Im rauen Nordwesten Kanadas spielt Gold zwar immer
noch eine Rolle, doch lockt Reisende heute weniger funkelndes Metall als
glitzerndes Wasser, eisbedeckte Berge und endlose Wälder
in die einsame Natur des Yukon Territoriums.
Der Lake Laberge ist glatt und klar wie ein Spiegel
– Himmel noch mal! Das Motorboot schneidet einen weißen Riss hinein. Wellen
und Wolken vermischen sich. Ringsum die Berge, die herbstlich bunt
gesprenkelten Wälder sind so unwirklich schön wie Bildtapete. „Das ist das
wahre Kanada!” spricht Holger mir aus dem Herzen. Das riesige, vielseitige
Land zwischen zwei Ozeanen, das der deutsche Mitarbeiter von Yukon Tourism
gut kennt, sieht hier genau so aus, wie man es sich im fernen Europa
erträumt.
Das Yukon Territory im äußersten Nordwesten, benannt
nach dem Fluss, der es prägt wie seine Gebirge, Gletscher, Wälder und Seen,
ist der Inbegriff für Wildnis und Abenteuer. Es ist genau so groß wie
Deutschland und Griechenland zusammen. Bewohnt wird es von rund 31.000
Menschen, 50.000 Elchen, 15.000 Schwarz- und 10.000 Grizzlybären, unzähligen
Rentieren, Hirschen, Wölfen, Luchsen, Füchsen ... und neuerdings wieder
einigen Berglöwen.
Hier hat die Natur das Sagen, bestimmt mit strengem
Reglement, aber auch unerschöpflichem Fundus Alltag und Freizeit der
Menschen. Heather und Sharon, die beiden Damen, die Holger Bergold zum
Ausflug eingeladen hat, können wie alle Yukonians mit Pferd und Schneemobil,
Jagdwaffen und Fischereigerät umgehen. Zum heutigen Bootstrip sind sie mit
eigener Angelausrüstung erschienen.
Fünf Kilo Anfängerglück
Ich hab mich für die Tour mit einer eintägigen Tourist Fishing Licence zu zehn Euro präpariert. Mit null Erfahrung werf ich
meine erste Angel aus und hab dank fachfräulicher Hilfe tatsächlich ein
Erfolgserlebnis. Und was für eins! Knapp fünf Kilo schwer ist die
Seeforelle, die sich von meinem Five-Diamant-Blinker hat täuschen lassen und
nun wie verrückt an meiner Leine zappelt. Die Frauen assistieren mit dem
Kescher. Gemeinsam bringen wir den Fang an Bord. Und ab damit in die
Wasserbox. Was für ein Abendessen! Doch Fisch und Lake Laberge waren nur der
Vorgeschmack von dem, was uns auf den Flüssen erwartete.
Whitehorse, das Hauptstädtchen des Territoriums, in
dem mehr als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung leben, empfängt uns mit
ländlicher Gemütlichkeit. Zugleich jedoch herrscht Aufbruchsstimmung wie in
einem Basislager, liegt die Lust auf Abenteuer in der Luft. Entlang der Main
Street und ein paar Straßenviertel ringsherum in den Cafés, Lokalen und
Hotels mischen sich Einheimische und Fremde wie schon zu Zeiten des
Goldrauschs. Der erste Fund im
Klondike 1896 hatte das Fieber ausgelöst.
Eine wahre Völkerwanderung begann.
In Whitehorse, das in dieser Zeit entstand, strömten
die Glücksritter von überall her zusammen. Viele stiegen hier auf einen
Schaufelraddampfer wie die SS KLONDIKE II,
die heute als Museumsschiff im Stadtzentrum steht, und fuhren auf dem Yukon
River weiter nach Dawson City. Wir begeben uns ein Stück auf ihre Spuren.
„Wenn ihr die 736 Kilometer bis Dawson City paddeln
wollt, solltet ihr zwölf Wochen einplanen. Der Package-Trip, den wir für
diese Strecke anbieten, dauert 16 Tage”, sagt Scott McDougall von
„Kanoe
People”. Wie kaum ein anderer kennt der Unternehmer, der Boote verleiht,
Touren und Kurse anbietet, den Yukon. Ebenso seine Frau Joanne, der als
Angehörigen des Tutchone-Volkes das Leben an und auf dem Fluss seit
frühester Kindheit vertraut ist.
„Bis zum 17. Jahrhundert lebten im Yukon-Gebiet
allein die First Nations. Im 19. kamen die Voyageurs, die Pelzhändler, dazu.
Auch sie nutzten die Kanus der nordamerikanischen Indianer für ihre
Transporte”, erklärt Joanne. Im Deutschen heißt der „Kanadier” deshalb auch
„Voyageur-Kanu”. Bewegt wird es mit Stechpaddeln – im Unterschied zum Kajak,
der aus der Arktis stammt und mit einem Doppelpaddel betrieben wird.
Ich bin mit drei Reisegefährten und Scott als Führer
in einem Mannschaftskanadier gelandet. Und während wir noch über die
Paddeltechnik debattieren, ziehen die beiden Kajaks bereits an uns vorbei.
Wir legen ab, drehen auf die Flussmitte zu – und haben durch die Strömung
schon ein gutes Tempo.
Na, den Yukon River hätte ich mir schwieriger
vorgestellt! Doch um so besser lässt sich die stille Landschaft genießen.
Die Bären bleiben im Wald. Aus der Luft und von den Wipfeln der hohen
Fichten haben uns viele Adler im Auge.
An der Mündung des Takhini River
ist die erste Paddeltour zu Ende. Abends müssen wir in Haines Junction sein. Per Jeep gehts in Richtung
Kluane Nationalpark.
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An der Wiege der Ozeane
Vom Raven Hotel aus
genießen wir das spektakuläre Panorama der Eliaskette mit dem fast 6.000
Meter hohen Mount Logan.
Das Kluane Icefield im Nordwesten des kanadischen
Territoriums Yukon ist nach dem Bagley Icefield im benachbarten Alaska das
größte zusammenhängende Eisfeld außerhalb der Polkappen. Allein der bis zu
1.000 Meter dicke Kaskawulsh-Gletscher bedeckt eine Fläche von rund 25.000
Qudratkilometer. Über ein weitverzweigtes Flusssystem versorgt er sowohl das
Beringmeer im Norden als auch den Pazifik im Osten mit seinem Schmelzwasser
– leider mit immer größeren Mengen.
In einer Cessna überfliegen wir die „Wiege der
Ozeane”, genießen den überwältigenden Anblick der von den weiß-blauen
Eismassen bedeckten Gipfel der majestätischen Berge und fragen uns, wie
lange diese einzigartige Schönheit der Welt noch erhalten bleibt.
Seit Anfang der 80er-Jahre schmelzen die gewaltigen
Ströme gefrorenen Wassers mit immer höherer Geschwindigkeit. Von den
insgesamt 1.402 Gletschern im Yukon Territory gingen seit den 50er-Jahren
1.388 zurück oder verschwanden ganz von der Weltkarte. Allein zwischen 1984
und 2005 verloren die Eisfelder Nordamerikas durchschnittlich mehr als zwölf
Meter an Dicke und zwischen 20 und 40 Prozent ihres Gesamtvolumens.
Im Paddelboot durch eisige Fluten
Der Tatshenshini-Alsek Provincial Park
empfängt uns mit Regen. Doch der atemberaubenden Schönheit der Canyons kann
kein Wetter etwas anhaben. Im Gegenteil: Der graue Himmel macht die felsigen
Flusstäler noch dramatischer. Die perfekte Kulisse für eine Wildwassertour
auf dem Tatshenshini.
Rafting im Regen. Nass werden wir in jedem Fall,
warum nicht auch von oben. Dennoch, die ersten Momente sind etwas klamm.
Nicht zuletzt, weil man sich erst mal auszieht, um sich dann in die
wasserdurchlässigen Nassanzüge zu zwängen. Passen sie gut, funktioniert der
Thermoeffekt: Der Körper wärmt die eindringende Feuchtigkeit zwischen Haut
und Neopren und schützt sich damit vor der kühlen Luft und dem eiskalten
Gletscherwasser. Kleidung kann man unten drunter tragen. Allerdings darf sie
nicht aus Baumwolle sein.
Nun noch Helme und Schwimmwesten – und fertig
verpackt ist die siebenköpfige Schlauchbootbesatzung. Ein komplettes
Anfängerteam, denn auch für die 19-jährige Kapitänin Daphne ist es das erste
Mal, dass sie ein Boot führt. Das wird sie uns zum Glück erst nach der Tour
gestehen. Nach einer kurzen Einweisung geht es los. Alles ist aufregend,
witzig und schön. Der Spaß hat stets die Oberhand – nicht zuletzt, weil am
Anfang keiner die leise Daphne versteht und ausgerechnet die beiden mit der
geringsten Ahnung das Kommando übernehmen wollen, sich aber auch nicht einig
sind.
So wird zunächst jedes Hindernis mitgenommen, jeder
Felsbrocken, jeder in den Fluss ragende Ast. Überall, wo man nur stecken
oder hängen bleiben kann, kommt es zum ungewollten Halt. Weit und breit ein
einziger großer flacher Stein, der deutlich aus dem Wasser schaut. Wir
fahren drauf und stehen. Beim Versuch, das Boot herunter zu wippen, geht die
halbe Mannschaft baden. Es kommt, es kommt – doch leider nur zur Hälfte. Das
Boot steht schief und wird geflutet. Bernd rutscht aus, liegt strampelnd auf
dem Rücken wie in einer Wanne. Vor Lachen geht für eine Weile gar nichts
mehr. Dann läuft plötzlich alles wie am Schnürchen.
Der Praxistest der Nassanzüge: positiv, die Qualität
ist super. Nur die Zehen bleiben hinterher noch lange kalt. Doch das ist
kein Thema mehr, als wir die ersten Stromschnellen erreichen. Um uns, unter,
über uns rauscht und gurgelt es um unsichtbare Felsen. Wie ein Gummiball
hüpft das Boot durch die Strudel. Wir paddeln, was das Zeug hält. Jeder
bleibt an Bord. Und Daphne navigiert uns optimal durch „Rock Garden”, „Big
C” und die echt heiklen „Twin Holes”. Stolz wie Oskar landen wir am
Treffpunkt, Höhe „Million Dollar Falls”.
Mittagspause. Erst, als es in den heißen Kaffee nieselt, wird uns
bewusst, dass es die ganze Zeit geregnet hat. Nach gut fünf Stunden und 23
Kilometern ist der wunderbare Spaß vorbei. Schade. Einige Muskelpartien sind
jetzt gut zu spüren, Zwerchfell und Stimmbänder auch.
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