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Die Störtebeker Festspiele auf der schönen Insel Rügen sind ein jährlich stattfindendes Event. Ein Theaterstück mit über 150 Mitwirkenden, 4 Schiffen, 30 Pferden, Spezialeffekten und vielem mehr. An jedem Abend – zwischen dem 21. Juni und dem 6. September 2014 –sieht man ein Feuerwerk über dem „Großen Jasmunder Bodden” in den Himmel steigen, das einen Besuch auf Rügen zu einem unvergesslichen Erlebnis macht ... |
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Harald Krachler Pirat Klaus Störtebeker – der Robin Hood
der Nord- und Ostsee Mit Riesenkräften ausgestatteter Mann
bescheidener Herkunft |
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Hamburger Grasbrook (die mittelalterliche Hinrichtungsstätte der Hansestadt) am 20. Oktober 1401: Vor einer riesigen Menschenmenge, dem Bürgermeister, den Ratsherren und Abordnungen von Ostsee-Hansestädten steht die Besatzung des Piratenschiffes SEETIGER in Ketten und wartet auf ihren Kapitän. Trommler und hellebardenbewehrte Angehörige der Stadtwache eskortieren Kapitän Claas (Klaus) Störtebeker vom Gefängnis zur Richtstätte, ihm folgen die Ankläger und Mitglieder des Gerichts, hinter ihnen weitere Landsknechte. Der Legende zufolge bat Störtebeker die
versammelte Gerichts- und Stadtverwaltungsprominenz, nach
Abschlagen seines Kopfes, was stehend vollzogen werden sollte,
damit jeder seiner Mannschaft, den er kopflos passiere,
freikommen könne. Der Hamburger Bürgermeister stimmte angeblich
zu, der kopflose Seeräuber soll der Legende zufolge bei fünf
seiner Männer vorbeigelaufen sein, bis ihm ein Gerichtsdiener
das Bein gestellt habe und er so hinfiel. Tatsache aber ist,
dass Störtebeker und alle seine Spießgesellen ihren Kopf
verloren.
Das war das Ende eines der schillerndsten Abenteurer und Freibeuter des mittelalterlichen Deutschland, bei dessen Taten Legende und Wirklichkeit oft nicht auseinanderzuhalten sind, der aber trotzdem zu einem Volkshelden mutiert ist. Fährt man auf Deutschlands größte Insel
Rügen in der Ostsee zu ihrem nördlichsten Punkt Kap Arkona,
passiert man nahe von Schloss Spyker in Meeresnähe des Gutshof
Ruschwitz, auf dessen Vorgängerbau
am 10. Juni 1356 Klaus Störtebeker als Sohn eines Knechts
und einer Magd geboren wurde. Als junger und mit Riesenkräften
ausgestatteter Mann hatte sich Klaus öfters an der Metkanne
seines Herren vergriffen, als er herausgefunden hatte, dass der
Met seines Herren besser schmeckte als jener für das Gesinde.
Einmal dabei ertappt, bezog er eine
Tracht Prügel, riss aber den Berichten zufolge die Kette mit den
Handschellen auseinander und schlug seine Peiniger nieder,
sodann auch den Gutsverwalter und den zu Besuch weilenden
Gutsbesitzer, einen gewissen Herrn von Külpen. Zusammen mit
einem Stubenmädchen schwang er sich auf ein Pferd, ritt in
Richtung Meer und kaperte ein Fischerboot, mit dem beide in der
hereinbrechenden Nacht ihren Häschern entkamen.
Zwei Tage trieben die beiden auf der Ostsee, bis eine aus Stockholm kommende Kogge, die SANTA GENOVEVA des Stralsunder Kaufmannes Martin Hosang die beiden Flüchtlinge an Bord nahm und sie verpflegte. Dem Schiffskapitän Goedeke Micheel (Michael) nannten die beiden nur ihre Namen – Klaus und Trebele. Goedeke überredete einen Schiffsjungen, die beiden in die Hafenstadt Barth zu bringen und sie seiner, Goedekes, Schwester zur Betreuung zu übergeben, bis er wieder von sich hören ließe.
Mit Kraftproben die
Schiffsmannschaft beeindruckt Ein Jahr später gelangte Klaus vor der
Insel Hiddensee wieder auf die Kogge, wo er Kraftproben
unterzogen wurde, um zu sehen, ob er zu der verwegenen, nur
Kraft und Mut kennenden Mannschaft passen würde. Klaus bog, wie
es hieß, ein Hufeisen gerade und drehte eine Zinnschüssel
zwischen den Händen wie ein Blatt Pergament zusammen, auch einen
riesigen Humpen Bier trank er in einem Zug aus. Die Mannschaft
nahm ihn mit Begeisterung auf. Goedeke soll ihm gesagt haben, er
verstehe es, den Beker (Becher) zu störten (stürzen) , sei also
ein richtiger „Bekerstörzer”. Künftig wurde er Störtebeker
genannt.
Für Klaus begann nun eine glückliche Zeit an Bord der SANTA GENOVEVA. Gab es einmal keine Arbeit auf dem Schiff, ging er mit dem mit ihm befreundeten Schiffsjungen Kinderbaß an Land, so u.a. in Stockholm oder in Visby auf der Insel Gotland (siehe auch Landgang auf Gotland), wo aber beide, da sie „wilde Naturen” waren, wiederholt in Raufhändel verwickelt wurden.
„Putsch” in der Hansestadt Stralsund veranlasste
Schiffsmannschaft zur Piraterie In Stralsund hatte um diese Zeit ein gewisser Bertrand Wulflam die Macht an sich gerissen, sich zum Bürgermeister ausrufen lassen, den Kaufmann Martin Hosang umbringen und verlauten lassen, dessen Schiff SANTA GENOVEVA gekauft zu haben. Er befahl das Aufbringen des Schiffes und die Festnahme der Mannschaft, was diese und Kapitän Goedeke, die zu dieser Zeit gerade auf einer Fahrt in die russische Hansestadt Nowgorod waren, noch nicht wussten. Erst während ihres Aufenthaltes dort erfuhren sie die Neuigkeit. Demnach soll Wulflam durch Lügen und
Verleumdungen den Stralsunder Rat auf seine Seite gebracht, die
Widerstrebenden zu Feinden der Stadt erklärt und behauptet
haben, Goedeke hätte ihm das Schiff gestohlen. Nach dem Gesetz
der Hanse sei die gesamte Mannschaft in jeder Hansestadt
gefangen zu nehmen und in Ketten nach Stralsund zu bringen.
Goedeke machte seine Mannschaft darauf aufmerksam, dass sie an
einer Entscheidung über Leben oder Tod stünden und sah nur eine
Möglichkeit: ein neuer Name für das Schiff, Anlaufen des
schwedischen Hafens Landskrona und
Unterschutzstellung aller unter die dänisch-schwedische
Königin und Hanse-Gegnerin Margrethe. Man billigte Goedekes Rat.
obwohl jeder wusste, dann nie mehr nach Stralsund zurückkehren
zu können.
So wurde aus der SANTA GENOVEVA der SEETEUFEL. Klaus, der inzwischen ein Seemann mit allen erforderlichen Fähigkeiten geworden war, führte bald ein eigenes Schiff, den SEETIGER, ein anderer Vertrauensmann Goedekes wurde Kapitän auf einer gekaperten Kogge: Und so begannen die drei Schiffe im letzten Dezenium des 14. Jahrhunderts ein wildes Piratenleben in der Ost- und später der Nordsee, was viele Handelsschiffe veranlasste, Umwege zu nehmen, um Begegnungen mit den Piratenschiffen auszuweichen. Wichtig war den Piraten immer nur die
Beute. Die Besatzungen der geenterten Schiffe wurden fast immer
mit Proviant und Wasser versorgt, in Schaluppen gesetzt und auf
das Meer „entlassen”. Legendäre Überfälle der Piraten erfolgten
u.a. auf zwei vom Londoner Stalhof (der dortigen
Hansa-Vertretung) kommende Handelsschiffe, wobei den Piraten
Gold, Edelsteine, Handfeuerwaffen und große Mengen an Tuch in
die Hände fielen. Ein anderes Mal wurde ein unter französischer
Flagge von London nach Stockholm unterwegs befindliches Schiff
um seine riesige Gewürzmenge „erleichtert”. Bei einem Überfall
auf die schwedische Stadt Landskrona konnten sich die Bewohner
nur mit einer hohen Geldsumme von den Piraten freikaufen.
Verwegener Handstreich zur Befreiung der gefangenen Geliebten
Störtebekers Von einem verletzten Fischer, dem Störtebeker half, seinen Fang an Land zu bringen, erfuhr er, dass der Stralsunder Bürgermeister Wulflam seine Geliebte Trebele gefangen hielt. Er wollte Störtebeker zwecks Freikauf des Mädchens in die Stadt locken, ihn aber dort in Ketten legen und zum Hansetag nach Lübeck bringen lassen. Störtebeker und sein inzwischen
ebenfalls zum Piraten herangewachsener Freund Kinderbaß
entwickelten einen verwegenen Plan zur Befreiung Trebeles, die
im Rathaus von Stralsund festgehalten wurde. Durch gelegte
Brände im Stralsunder Hafen und auf dortigen Schiffen
gelang es ihnen, Stadtbewohner
und Magistrat dort hin zu locken und von der
Aufmerksamkeit um Vorgänge in und um das Rathaus abzulenken. Der
Plan gelang, Störtebeker und seine Mitkämpfer konnten ohne
Schwierigkeiten in das Rathaus eindringen und Trebele befreien. |
Deutscher Orden vertrieb die Piraten aus
der Ostsee – Nordsee neues Operationsgebiet Dass sich ab dem letzten Jahrzehnt des
14. Jahrhunderts die Hamburger mit den Piraten herumschlagen mussten,
verdankten sie dem Deutschen Orden, der sie aus der Ostsee
vertrieb. Dort war es soweit gekommen, dass die Piraterie
kriegführenden Ländern als Mittel zum Zweck diente. Der Plan der
Dänenkönigin Margrethe, die drei skandinavischen Reiche
Dänemark, Schweden und Norwegen in der Kalmarer Union von 1397
unter einer Krone zu vereinigen, stand kurz vor der Vollendung.
Nur Schweden machte noch
Schwierigkeiten, denn das nominelle Oberhaupt Albrecht von
Mecklenburg wollte nicht aufgeben, auch deshalb, weil Stockholm
mit seinen zahlreichen deutschen Einwohnern zu ihm hielt. Die
von den Dänen eingeschlossene Stadt konnte nur über See versorgt
werden, was den dazu beauftragten Freibeutern, weil sie
Lebensmittel (Viktualien) lieferten, die Bezeichnung
„Vitalienbrüder”
eintrug. Diese selbst bezeichneten sich später als „Gottes
Freunde und der Welt Feinde”.
Es gab genug Schiffe für diese Aufgabe, doch mit der Zeit verfielen die Kapitäne auf den Gedanken, fremde unbeteiligte Schiffe zu überfallen. Albrechts Vater, der Herzog von Mecklenburg, ermunterte sine Leute sogar, an solchen „Versorgungsfahrten” nah Stockholm teilzunehmen, weil dabei „leicht zu verdienendes” Geld lockte. Für den Absatz so erbeuteter Waren sorgten dann die Städte Rostock und Wismar, die sich so zu „Hehler-Städten” entwickelten. Die Hanse musste diesem Treiben ohnmächtig zusehen. Immer dreister wurde die „Ostseemafia”,
eroberte 1391 die Inseln Bornholm und Gotland und setzte sich auch an der finnischen Küste
fest. Bergen in Norwegen und die südschwedische Stadt Malmö
wurden geplündert. 1395 konnte die Hanse einen Frieden zwischen
Königin Margrethe und dem Haus Mecklenburg durchsetzen, womit
der Grund für jede Kaperfahrt entfiel. Doch die Seeräuber,
darunter auch Störtebeker, hatten sich längst als eigenständige
Macht in der Ostsee etabliert und sich nach kaufmännischem
Vorbild „genossenschaftlich” organisiert. Sie wurden deshalb
„Likedeeler” genannt – Leute, die ihre Beute „gerecht”
untereinander aufteilten.
Deutschordens-Hochmeister Konrad von
Jungingen unterbreitete der darüber begeisterten Hanse den Plan,
das Seeräubernest Gotland „auszuräuchern” und legte den Tag der
Offensive mit 31. März 1398 fest – zu einem Zeitpunkt, da die
Ostsee noch nicht ganz eisfrei war. Der Überraschungsangriff gelang, die entkommenen Piraten suchten Zuflucht an der deutschen und schwedischen Küste, andere wie Klaus Störtebeker und Goedeke Micheel flohen in Richtung Nordsee, wo sie wieder „von vorne beginnen” mussten.
„Arbeitsteilung” zwischen Störtebeker
und seinem „nominellen Chef” Goedeke Um sich nicht gegenseitig die Beute
abzujagen, teilten beide das Revier auf. Störtebeker trieb sein
Unwesen vor der Elbemündung, Goedeke machte das Weser- und
Emsgebiet unsicher. Reeder, Kaufleute und Kapitäne lagen dem
Hamburger Rat lange in den Ohren, etwas gegen die Seeräuberplage
zu unternehmen. Wegen der organisierten, fast militärisch
geplanten Piraterie war das keine leichte Aufgabe. Doch stellte
man in Hamburg ein Flottenbauprogramm auf die Beine, die
Seestreitmacht wurde im Winter 1400/01 verstärkt. Als
Nachrichten vom Auslaufen Störtebekers von seinem Winterquartier
in Richtung Helgoland eintrafen, wurde die Kriegsflotte
klargemacht und lief in die Nordsee aus. Störtebeker stellte
sich dem Kampf, er wusste, was auf dem Spiel stand. Die durch
zahlreiche Enterhaken miteinander verkeilten Schiffe der Räuber
und der Streitmacht trieben dahin, an Bord entbrannte ein Kampf
auf Leben und Tod.
Letztlich gelang es aber den Hamburgern,
Störtebeker vor Helgoland gefangen zu nehmen, mit ihm 70 seiner
Kumpane, darunter auch seinen nominellen Vorgesetzten Goedeke
Micheel. Im Triumphzug kehrte die Flotte nach Hamburg zurück.
Als die Piraten an Land gebracht wurden, läuteten in der ganzen
Hansestadt die Kirchenglocken. Den Gefangenen wurde ein für die
damalige Zeit fairer Prozess gemacht, der mit der Hinrichtung
Störtebekers und seiner Spießgesellen am 20. Oktober 1401 auf
dem Hamburger Grasbrook unter den eingangs geschilderten
Umständen endete. Damit jeder davon Kunde erhielt und niemand
Störtebekers „Nachfolge” antrat, wurden die abgeschlagenen Köpfe
auf Pfähle gespießt und zur Besichtigung freigegeben. Am Beispiel Störtebeker: gestern Halunke, heute Volksheld Für Störtebeker gilt dasselbe wie für viele Halunken der Weltgeschichte: die Halunken von gestern sind die Volkshelden von heute. (Allerdings gibt es, vor allem in der Politik, auch die umgekehrte Entwicklung). Und es wäre nicht unsere Zeit, wenn diese ehemaligen Gauner nicht im Interesse des Tourismus – und damit gefüllter Kassen – vermarktet würden. So gilt Störtebeker heute als
Verehrungsobjekt aller unbeugsamen und freiheitsliebenden
Hamburger. Piratenflaggen wehen auf den Dächern der Hafenstraße
und an einem Tor über dem FC St. Pauli. Am Grasbrook, der
mittelalterlichen Richtstätte, zeigte eine Bronzestatue
Störtebeker mit gefesselten Händen, den Kopf zur Seite gewandt
und zum Himmel gereckt, um nicht die Männer zu sehen, die ihn
zum Tod verurteilt hatten.
Ein bekanntes, nach dem Piraten
benanntes Fischrestaurant in Hamburg, offeriert gutbürgerliche
Fischgerichte. Seit 1993 finden jeweils von Ende Juni bis Anfang
September in Ralswiek auf der Insel Rügen die
Störtebeker-Festspiele
statt. Gezeigt werden Episoden – reale und legendäre – aus
seinem Leben, natürlich auch immer wieder sein Tod durch das
Henkersbeil. Die Festspiele sind zu Deutschlands erfolgreichsten
Freiluft-Theater geworden. Im Juli 2010 war der fünfmillionste
Besucher in Ralswiek gezählt worden. Störtebeker-Festspiele
2014
Der Schädel Störtebekers, heute ein Publikumsmagnet im Museum für Hamburgische Geschichte, war beim Bau der alten Speicherstadt auf dem Grasbrook entdeckt worden, genau an dem Ort; wo die Piraten 1401 hingerichtet worden waren. Seit 1922 ist der Schädel im Museum ausgestellt.
Störtebekers Schädel 2010 vorübergehend
aus Museum entwendet Als 2010 der Schädel aus dem Museum von
Unbekannten gestohlen worden war, geriet die ganze Hansestadt in
Aufregung. Noch heute rätselt man herum, wer der Dieb war und
wie er das angestellt hatte. Die Polizei hüllt sich bis heute in
Schweigen. Das Museum hatte eine vierstellige Summe zur
Wiederbeschaffung der Trophäe ausgestellt. Von einem anonymen
Überbringer wurde die Reliquie nach einiger Zeit bei der Polizei
abgeliefert und von der Museumsdirektorin mit einem Seufzer der
Erleichterung dort abgeholt und ihn wieder für die für ihn
reservierte Museumsvitrine gestellt. Als Dank für die
Ermittlungen erhielten die Hamburger Polizisten lebenslang –
freien Eintritt in das Museum.
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