Hausboot 

 

Seereisenmagazin Ausgabe 2-2014 

hr

Der Ort Santok mit Wachturm (links) voraus. Hier, an der Einmündung der Netze in die Warthe, verlief einst die Grenze zwischen Slawen und GermanenDer Ort Santok mit Wachturm (links) voraus. Hier, an der Einmündung der Netze in die Warthe, verlief einst die Grenze zwischen Slawen und Germanen.

 

Dr. Peer Schmidt-Walther

200 Quadratkilometer Naturparadies und kein einziges Boot

Abenteuerliche Premierenreise in einem jungfräulichen Hausboot-Revier

Warthe, Netze? Für viele sicher nebulöse Begriffe. Vielleicht hat man sie irgendwann mal im Geografie-Unterricht gehört: im Zusammenhang mit Eiszeiten, Urstromtälern und Moränen. Dabei liegen die beiden großen Flüsse quasi vor der Berliner Haustür.

„Witamy! Willkommen in Pollänn!” werden wir zweisprachig – das klingt nett in unseren Ohren – am Anleger begrüßt. Artur Zurawiecz strahlt und wünscht uns noch dazu „dzien dobry”, „guten Tag”. Der 35-Jährige ist Polens jüngster Reeder mit Alleinstellungsmerkmal in der Region und wohnt, wie er stolz betont, „mitten im Wald bei Pila, dem früheren Schneidemühl”. Er nennt nicht nur eine Pension sein eigen, sondern auch zwei Hausboote: ein größeres vom Typ VISTULA CRUISER 30 und ein kleineres CHRIS CRAFT 30.  

Neun-Meter-„Dampfer” JERONIMO, benannt nach Arturs Sohn, ist für die nächsten Tage unser mobiles Ferienhaus. Pure Erholung à la Strandurlaub wird es während dieser Pionierfahrt nicht geben, denn es heißt Ruderwache gehen, mal den Kombüsendienst übernehmen und Festmacherleinen halten.

 

Gegend der Vergangenheit und Zukunft

Die EU habe ihm bei der Anschubfinanzierung seines noch in den Kinderschuhen steckenden Unternehmens kräftig unter die Arme gegriffen. Und dem agilen Holzhausbauer damit gleich zwei Träume erfüllt: „im Wald zu wohnen und ein Tourismus-Unternehmen aufzubauen. Das hat hier in der Gegend Zukunft”.  

Auch der hat die EU geholfen, so dass am Fluss Notec / Netze zwei hochmoderne, pikobello saubere und sichere Marinas – noch mit gebührenfreiem Übernachten – gebaut werden konnten: in Czarnkow / Scharnikau und dem 42 Kilometer westlich davon liegenden Drawsko / Dratzig. Der Fluss bildete bis 1937 hier die Grenze zwischen dem Deutschen Reich auf der nördlichen und Polen auf der südlichen Seite, nach wie vor durch eine „preußische” Brücke verbunden. Heute gehört das Gebiet zur Wojewodschaft Wielkopolski / Großpolen mit Sitz in Poznan / Posen.

Czarnkow hat sich rings um den rynek, den Marktplatz, wieder herausgeputzt. Ein paar Schritte in die Seitenstraßen und man fühlt sich in vergangene Zeiten zurückversetzt. In scharfem Kontrast dazu die geradezu futuristische Marina der 1000-jährigen Stadt.

Abends sind wir, Kollege Dr. Ulrich Schrader und ich, der Skipper, Gäste dreier Wohnwagen-Besatzungen aus Posen. Miroslaw ist Deutsch-Pole aus München. Mit Freuden dolmetscht er und macht den Grillabend zu einem Fest der Verständigung, Bier und Wodka inklusive. Der Liegeplatz-Nachbar schenkt ihnen sogar zwei frisch in der Netze geangelte und geputzte Fische mit einem freundlichen „smatsch nego”, „Guten Appetit”. Uli ist beeindruckt: „So viel Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft”.

 

Nostalgie und Abenteuer erwartet

Bis zum Zweiten Weltkrieg galten die verschlafenen Ortschaften, die von 1918 bis 1939 noch einmal zum Warthegau in der deutschen Provinz Posen gehörten, entlang der Flussläufe als Verbannungsorte für jeden preußischen Beamten. In dem historischen Bildband „Zwischen Weichsel und Warthe – vom Leben, wie es damals war” schreibt Heinz Csallner: „Meine Gedanken kehren wieder zurück zu den schnurgeraden Wegen auf weitem Land, der Wind spielt mit dem Laub der Birken, über mir der endlose blaue Himmel, Wolken ziehen langsam vorüber, ich lehne mich an den Stamm einer Birke, spüre den leichten Sommerwind, schließe die Augen … Ruhe, Glück, Heimat …, etwas, das man nicht beschreiben kann”. Aber vielleicht nachempfinden?

Wir sind sehr neugierig geworden. Ehe die letzten Blätter den großen Strom hinunter sind, haben sie sich – in „nostalgischer Verklärung”? – aufgemacht ins Land unserer Väter. „Weil das Abenteuer wartet”, wie Artur verheißungsvoll sagt, als wir uns verabschieden. Soweit die Präliminarien.

Neun Uhr am nächsten Tag: JERONIMO steckt seine grüne Nase vorsichtig in die flott dahin wirbelnde Netze und wird gleich mitgerissen, trotz Fahrthebel nur auf halbe Kraft voraus. Die Strömung schiebt so, dass sie mit gut zwölf Kilometern pro Stunde dahin „schießen”. Durch das von der letzten Eiszeit und ihren Schmelzwässern ausgespülte Urstromtal. Bis zu 100 Meter hohe Endmoränen schnüren es stellenweise ein. Aber vor den Deichen hat die Netze genügend Platz, um sich bei Hochwasser seenartig auszudehnen. Dessen Spuren sind überall unübersehbar: umgestürzte Bäume, unterhöhlte Ufer und mitgerissene Heuballen.  

 

Strotzende Natur ringsum

Historische Ortsnamen wie Birkbruch, Rohrwiesendamm, Breitenwerder oder Louisenaue in der deutsch-polnischen Karte weisen auf die Trockenlegung durch Kolonisatoren hin, Friedrichshorst auch auf den Initiator: Preußens König Friedrich der Große. Mich als Skipper interessieren auch die Fahrwassereigenheiten wie Strömung, Sandbänke und Wassertiefen, wobei mir das Echolot wertvolle Hilfe leistet. Wer außerdem nach dem Prinzip von Prallhang zu Prallhang steuert, also dort, wo der Fluss am schnellsten fließt und am tiefsten ist, liegt damit prinzipiell richtig.

Zwischendurch aber werfe ich auch immer wieder ein Auge auf die strotzende Natur ringsum: Backbord ein Biberbau, Steuerbord Kraniche, hoch über dem Boot ein Seeadler, Gruppen von tanzenden Kiebitzen, im Tiefflug neben uns weiße und graue Reiher, vor uns startende Schwäne. Wir wissen gar nicht, wohin wir zuerst schauen sollen. „Wie Mangrovewald, nur schöner und belebter”, ist Uli begeistert, „nirgends störende Windräder oder Stromtrassen”. Und er findet gar, dass diese Premierenreise „durch das grüne ‚Nichts’” exotischer sei als eine Orinoco-Fahrt. „Welcher deutsche Hausbootskipper ist denn hier schon mal langgefahren?” Am Ende wird er erstaunt feststellen: „Auf 200 Kilometern ist uns weder ein Schiff noch ein Boot begegnet. Wo gibt’s das noch im schiffbaren Europa?”

 

Fahrstuhlfahren mit preußischer Technik

Gleich am ersten Tag stehen fast 20 Meter „Wasserfahrstuhl” nach unten auf dem Arbeitsprogramm: Sechs Schleusen bis zur zweiten Marina in Drawsko sind zu bewältigen, wo wir übernachten wollen. Mit dem in Lautschrift von Miroslaw verfassten polnischen Satz „Prosce otwozyc sluce”, „Bitte die Schleuse öffnen” und den aktuellen Telefonnummern, die uns der Hafenmeister mitgegeben hat, fühlen wir uns gut gerüstet. Ein paar Kilometer vorher testet Uli seine frisch erworbenen Sprachkenntnisse, ruft den Wärter der ersten Schleuse Pianowka an und sagt sein Sprüchlein auf. Fünfzehn Minuten später sehen wir staunend das Ergebnis seiner Bemühungen. „Es hat tatsächlich geklappt”, ist er fast sprachlos. Eine grün-weiß-grüne Tafel zeigt an: Einfahrt frei. Wobei der Schleusenwärter das Tor nur an einer Seite geöffnet hat, denn der „schmale Hecht” JERONIMO ist nur drei Meter breit. Bei der Tal-Schleusung kann man bis nach vorn vorfahren, zu Berg sollte man wegen des kräftig herein strömenden Wassers besser hinten bleiben. Maschine stopp. Uli legt die Vorleine um den Poller und ich schlage den Bootshaken in den Kammerrand. So geht es problemlos abwärts.

„Dzien dobry”, „Guten Tag”, grüßen wir den Schleusenwärter, der sieben Zloty kassiert – mit Trinkgeld zehn – und sogar eine Quittung ausschreibt. Uli zeigt ihm den Telefonnummern-Zettel und bittet ihn, „Kollega anrufen”. Er nickt nur und kurbelt mühsam per Hand das Tor auf. 110-jährige preußisch-robuste Technik, die bis heute einwandfrei funktioniert. „Do wi-dzenia”, „Auf Wiedersehen” und ab geht’s. Alle Tore stehen ihnen fortan offen: Der Mann hat schweigend Wort gehalten, toll!  

 

Pilz oder Fisch zum Marina-Fest?

Schon nach fünfeinhalb Stunden grüßt das Einfahrtschild zur Marina Drawsko. Ein flottes Drehmanöver aus dem Strom gegen ihn und das Boot schiebt sich durch einen Wasserpflanzengarten in den Hafen. An Backbord ist sogar ein Strand aufgeschüttet. Und wieder: moderne Steganlagen, Strom, Wasser, Hafengebäude, aber auch hier keine Möglichkeit zum Tanken. Ein Glück, dass wir in Czarnkow die Reservekanister gefüllt haben. Bartek, Student und im Nebenjob Hafenmeister, empfängt uns strahlend in gebrochenem Deutsch. „Mein Service bis 20 Uhr”, und wir „mechten doch bänutzen die Dusche”. Das lassen wir uns nicht zweimal so freundlich sagen. Auch hier hat die EU ihr Händchen im Spiel gehabt, wie die Schilder und Prospekte verkünden.

Am Nachmittag erkunden wir die weite Netzebruch-Niederung außerhalb des drei Kilometer langen Dorfes. Ein gewaltiger Himmel mit kilometerhohen Quellwolken wölbt sich über der duftenden Wiesenlandschaft. Der einen Kilometer entfernte Wald lockt mächtig, denn die Gegend gilt als pilzreich, symbolisiert durch überall im Ort verteilte mannshohe Stein-Pilze. Vielleicht kommt eine Pfanne Pfifferlinge zusammen? „Wir haben doch noch die Fische”, erinnert Uli. Das gemeinsame Braten, Kartoffelschnippeln und die Salatzubereitung geraten zu einem großen Spaß, befeuert auch von ein paar Gläsern Wein.  

 

Slawisch-germanische Grenze voraus

Nach einer sternklaren Nacht wabern am Morgen spätsommerliche Nebelschwaden über die Netze. Wir lassen uns mit dem Frühstück Zeit, denn die nur sechs Kilometer entfernte Schleuse Krzyz ist ohnehin erst um neun Uhr betriebsklar. Es ist die letzte bis zu unserem Ziel an der Warthe. Bartek hat für sie angerufen, so dass das Manöver in Minutenschnelle erledigt ist. JERONIMO wird von der Netze mit gezogen, immer leicht mit Kurs Südwest.

Wir meinen, dass man die Reise in Drawsko beginnen sollte, „denn”, so Uli, „Schleusentheater ist nichts jedermanns Sache. Vor allem kein Ding für Bootsneulinge ohne jegliche Erfahrung in Fließgewässern und Führerschein”.  

Die Flusslandschaft in allen Grünschattierungen wirkt beruhigend, „manchmal sogar schon langweilig”, findet Uli. Hohe Schilfwände links und rechts verdecken an vielen Stellen den Blick. Nur hin und wieder lugt ein historisch anmutendes löchriges Ziegeldach über die Spitzen oder ein Angler durch die Halme. Die Polen lieben das stundenlange Hocken am und Starren aufs Wasser, ihr Nationalsport Nummer eins. „Hätten wir doch auch machen können“, bemerkt der Skipper, „aber du besorgst das Töten und Ausnehmen!”, wirft Uli gleich ein. Damit ist das Thema Angeln erledigt.  

Nach fünf Stunden oder 50 Kilometern voraus Santok, auf hohem Ufer von einem Aussichtsturm überragt. Hier, an der Einmündung der Netze in die Warthe, verlief einst die Grenze zwischen Slawen und Germanen. Wer mag, kann gleich rechts hinter der Straßenbrücke an einem ehemaligen Anleger für Frachtschiffe festmachen. Viel bietet der Ort selbst nicht. Der Blick vom Turm über die beiden Flüsse allerdings lohnt den steilen Aufstieg.

 

In der afrikanischen Savanne an der Warthe

Die Warthe scheint sich gegen uns zu stemmen, die unser vorheriges „Tempo” rapide auf sechs Kilometer pro Stunde abbremst. Das Echolot zeigt stellenweise nur wenige Dezimeter unterm Kiel an, was zusätzlich bremst. Wir rechnen: Entfernung bis Skwierzyna / Schwerin im Lebuser Land: 24 Kilometer, Sonnenuntergang gegen 19 Uhr (bloß nicht bei Dunkelheit fahren), Spritverbrauch um die fünf Liter pro Stunde.

„Schaffen wir”, stellt Uli klar und genießt die menschenleere Parklandschaft aus lockerem Altbaumbestand und saftig grünen Wiesen. Pferde und Kühe traben neugierig ans Ufer, um das seltene, seltsame Gefährt da auf dem Wasser zu bestaunen.

Wir saugen den würzigen Heu- und Getreideduft tief in die Lungen. „Irgendwie erinnert mich das alles an die afrikanische Savanne”, findet der weitgereiste Uli, „das ist 

schon was Besonderes”. Noch vor Sonnenuntergang erreichen wir unseren Übernachtungsplatz: eine hohe Betonpier vor der Straßenbrücke in der Stadt Skwierzyna. Der Platz reicht gerade noch für JERONIMO. Das Anlegemanöver gegen den Strom mit Steinen in Hecknähe gestaltet sich schwierig. Aber wir sind froh, hier liegen zu können, denn auf dem Hochufer thront die renommierte Hotel-Gaststätte „Dom nad rzeka”, das „Haus am Fluss”.

„Heute bleibt unsere Küche kalt”, entscheidet der Skipper, „wir gehen essen, und zwar polnisch”. Serviert wird die traditionelle Bartschtsch-Suppe aus Roten Beeten mit Pelmeni und Pirogi mit Quark und Zwiebeln gefüllt, dazu ein kühles Bier – mhhh, lecker. „Und alles für’n Appel und ’n Ei”, stellt Uli fest, als er staunend die für unsere Verhältnisse niedrige Rechnung bezahlt.

Der Wirt erkundigt sich nach ihrem Wohlbefinden und bietet für den nächsten Vormittag an, uns mit Kanistern zu einer Tankstelle chauffieren zu lassen.  

Pünktlich steht der Wagen am Anleger. Nach gut drei Kilometern ist die Tankstelle erreicht, doch Sprit dürfen wir erst mal nicht in die Kanister füllen – angeblich aus Sicherheitsgründen. Der Fahrer versucht dem Tankwart klar zu machen, dass wir das für ein Boot bräuchten, andernfalls nicht weiter fahren könnten. Der Mann guckt weg und winkt ab, nach dem Motto: „Macht doch, was ihr wollt!”  

 

Ankern auf der grünen Wiese

Die so erstandenen 38 Liter fließen an Bord gleich in den Tank. „Damit müssten wir locker bis Drawsko kommen”, kalkuliert der Skipper, „und noch etwa die Hälfte übrig behalten”. Im Gleitflug pendelt JERONIMO durch die „afrikanische Parklandschaft” in nur zwei Stunden zurück nach Santok. Hart Steuerbord − und wieder hinein in die Netze.  

Bis zur Marina Drawsko ist es an diesem Tag bei schleichender Bergfahrt zu weit. „Dann gehen wir eben an die grüne Wiese”, schlägt „Steuermannsmaat” Uli vor, „am besten zwischen zwei Bäumen, ohne Schilf oder Steine am Ufer”. Fortan halten wir angestrengt Ausschau nach dem idealen Anleger. Querab des Hofes Gorczyna / Neu-Gurkowschbruch an Backbord werden wir nach etwa einer Stunde fündig. Die Wassertiefe ist ausreichend bis an die Graskante heran. Uli springt mit der Vorleine an Land und schlingt sie um eine knorrige Weide, dann wirft der Skipper ihm die Achterleine zu für den zweiten Baum hinterm Heck. Zum Schluss wird der schwere Anker an seiner Kette voraus an Land vergraben. „Das ist absolut sturmsicher so”, befindet Uli und gönnt sich ein Pfeifchen zum Einlaufbier, und ich gehe zur Abkühlung erst mal baden im glasklaren Flusswasser.  

Über die Wiese steuern wir anschließend − zum Beinevertreten − den Deich an, der allerdings eingezäunt ist. Und heftig elektrisch geladen, denn Uli jault plötzlich getroffen auf. Wir sind auf einer Koppel gelandet und folgen den Hufspuren in den Wald. Bis sechs neugierige Pferde schnaubend vor uns stehen, eins weiß wie das berühmte Einhorn. Landgang auf polnische Art eben. „Bloß weg hier”, zieht es Uli wieder an Bord. In die absolute Stille am Fluss. Nur der Ostwind streichelt sanft das Schilf. Der glühende Sonnenuntergang – „Kitsch kann so schön sein”, seufzt Uli – kommt wie bestellt. Unsere Gedanken kreisen um die vielfältigen Erlebnisse dieser Reise. „Was hältst du von einer Tour um den gesamten Großpolen-Ring?”, fragt der Skipper begeistert seinen segelerfahrenen Matrosen und Steuermann. „680 Kilometer und vier Wochen Urlaub?”, fragt er zurück, „eine echte Herausforderung an Mensch und Material, schau’n wir mal”. Die Netze antwortet mit einem leise zustimmenden Gurgeln unterm Kiel von JEROMINO, der auch nichts dagegen zu haben scheint.   

 

Notwendige Infos beachten

Die Warthe (polnisch Warta) ist ein rechter Nebenfluss (Länge: 808 Kilometer, zur Hälfte schiffbar) der Oder in Polen.  2001 wurde an ihrer Mündung der Nationalpark Warthe-Mündung eröffnet. Der Fluss ist Namensgeber für das jüngere Stadium der Saaleeiszeit.

Die Warthe, größter Nebenfluss der Oder, entspringt im Krakau-Tschenstochauer Jura in Schlesien östlich der Stadt Zawiercie (Warthenau) und südlich von Częstochowa (Tschenstochau). Sie durchfließt die Ebene Großpolens (Wiekopolski), mündet bei Küstrin (polnisch Kostrzyn nad Odrą) in die Oder und ist wasserärmer als die Oder, denn ihr Einzugsgebiet ist das relativ trockene polnische Tiefland.

Beide Flüsse sind wegen ihrer stark schwankenden Pegel frei von Berufsschifffahrt und gelten als Geheimtipps für Wasserwanderer. Dennoch sollten Sportbootfahrer unbedingt über Fahrkenntnisse verfügen, vor allem bei Schleusen-, Berg- und Talfahrt, An- und Ablegemanöver unter Strömungsbedingungen, Fahrwassertonnen; Achtung (Uwaga!): Der Fahrhebel für Voraus- und Zurückfahrt ist schwergängig. Manöver ohne Hektik entsprechend vorausschauend planen und durchführen.

Nähere Fluss-Infos unter: www.roadreport.de (Warthe, Netze).

Die Netze (polnisch Notec) ist mit 366 Kilometer Länge wichtigster Nebenfluss der Warthe und folgt dem Thorn-Eberswalder-Urstromtal mit einer moorigen Bruchlandschaft, dem Netzebruch (vom 12. bis 14. Jahrhundert fand die deutsche Kolonisation statt, erst Anfang des 18. Jahrhunderts begann man den Bruch trocken zu legen). Die Netze entspringt in Großpolen zwischen Kolo (Kolo) und Wloclawek (Leslau), durchquert den Goplosee sowie die Stadt Inowroclaw im Zentrum Polens und fließt südlich an Pila (Schneidemühl) vorbei und mündet bei Santok (Zantoch) in die Warthe. Eine Kanalverbindung (Bromberger Kanal, Kanal Bydgoski, erbaut 1772 bis 1774) besteht über Bydgoszcz (Bromberg) zur Weichsel (Wisla).

Verbunden sind beide Flüsse durch Seen und Kanäle. Eine alte, wohlbekannte Schifffahrtsroute, in deren Mittelpunkt Posen liegt und eng mit der Geschichte Polens verbunden ist. Auf Polnisch wird sie Wielka petla Wielkopolski genannt, der Großpolen-Ring. Seine Gesamtlänge beträgt rund 690 Kilometer, er wurde 1882 eröffnet und diente dazu, Landwirtschafts- und Industrieprodukte auf dem Wasserweg zu befördern. Nach der politischen und wirtschaftlichen Umstrukturierung dient der Großpolen-Ring nur noch dem Wassersport. Literatur (nur auf Polnisch): „Wielka Petla Wielkopolski Warta-Notec-Goplo-Warta”; ISBN: 978-83-924946-4-5.

Reiseführer: Polyglott POLEN, ISBN 978-3-8268-1947-6; Kartenmaterial (1:200.000) mit deutsch-polnischen Ortsnamen: Höfer-Verlag, www.hoeferverlag.de; ein Flussreiseführer liegt (noch) leider nur auf Polnisch vor (allerdings ohne detaillierte Karten), eine übersetzte deutsche Kurzfassung ebenso wie ein Betriebsbuch zur Handhabung des Bootes und seiner Technik sollen ab 2014 an Bord sein.

Als historische Begleitlektüre zu empfehlen: „Schrimm, Schroda, Bomst” von Gabriele Hornung (ISBN 3-923511-01-9) und „Zwischen Weichsel und Warthe” von Heinz Csallner (Edition Dörfler im Nebel Verlag, Utting).

JERONIMO-Bootsdaten: VISTULA CRUISER 30; Baujahr 2012; Länge 9 Meter; 2,92 Meter Breite; 0,45 Meter Tiefgang; 2,0 Meter Stehhöhe in der Kabine; 25 PS-Yamaha-Außenbord-Benziner (Schraube zum Reinigen von Wasserpflanzen hochklappbar); 2 bis 4 Liter-Benzin-Verbrauch (95 Oktan) pro Stunde (je nach Fahrtstufe bzw. Stromrichtung); Geschwindigkeit: 10 bis 12 Stundenkilometer; überdachter Außenfahrstand; Echolot; maximal 6 Schlafplätze für Erwachsene in zwei Doppelkabinen sowie 2 im Salon (optimal von den Platzbedingungen her wären 2 Einzelpersonen bzw. 2 Paare; DVDTV/CD; Küchenecke (Gasbetrieb, auch der Kühlschrank (65 l); Geschirr, Küchengeräte etc. ausreichend vorhanden), Dusche/WC, 1 Außendusche am Heck; Gas-Zentralheizung; 1 Wassertank 420 l; Ladestecker fürs Mobiltelefon (funktioniert nur bei Landanschluss in den beiden Marinas); das Fahren des Bootes ist führerscheinfrei.

Bettzeug sowie Hand- und Geschirrtücher sind mitzubringen; preisgünstig einkaufen kann man in den Marina-Orten vor der Abfahrt. Wenn man per PKW anreist, kann man sich schon zu Hause eindecken, aber in Polen ist es wesentlich günstiger und genauso gut. Kreditkarten werden akzeptiert. Geld umtauschen sollte man auch, z.B. um die Schleusungen mit jeweils 7 Zloty zu bezahlen.

Bahnstation (5 Kilometer von Drawsko entfernt) ist Krzyz Wlkp. / Kreuz: von Berlin via Kostrzyn / Küstrin (umsteigen), Gozow Wlkp. / Landsberg / Warthe erreichbar oder von Norden über Angermünde oder Pasewalk und Szczecin / Stettin (umsteigen) nach Krzyz Wlkp. Per Taxi kann man von dort nach Drawsko zur Marina fahren. Einkaufen sollte man am besten gleich in Krzyz, das eine größere Auswahl bietet.

Durch die Ausrüstung mit großen Tanks (420 l Wasser; 100 l Kraftstoff, dazu je 1 10- und 28-Liter-Reservekanistern) ist man bei einer 7-Tage-Reise relativ unabhängig. An den beiden Marinas gibt es keine Tankstellen; die liegen nur in den wenigen größeren Ortschaften, und das Kanisterschleppen ist mühselig). Vor der Abfahrt unbedingt die beiden Reservekanister auffüllen!

Tipps am Rande: Ein Handy sollte man unbedingt dabei haben, um vor Schleusen oder Brücken, wenn nötig, mit den Wärtern (sie sprechen nur Polnisch; zur Not kann man über Artur Zurawiecz Kontakt aufzunehmen bzw. sich den Text in Umschrift notieren: „prosche otwozyc sluze”, – „Bitte die Schleuse öffnen”. Die aktuellen Schleusen-Telefonnummern und Öffnungszeiten (sowie die Notfallnummer) sollte man sich vorher notieren. Vor den Schleusen gibt es keine Anlegestellen.

Lebensmittel-Vorrat am besten für eine Woche mitnehmen. In den genannten Städten kann man natürlich auch „nachbunkern”, wenn denn Anlegestellen (das gleiche gilt für Benzinnachschub) vorhanden sind (z.B. auf unserer Reise nur in Carnikow, Drawsko, Santok, Skwierzyna); Baden in (sauberem) Wasser ist übrigens kein Problem. An der Badeplattform ist eine Dusche angebracht. Die bislang noch vorhandene kurze Badeleiter sollte in tieferem Wasser nicht benutzt werden, da man dann ohne fremde Hilfe nicht mehr an Bord klettern kann.

Essen und Trinken: überwiegend an Bord. Unterwegs gibt es nur wenige Gaststätten an der Strecke.

 

Weitere Informationen und Buchung

Artur Zurawiecz, Telefon 0048-517726613; www.splywamyrzekami.pl (hier auch weitere Infos); E-Mail: ekologica.biuro@wp.pl

Preise für eine Woche (7 Tage), je nach Saison: Zeitraum: April 600 €; Mai bis Juni 900 €; Juli und August 1.200 €; September 800 €; Oktober 600 €; Anzahlung 50 Prozent; unsere Empfehlung: bis 1. Juli oder ab 1. September.

Der Charterer zahlt eine Kaution für 14 Tage vor der Übergabe in Höhe von 1.500 Zloty, die er am Ende der Reise zurück erhält, sofern es keine Schäden am Boot und seiner Ausrüstung gibt.

Der Charterer zahlt die Kosten für: Kraftstoff (etwa 350 bis 500 zł), Gas (60 zł) und Trinkwasser (50 bis 80 zł), Liegegebühren in den Häfen (20 bis 50 zł pro Tag, einige kostenlos, Schleusen-Gebühren (7 zł).

Die Reinigungsgebühr pro Boot ist obligatorisch und beträgt 150 zł. Der Charterer erhält das Boot mit vollen Kraftstoff- und Wassertanks und einer vollen Gasflasche.

Zusätzlich kann man vorher bestellen: Fahrräder (80 zł pro Woche), Kanu (200 zł pro Woche), Fernglas (60 zł pro Woche), wasserdichte HD-Webcam (100 zł pro Woche )

Mitzubringen sind außerdem: eine gute Stimmung, „weil die Abenteuer erwartet”.

Wir empfehlen Früh- und Spätsommer für eine Fahrt auf Netze und Warthe.

Empfehlung: Diese Informationen sollte man vor einer Reiseplanung unbedingt lesen bzw. ausdrucken und mitnehmen!

 

Die 
	neue Marina in Czarnkow, früher ScharnikauDie neue Marina in Czarnkow, früher Scharnikau.

Alle Leinen unserer JERONIMO sind fest, meldet Matrose Uli – Dr. Ulrich Schrader, Mitfahrer und Kollege des SkippersAlle Leinen unserer JERONIMO sind fest, meldet Matrose Uli – Dr. Ulrich Schrader, Mitfahrer und Kollege des Skippers.

Der Salon der JERONIMO mit vorderer Schlafkabine für 2 PersonenDer Salon der JERONIMO mit vorderer Schlafkabine für 2 Personen.

 

Steuermannsmaat 
	Uli genießt das Abendessen im SalonSteuermannsmaat Uli genießt das Abendessen im Salon.

Ein- 
	und Ausfahrt der Marina von Czarnkow/ScharnikauEin- und Ausfahrt der Marina von Czarnkow/Scharnikau.

 

Erste 
	Probefahrt bis zur Grenzbrücke in Czarnkow/ScharnikauErste Probefahrt bis zur Grenzbrücke in Czarnkow/Scharnikau.

JERONIMO mit Skipper und Autor Dr. Peer Schmidt-Walther in voller Fahrt Netze-talwärtsJERONIMO mit Skipper und Autor Dr. Peer Schmidt-Walther in voller Fahrt Netze-talwärts.

Geruhsame 
	Fahrt durch die Netze-EndmoränenGeruhsame Fahrt durch die Netze-Endmoränen.

 

Schleuse 
	Kreuz – die letzte zu Tal – zeigt grün, Einfahrt freiSchleuse Kreuz – die letzte zu Tal – zeigt grün, Einfahrt frei.

Einziger 
	Leuchtturm an der Netze steht in der Schleuse von KreuzEinziger Leuchtturm an der Netze steht in der Schleuse von Kreuz.

 

JERONIMO in der Uralt-Schleuse von KreuzJERONIMO in der Uralt-Schleuse von Kreuz.

Der Schleusenwärter von Kreuz bedient 110-jährige preussische 
	Technik
Der Schleusenwärter von Kreuz bedient 110-jährige preussische Technik.

Das Kielwasser sprudelt in der Netze unter einem endlosen Himmel

Das Kielwasser sprudelt in der Netze unter einem endlosen Himmel.

Startender 
	Schwan auf dem spiegelglatten Wasser des Netze-UnterlaufsStartender Schwan auf dem spiegelglatten Wasser des Netze-Unterlaufs.

 

Haufenwolken 
	spiegeln sich in der NetzeHaufenwolken spiegeln sich in der Netze.

Sonnenuntergang über dem Netzebruch

Sonnenuntergang über dem Netzebruch.

hr
Vorige Seite Inhaltseite   Vorschau/Impressum Nächste Seite