allem in der mittleren und unteren Preiskategorie auf riesigen neuen Schiffen. Mit diesen Monsterschiffen, größtenteils unter amerikanischer und italienischer Flagge, wird gerade ein Touristenmarkt erobert, der bisher vor allem an den Stränden von Mallorca, Ibiza und Rimini sein Publikum hatte. Das Publikum von dort wird abgeworben auf die großen Schiffe, es sind überwiegend Neugier-Touristen, die noch nie zuvor auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs gewesen sind. Jetzt bietet sich ihnen die Chance, weil ausreichend Platz vorhanden ist und die Preise bezahlbar sind. Ob sie allerdings auf Dauer Freude am maritimen Massenbetrieb haben werden, das bleibt abzuwarten. Die großen Reedereien werden sich jedenfalls absehbar bald einen heftigen Preiskampf liefern, weil immer mehr Schiffsraum einer womöglich nachlassenden Nachfrage gegenübersteht.

Auf den etwas kleineren Kreuzfahrtschiffen von TUI oder AIDA und anderen kleinen Unternehmen wird sich diese Entwicklung vermutlich weniger abspielen, weil das Publikum dort von Anfang an ein etwas anderes war. „Gehobene Mittelklasse” nennt das der Soziologe. Diese Schiffe bieten etwa 2.000 Passagieren Platz, während die riesigen Mickymouse-Dampfer schon doppelt so groß sind und bis zu 6.000 Menschen befördern können. Befördern? Das ist vielen der Fahrgäste dort an Bord offenbar ziemlich egal, ob und wohin sie „befördert” werden. Auf den Karibik-Kreuzfahrten verlassen nur noch wenige Gäste in den diversen Inselhäfen „ihr” Schiff. Ziel der Reise ist ja das Schiff. 

Nicht irgendwelche Häfen. „Die Palmen sehen überall gleich aus”, erklärte mir das ein amerikanischer Kollege auf so einem Riesendampfer.

Der Begriff „Kreuzfahrt” hatte früher etwas ganz Besonderes. Man verband diese Entspannung auf hoher See mit Begriffen wie „Eleganz” oder „Exklusivität” – heute will das maritime Massenpublikum keine ENTspannung mehr, sondern vielmehr Spannung. Auf dem Dampfer muss was los sein, bunter Bordbetrieb, man könnte auch sagen: Ballermann an Bord. Remmidemmi an der Reling. Disneyland an Deck.

Das hat mit klassischer Kreuzfahrt nichts mehr zu tun. Da wird auch nicht kreuzgefahren, sondern geshuttelt. Der Karibik-Shuttle geht von Miami bis Miami. Der Orient-Shuttle sollte von Dubai nach Dubai gehen (da gibt es allerdings einen politischen Strich durch die Rechnung, siehe unser Kommentar auf Seite 20).  Es wird also nicht mehr gekreuzt, sondern gekracht. Die Auswirkungen sind absehbar. Immer mehr „Destinationen” machen ihre Häfen dicht. Venedig will die dicken Pötte nicht mehr sehen. Auch wenn sie Geld in die Staatskasse bringen. Aber die Riesenschiffe zerstören die Lagune. Andere Häfen (z.B. Dubrovnik) sind alarmiert. Es regt sich Widerstand gegen den maritimen Massenbetrieb.

All das sieht man bei etlichen Reedereien wohlweislich voraus. Deshalb denken kluge Manager um. Sie machen sich das Phänomen der Erben-Generation zunutze, vor allem in Deutschland, aber auch in anderen Staaten. Es hat schon begonnen, das große Werben um die Erben. Das sind die neuen Reichen, deren Väter in der Nachkriegszeit aufgebaut haben – Fabriken, Betriebe, Unternehmen. Diese Väter sterben jetzt – 70, 80, 90 Jahre alt – und hinterlassen ihren Söhnen und Töchtern beträchtliche Vermögen. Genau um diese Erbengeneration geht es jetzt auf dem gehobenen Reisemarkt.

Anstatt ihr ererbtes Vermögen dem Finanzamt oder der Inflation zu opfern, wollen die anspruchsvollen Vierziger und Fünfziger was haben von dem Geld. Die Best-Ager, wie die Amis sie ja nennen, wollen nicht, wie ihre Väter, nur malochen. Sie wollen sich und ihren Familien das Besondere bieten. Die Welt bereisen, solange es noch geht. Und ihre eigenen Kinder – oft ganz unbewusst – an den Luxus ihrer Väter und Großväter gewöhnen. Die Amerikaner haben diesen Trend als erste erkannt. Mit mittelgroßen Luxuslinern wie MARINA oder RIVIERA (Oceania Cruises) bringen sie die Erben zu den interessanten Plätzen dieser Welt.

Jetzt ist Hapag-Lloyd Kreuzfahrten auf diesen Zug der Zeit behende aufgesprungen. Die Hamburger vom Ballindamm (Albert Ballin war der Erfinder der Kreuzfahrt) haben die EUROPA 2 gebaut. Und sind besonders mit diesem Luxusschiff eingetreten in das Große Werben um die Erben. Nur 516 Passagiere sind auf diesem 225 Meter langen Edelkreuzer unterwegs. Jeder hat also mehr Platz als auf jedem anderen Kreuzfahrtschiff. Individualität auf sieben Decks. 251 Suiten für sehr gehobene Ansprüche.

Alles vom Feinsten auch für die Kleinsten. Die werden verwöhnt und betreut wie der kleine George im Buckinghampalast. Das Interieur der EUROPA 2 ist hell und edel und modern, kein Plüsch mehr, alles ganz auf junge Erben gestylt. Natürlich hat das Erben seinen Preis. Auf der EUROPA 2 kostet die Suite mit rund 600 Euro pro Tag etwa dreimal mehr als die Balkonkabine auf der MEIN SCHIFF 2, die ja zum gleichen TUI-Konzern gehört. Konkurrenz also im gleichen Haus, aber dieser Wettbewerb ist so gewollt. „Wir werben um ein junges, solventes Familienpublikum”, sagt Karl J. Pojer, der Manager von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten, der vorher edle Ferienclubs geleitet hat.

Der Alte, der das ganze Geld mit seinen Belegschaften hart erarbeitet hat, der hätte sich solch eine Kreuzfahrt nie geleistet. Der hatte nur die Existenz seines Unternehmens im Sinn. Und die seiner Arbeiter und Angestellten. Aber die Erbengeneration hat umgedacht. „Konten leeren, Glück vermeeren” ist das Motto, das ich schon im letzten SeereisenMagazin beschrieben habe. Man traut dem Währungsfrieden nicht mehr auf Dauer. Und besser, man schafft sich eigene schöne Erinnerungen, als dass der Staat das mühsam ererbte Geld in Griechenland versenkt. In diesem Sinn verfolgen wir es mit Aufmerksamkeit: das große Werben um die Erben.

Statt der offenen Hand der „Nehmerländer” wünsche ich Ihnen immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel ihres Lebens. Ob sie nun Erbe – oder ein armes Schwein geblieben sind wie ich. Herzlich, Ihr  Herbert Fricke

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