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HAUSBOOT-URLAUB-AUSGABE-3-2014 

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Idylle an der Marina Stolpsee Bootshaus.Idylle an der Marina Stolpsee Bootshaus.

 

Dr. Dietrich Hub

Mit dem 13-Meter-Hausboot unterwegs

auf der Mecklenburger Seenplatte

Gegensätzlicher könnte eine Region kaum sein. In einem Haus in Himmelpfort − kaum 100 Meter von der Schleuse entfernt − befindet sich das „Weihnachtspostamt”. Jedes Jahr um die Weihnachtszeit schicken etwa 300.000 Kinder dorthin Briefe an den Weihnachtsmann − und der und seine Helfer beantworten die Briefe auch.  Nur wenige Kilometer entfernt davon befindet sich hingegen eine internationale Jugendbegegnungsstätte − in einem der Aufseherinnenhäuser des ehemaligen Konzentrationslagers Ravensbrück. Und auch das Mysterium des Stolpsees direkt vor Himmelpfort hat etwas mit diesem Konzentrationslager zu tun. Hier soll Reichsmarschall Hermann Göring im Frühjahr 1945 durch KZ-Häftlinge 16 Kisten mit Raubgold und anderen Schätzen versenkt haben. Gesucht haben schon viele danach, zuletzt noch im Jahr 2013, fündig wurde aber noch keiner.

Mit einem Hausboot sind wir unterwegs in Nordbrandenburg. Ventelou heißt die Charterfirma, von der wir ein stattliches Boot gemietet haben. 43 Fuß, also 12,9 Meter lang ist die Tarpon namens ROBERT SCHUMANN, mit der wir eine Woche lang unterwegs sind. Bequemer als in einem großen Hausboot kann man eigentlich nicht reisen, denn die schwimmende Ferienwohnung fährt einfach mit. Abgesehen davon, dass ein Wohnmobil niemals die Atmosphäre eines Schiffes erreichen kann: Auch ein großes Wohnmobil bietet maximal den halben Platz eines Hausbootes. Denn im Hausboot hat man ja nicht nur den Wohnbereich innen, sondern auch große Freiflächen. Das Achterdeck wird von unverständigen Landratten auch Terrasse genannt, zusätzlich gibt es auf dem Salondach und dem Bugbereich weitere Flächen zum Sonnenbaden.

Für Sportboote in Deutschland gibt es seit 2013 allen Ernstes weniger Einschränkungen als vorher: Mit wenigen Ausnahmen wie auf dem Rhein und auf dem Bodensee dürfen alle Boote bis 15 PS ohne Führerschein gefahren werden. Bis 2012 lag die Grenze noch bei schlappen 5 PS. Im Straßenverkehr kann man von einer solchen Liberalisierung nur träumen: So dürfen heutige Führerscheinaspiranten mit dem ehemaligen „3er-Führerschein” nur noch Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen und nicht wie früher bis 7,5 Tonnen fahren. Auf dem Wasser ging’s erfreulicherweise in die andere Richtung. Für Hausboote gelten Sonderregelungen: Auf fast allen Hausbootrevieren Deutschlands darf man führerscheinfrei − d.h. nach einer dreistündigen Einweisung an der Charterbasis − unterwegs sein, auch wenn das Hausboot deutlich höher motorisiert ist. Nur in Berlin bleibt es für alle Boote mit mehr als 15 PS bei der Pflicht zum Sportbootführerschein Binnen.

Das Weihnachtspostamt in Himmelpfort lässt sich die Deutsche Post einiges kosten − und die Kinder freuen sich. Das ganze Jahr über ist eine kleine Ausstellung geöffnet. Kinder können sehen, wie der Weihnachtsmann wohnt. Selbstverständlich sieht man auch den Schreibtisch, von dem aus er seine Post beantwortet. Unsere vier Kinder sind begeistert vom Ambiente in diesem Haus. Und sie schreiben auch gleich Briefe an ihn − wohlwissend, dass er diese erst in der Weihnachtszeit beantworten wird. Für Hobbykapitäne ist das Weihnachtspostamt in Himmelspfort übrigens sehr einfach zu erreichen: Einfach das Boot im Wartebereich des Unterwassers der Schleuse Himmelspfort festmachen. Von dort aus erreicht man zu Fuß in wenigen Minuten das Weihnachtspostamt.

In Fürstenberg begann unsere Hausboottour. Fürstenberg hat mit seiner einzigartigen Lage zwischen drei Seen, dem Röblinsee, dem Schwedtsee und dem Baalensee das Zeug zur Wassersportmetropole Brandenburgs. Seit 2013 führt Fürstenberg offiziell den Titel „Wasserstadt” vor dem Ortsnamen. Und doch leidet dieses Dorf wie wohl fast jeder Ort in Brandenburg an Auszehrung. Die Natur um die Stadt herum ist traumhaft, die Ortsmitte weniger. Traurige Berühmtheit erlangte der Ort durch das Konzentrationslager Ravensbrück am Ostufer des Schwedtsees. Tausende Frauen mussten hier während der NS-Zeit Zwangsarbeit leisten − politische Gegnerinnen des Regimes, Zeuginnen Jehovas und sonstige Frauen, die dem Nationalsozialismus ein Dorn im Auge waren. 20 bis 30.000 Frauen sind im Konzentrationslager Ravensbrück gestorben.

Heute ist das ehemalige Konzentrationslager ein Dokumentationszentrum. Die DDR-Vergangenheit ist ebenfalls noch präsent: Durch diverse verwahrloste Häuser und, auch das muss sein, ein Rote-Armee-Ehrenmal mit sowjetischem Panzer.  

Auch der Stolpsee direkt neben Fürstenberg ist von der NS-Zeit geprägt − und zwar bis heute. Tatsächlich oder angeblich hat Obernazi Hermann Göhring im Stolpsee 16 Kisten mit Gold und anderen Wertgegenständen versenken lassen. Göhrings Landgut Carinshall befand sich etwa 40 Kilometer südöstlich des Stolpsees. Göring war auch „Reichsjägermeister” − dafür lag sein Landgut ideal, zumal er ab 1942 nur noch wenig Einfluss auf die politische Führung hatte und sich häufig in Carinshall aufhielt. Nach wie vor aktiv war Göhring jedoch als Kunsträuber. In Carinshall hortete er Kunstwerke und auch Raubgold. Von dort aus habe Göhring das Edelmetall an den Stolpsee bringen lassen, damit es nicht den heranrückenden Sowjettruppen in die Hände falle. Häftlinge aus Ravensbrück sollen die Kisten in Booten auf den See hinausgefahren und dort auf Geheiß versenkt haben. Anschließend seien die Häftlinge direkt am Ufer von SS-Männern erschossen worden.

Nach anderen Berichten seien lediglich Dokumente aus dem Konzentrationslager Ravensbrück im See versenkt worden. Schon zu DDR-Zeiten wurde nach dem Nazi-Schatz im See gesucht. 2013 gab es eine erneute Tauchexpedition unter der Leitung von Israelis. Fündig wurde freilich weder die Stasi noch die aktuelle Expedition. Durch seine geringe Tiefe von nur 13 Metern ist der See zwar recht einfach zu betauchen. Doch auf dem Grund hat sich seit 1945 meterdicker Schlamm abgelegt, so dass es keineswegs einfach wäre, versenkte Kisten zu finden.   

Ob dieser Nazischatz im See ein Mythos oder Realität ist, kümmert uns auf dem Hausboot wenig. Wir genießen den Urlaub im Wassersportparadies Brandenburg. Das Revier, in dem einstmals Berufsschiffer Waren transportierten, wurde schon lange von Sportbootfahrern übernommen. Anders als auf französischen Kanälen fährt man hier keineswegs zwischen Betonmauern gerade aus, sondern die vielen miteinander verbundenen Seen bieten allen Freizeitkapitänen riesige Möglichkeiten. Anders als am Bodensee hat man in Brandenburg einfach viel Platz. Die Region ist Natur pur − erst recht auf dem Wasser. www.hausboot.com 

www.hausboot.com macht’s möglich, für eine Woche Hobbykapitän zu sein.www.hausboot.com machts möglich, für eine Woche Hobbykapitän zu sein.

Schöner Familienurlaub in trauiger Umgebung: Im Hintergrund das Konzentrationslager Ravensbrück.Schöner Familienurlaub in trauiger Umgebung: Im Hintergrund das Konzentrationslager Ravensbrück.

 

Als Nachwuchskapitänin unterwegs auf der Mecklenburger Seenplatte.

Als Nachwuchskapitänin unterwegs auf der Mecklenburger Seenplatte.

Die Schleuse Himmelpfort wird in Selbstbedienung betrieben – wobei Selbstbedienung nur heißt, an einem Hebel zu ziehen. Die Schleuse Himmelpfort wird in Selbstbedienung betrieben – wobei Selbstbedienung nur heißt, an einem Hebel zu ziehen.

Im Weihnachtsmannhaus in Himmelpfort, direkt gegenüber der Schleuse. Im Dezember wird der Weihnachtsmann die hier geschriebenen Briefe beantworten. Im Weihnachtsmannhaus in Himmelpfort, direkt gegenüber der Schleuse. Im Dezember wird der Weihnachtsmann die hier geschriebenen Briefe beantworten.

Für Leichtmatrosen besteht außerhalb der Kajüten Schwimmwestenpflicht.

Für Leichtmatrosen besteht außerhalb der Kajüten Schwimmwestenpflicht.

 

Und die Mannschaft – genauer Frauenschaft – ist gut geübt, wie man das Boot in der Schleuse sichert.Und die Mannschaft – genauer Frauenschaft – ist gut geübt, wie man das Boot in der Schleuse sichert.

Auf Knopfdruck geht es abwärts: An der Schleuse Steinhavel gibt es noch einen Schleusenwärter.Auf Knopfdruck geht es abwärts: An der Schleuse Steinhavel gibt es noch einen Schleusenwärter.

Traurige Vergangenheit: Denkmal für die Opfer des Konzentrationslagers Ravensbrück.

Traurige Vergangenheit: Denkmal für die Opfer des Konzentrationslagers Ravensbrück.

Die großen Schwestern sind schon recht geübt im Umgang mit Ruder und Fahrhebel.Die großen Schwestern sind schon recht geübt im Umgang mit Ruder und Fahrhebel.

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