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SANTA ROSA im Hamburger Hafen. |
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Dr. Peer Schmidt-Walther Kurs Südamerika |
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Wecken nicht bestimmte Namen oder Begriffe Sehnsüchte in uns? Besonders dann, wenn der Winter vor der Tür steht und man sich nach Sonnenwärme sehnt? Die mit Südafrika-Motiven bemalte IC-Lok vor dem Zug nach Hamburg bildet den Auftakt zu einer langen Reise in den Sommer. Nicht ganz der geplante Kurs, wohl aber in die richtige Temperaturzone. „Denn man Tschüß, schöne Weihnachten und guten
Rutsch!”,
ruft mir der fröhliche Mann hinterher. Genau so freundlich ist seine
Identitätskontrolle am Gate des Burchardkais verlaufen: Zettel ausfüllen,
Ausweischeck, Abgleich mit der Bordliste: fertig. Am Tor wartet schon ein
Terminalbus, der mich durch die Containergebirge kurvt. Schließlich Stopp
neben einer roten Wand mit aufgemalten weißen Riesenlettern HAMBURG SÜD.
Dahinter stecken rund 150 Jahre Reederei-Tradition. „SANTA
ROSA, wir sind da!”,
sagt der Fahrer knapp und wünscht eine gute Reise. Mini-Suite,
das neue Zuhause Neben der Gangway ein dunkelhäutiger Seemann im Hamburg-Süd-Overall: „Do you need any help?”, fragt er, nachdem ich mich als neuer Passagier vorgestellt habe und er meinen Rucksack bemerkt hat. Kaum – nach atemberaubenden 55 Steilstufen – an Deck, kommt ein junger Mann auf mich zu: „Jan Dlugosch, ich bin der Zweite Offizier”, begrüßt er mich strahlend, „herzlichen willkommen an Bord!” Endstation Deck G, ganz oben und direkt unter der
Brücke. „Owner day room”
steht neben der Tür, hinter der ich die nächsten vier Wochen zu Hause sein
werde. „Das hier ist die einzige Kammer auf diesem Deck”,
erklärt der Chief mate und öffnet eine echte „Mini-Suite”. Und Tschüß Hamburg! Weit schweift der Blick von meinem Deck über
Hamburgs abendlich beleuchtete Schokoladenseite mit Blankenese und
Landungsbrücken. Schiffe laufen aus und ein und wirken aus meiner
37-Meter-Höhe geradezu spielzeugklein. Eine Stunde nach Plan fängt der Diesel, zischend von
Pressluft gestartet, an zu grummeln und SANTA
ROSA drückt sich langsam von der Pier ab
in den schwarzen Strom. Tschüß Hamburg und Kurs Südamerika! Rund 14.000
Kilometer quer über den Atlantik mit Äquatorpassage. Das verspricht eine
Traumreise zu werden, allerdings nicht auf einem Traum-, sondern auf einem
hochmodernen Arbeitsschiff. Wenn mein Bekannter Dr. Ulrich Schrader,
bekennender Frachterreise-Fan, in Antwerpen zusteigt, sind wir nur ganze
zwei Passagiere auf dem 300 Meter langen Schiff. Noch mal genüsslich umdrehen Gegen vier Uhr dreißig blitzt es in mein
Schlafzimmer. Das kann nur das Leuchtfeuer von Helgoland sein. Die Kulisse
bilden hell erleuchte Frachter vor Anker. Nordwest-Wind orgelt um die
Aufbauten, Regen peitscht das Schlafzimmerfenster. Irgendwie gemütlich. Da
bleibt nur eins: das Frühstück ausfallen lassen und sich noch mal genüsslich
umdrehen. Der Wind hat auf 25 bis 30 Knoten, etwa sieben bis
acht Windstärken, zugenommen, erste Gischtfahnen fliegen übers gewaltige
Vorschiff. Kleine Kümos haben richtig mit der See zu kämpfen. Man darf nicht
vergessen, dass es die Hoch-Zeit der gefürchteten November-Stürme ist. Doch
die mächtige SANTA ROSA
liegt wie ein Brett und schüttelt sich manchmal nur unwillig beim seitlichen
Anprall der Wellen. An Deck hat man seine Mühe, sich gegen den Wind zu
stemmen. Nach der Coffee time um 15.30 Uhr bittet der Dritte
Offizier Nicolas Inan (31), ehemaliger Oberleutnant zur See der Deutschen
Marine, ins Ships office zur Sicherheitseinweisung: „Das ist laut IMO
innerhalb von 24 Stunden Pflicht für alle neu an Bord Gekommenen”.
Inzwischen heizt sich die Sauna auf, die zum anschließenden
Entspannungsschwitzen einlädt. „Wir lassen Ihnen auch gern Meerwasser in den
Pool – zum Abkühlen”,
bietet der Dritte lachend an. Letzte Chance zum Beinevertreten 2.30 Uhr: Das neun Decks hohe Deckshaus beginnt,
sich leicht zu wiegen – wir sind wieder auf See. Und zum Frühstück vor der
englischen Kreideküste, die von der kurz hervor lugenden Sonne leuchtend
weiß angestrahlt wird. Im Schritttempo schiebt sich der 93.400-Tonner in
den Hafen, wird von Schleppern im Zeitlupentempo gedreht und ist um 13.20
Uhr am Quai Atlantique fest. Früher als geplant. Das bedeutet mehr Landgang.
„Bis morgen früh um sechs, dann laufen wir aus”,
gibt uns Kapitän Thomas Berndt mit auf den Weg. Letzte Chance, sich an Land
die Beine zu vertreten. Er hat es arrangiert, dass wir schon um 15 Uhr mit dem Reederei-Agenten in die Stadt fahren können. Ungehindert durch Kontrollen chauffiert er uns ins Zentrum. Le Havre, der Hafen, überrascht durch seine durchweg moderne Gestaltung, nachdem die Stadt im Zweiten Weltkrieg durch englische Luftangriffe, die den deutschen Besatzern galten, dem Erdboden gleich gemacht wurde. Wachfreie Einladung Überraschung des Tages: der Pool ist gefüllt. Nach
der 75 Grad-Sauna geht Die zweite Überraschung des Tages: ein Anruf von Jan
Dlugosch: „In einer Stunde sind Sie eingeladen zum Bier-call. Whow! Da
sitzen die wachfreien Offiziere, Polen und Deutsche, am Bar-Tresen
versammelt. Dlugosch in der Rolle des Keepers, der gleich ein frisch
gezapftes Pils vor uns abstellt. Die Unterhaltung kommt schnell in Gang, im
Mikrokosmos Schiff unter kommunikativen Seeleuten kein Problem. Sechs Tage nach Le Havre: Land in Sicht.
Der „Heilige Anton”
schält sich aus dem Dunst: die westlichste der Kapverdischen Inseln Santo
Antao auf 17 Grad Nord und 25 Grad West, wie Uli mit dem Sextanten bis auf
eine Seemeile genau ermittelt hat. Magische Linie
überquert Kurz nach 4 Uhr in der Frühe, 4.000 Seemeilen oder
14 Tage von Hamburg entfernt: Neptun kommt an Bord – allerdings nur auf dem
Display des Navigations-Computers: 0 Grad, 00 Minuten, 003 Sekunden Süd, 31
Grad, 37 Minuten, 516 Sekunden West zeigt er an. Der Äquator, Breitengerad
Null, wird passiert, die magische imaginäre Linie zwischen Nord- und
Südatlantik. „Sieh Das Ereignis soll gefeiert werden: am Samstagabend mit einem zünftigen Open-air-Grillabend unter dem legendären Sternbild vom Kreuz des Südens. Schon jetzt, am Vorabend, klingen wehmütige Gitarrenklänge aus dem Aufenthaltsraum der Kiribati-Crew. Knoblauchdüfte vor BBQ Land in Sicht am dritten Tag nach den Kapverden und
noch mal Handy-Kontakt, aber wesentlich preiswerter: um 16 Uhr voraus im
Dunst die kleine brasilianische Inselgruppe Fernando da Noronha, von weißen
menschleeren Traumstränden gesäumt. Nur noch rund 200 Seemeilen sind es von hier bis zur
Küste des Subkontinents Südamerika. Basstölpel und Fregattvögel begleiten uns in
elegantem Segelflug und kommen ohne Scheu bis auf wenige Meter ans Schiff
heran. „Ansonsten gibt Wal-Explosion an Backbord Das „Bergfest” ist gelaufen, und wir bekommen am ersten Tag im Südatlantik eine weitere Stunde geschenkt – zum Ausschlafen am Sonntag, der wieder mit einem strahlend blauem Himmel und tintenblauer ruhiger See startet. |
Chief Mariusz Szymanek genießt den Ruhetag in
seiner Hängematte.
In the middle of nowhere Enttäuschend der Ausblick am Morgen – statt Rios
Zuckerhut nur pottendicker Nebel bei 19 Grad, Wasser 18. Ursache: Sich
allmählich erwärmende Luft trifft auf einen kühlen Strom. Nordsee im Herbst.
Hier läuft es jahreszeitlich anders herum: So startet das
Südhalbkugel-Frühjahr. Kap Frio – der Name steht für die gegenwärtige
Temperatur. Um 8.30 Uhr schert ein Boot heran – an Bord klettert eine junge Frau Ende Zwanzig, unsere Lotsin mit flottem Pferdeschwanz. Zwei Stunden schlängelt sich SANTA ROSA durch die Fahrrinne – an Back- und Steuerbord von idyllischen Palmeninseln mit weißen Traumstränden gesäumt –, bis voraus ein großes Erzverlade- und ein kleineres Containerterminal auftaucht. Zwei Schlepper bugsieren den Frachter an die Pier. „11.00 Uhr: fest in Sepetiba Traumstrand mitten in der Stadt „Carpe diem, nutzen wir also den Tag Bus Nummer eins fährt für umgerechnet einen Euro
nach Guarujá. Die Badehosen sind natürlich eingepackt. Hinter einer Hochhauskulisse mit palmengesäumter Promenade nur noch blendend weißer feiner Strand, gespickt mit bunten Sonnenschirmen und tiefblaue See. Ich kann nicht anders, als mich bei 28 Grad im Schatten in die schäumende Südatlantik-Brandung zu stürzen und nur noch zu genießen. Entdeckungen im Centro Historico Hinter dem Gate des nächsten Hafens Paranagua
besteigt man am besten ein Taxi für zwölf Real „down town”.
Per Bus dauert es länger, kostet aber nur einen Real. Am besten, man lässt
sich am Busbahnhof, Rodoviario,
absetzen. Was man hier alles tun kann? Zum Beispiel eine Parade auf Hochglanz polierter Oldtimer abnehmen, E-mails im Seamans Club checken, über den Fischmarkt bummeln, über das reichhaltige, exotische Angebot staunen und sich schließlich in einer Kneipe an seiner Rückseite niederlassen. Bei kühlem Skol-Bier und leckeren Camaroes, Krabbenbouletten, mit scharfer Sauce. Man möchte mit Goethe sagen: „Verweile Augenblick, du bist so schön”. An Steuerbord zeichnet sich am dritten Tag um Mitternacht die Küste von Uruguay mit der illuminierten Hauptstadt-Skyline von Montevideo ab. „Das Haus in Montevideo” von Curt Götz kommt mir in den Sinn. Aber auch die ADMIRAL GRAF SPEE. Irgendwo fünf Seemeilen links von der Hafeneinfahrt
warnen Tonnen vor den letzten Resten des deutschen Kreuzers. Am 13. Dezember
1939 gab sein Kommandant, Kapitän zur See Langsdorf, das Kommando zur
Selbstversenkung, nachdem das damals neutrale Uruguay von den Engländern,
die vor der La Plata-Mündung bereits mit drei Kreuzern lauerten, gezwungen
wurde, das Kriegsmarine-Schiff nicht länger unter seinen Schutz zu stellen.
Jetzt werden Teile gehoben und in einem Museum in Montevideo ausgestellt. Nach elf Stunden Revierfahrt durch den
Mündungstrichter des Rio de la Plata macht SANTA
ROSA in Buenos Aires fest. Wir bleiben
noch eine Nacht an Bord und ziehen um – ins Hotel. La Boca – Heimat des Tangos Am nächsten Vormittag geht es in die argentinische
Hauptstadt der „guten Luft”.
Wir haben einen ganzen Tag Zeit. Das nächstliegende Ziel: La Boca.
Grellbunte Häuser und Hütten säumen die berühmte Straße El Caminito. Ein
Touristenmagnet ersten Ranges, der seinen Charme aber keineswegs verloren
hat. Der einst im Viertel ansässige Maler Benito Quinquela Martin hat die
Anwohner überredet, ihre Häuser, die – so wird erzählt – aus dem Holz und
Blech abgewrackter Schiffe bestehen, mit farbenfrohem Schiffslack zu
streichen. La Boca, das ist auch das Synonym für Tango,
sozusagen seine Geburtsstätte. Getanzt, natürlich nur zur Show, wird er hier
überall in den Straßen, zu sanfter Musik aus der Konserve. Legendäres „La Estancia” Auf Ulis Stadtplan ist die Calle Laval angekreuzt:
Im legendären „La Estancia”
muss man unbedingt bife die lomo essen. Argentinisches Rindfleisch aus den
Weiten des südlichen Pampa-Graslandes hat Weltruf. Der Höhepunkt des
kulinarischen Abends: pro Nase ein 380-Gramm-Rinderfiletbrocken. Auf einem Platz in der Mitte der angestrahlte
„Nullpunkt Argentiniens”.
Angeblich werden von diesem weißen Monolithen aus alle Entfernungen im Land
gemessen. Bis an die heimatliche Ostsee-Küste sind es von hier aus runde
14.000 Kilometer. „Keinen Schritt mehr heute!”,
verteidigt Uli seinen Vorschlag, doch lieber per Taxi zum Hotel zu fahren,
„meine Füße sind nach zwölf Stunden rund”.
Was ist das Fazit einer solchen Reise, die – getreu
Alexander von Humboldt, dem Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts – für
„Weltbewusstsein”
gesorgt hat: eine nie zu stillende Sehnsucht. Kein Geringerer als Christoph Kolumbus drückte es nach seiner ersten Atlantik-Überquerung 1492 am treffendsten aus: „Die Wirklichkeit überragt unsere Erwartungen und Wünsche”. Schiffsdaten MS SANTA ROSA: Reederei: Hamburg Süd; Eigner: Containerschiffsreederei MS SANTA ROSA GmbH & Co. KG; Bereederung: Columbus Shipmanagement GmbH, Hamburg; Bauwerft: Daewoo Shipbuilding & Marine Engeneering Co., Ltd. (DSME), Okpo / Korea; Kiellegung: 15. März 2011; Werftnummer: DSME 4231; Baujahr: 2011.
Häfen und Distanzen Hamburg-Antwerpen: 252 sm, Antwerpen-Le Havre:
186 sm; Le Havre-Sepetiba: 5281 sm; Sepetiba-Santos: 151 sm;
Santos-Paranagua: 149 sm; Paranagua-Buenos Aires: 753 sm; Buenos
Aires-Montevideo: 148 sm; Montevideo-Rio Grande: 295 sm; Rio Grande-Itapoa:
444 sm; Itapoa-Santos: 178 sm; Santos-Tanger / Marokko: 4397 sm;
Tanger-Rotterdam: 1380 sm; Rotterdam-Tilbury / England: 88 sm;
Tilbury-Hamburg: 282 sm Fahrtstrecke 6626 Seemeilen in rund 23 Tagen (one way Hamburg-Buenos Aires; Rundreise: 56 Tage bei rund 14.000 Seemeilen; Zeitverschiebung gegenüber europäischer Winterzeit: 3 Stunden.
Preis
ab 120 Euro pro Person und Tag
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Unverstellter Blick aus dem Wohnzimmerfenster aufs Vorschiff. |
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Unsere Suite besteht aus einem geräumigen Wohnzimmer ... |
... und einem ebenso großen Schlafzimmer. |
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Während eines Manövers grüßt ein abgeseilter SAR-Mann zur Brücke herüber. |
Passagier Dr. Ulrich Schrader ist in Antwerpen an Bord gekommen. |
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Das französische Lotsenboot stiemt vor Le Havre heran. |
Kapitän Thomas Berndt hält Ausguck beim Einlaufen in Le Havre. |
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Le Havre mit der Kirche Saint Josephe (rechts). |
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Der Autor am Namenzug der MS SANTA ROSA. |
Kleiner Mann – Dr. Ulrich Schrader – an großer Ankerkette. |
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Dr. Ulrich Schrader und Steward Beia in der Offiziersmesse. |
Uli – Dr. Ulrich Schrader – zum Sundowner in der Ownerscabin. |
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Die brasilianische Inselgruppe Fernando de Noronha kommt in Sicht. |
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Inseln in der Bucht von Sepetiba. |
Rege Betriebsamkeit in der Steuerbordnock um die Lotsin ... |
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Der Traumstrand von Guarujá bei Santos. |
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Abendlicher Lade- und Löschbetrieb im Hafen von Santos. |
MS SANTA ROSA im Hafen von Paranaguá. | ||||||
Fischer verkaufen ihren Fang am Ufer des Itebere Flusses. |
Elegante Holzfischerboote am Ufer des Itebere Flusses in Paranaguá. |
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Der Fischereihafen vor der Altstadt von Paranaguá. |
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Schwieriges Wendemanöver beim Einlaufen in Buenos Aires |
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Der Grill neben dem Eingang zum Steak Lokal La Estancia in Buenos Aires, von denen es hier einige gibt. |
Dr. Peer Schmidt-Walter (der Autor) und Dr. Ulrich Schrader (Passagier) genießen ihr Beef de Lomo und ihren feurigen argentinischen Rotwein im La Estancia. |
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Die Schulschiff-Fregatte PRESIDENTE SARMIENTO in den Madero-Docks von Buenos Aires. |
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