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Früh am Morgen verlassen die ersten Lkw in Swinoujscie das Schiff. |
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Kai Ortel Mit alten und neuen Fähren nach Schweden Impressionen einer Winterreise nach Trelleborg |
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Es hat sich
einiges geändert im Fährverkehr nach Schweden im letzten Jahr. Die
ehemaligen Scandlines-Fähren nach Trelleborg werden nun von der Stena Line
betrieben, und der Konkurrent TT-Line bietet mit der Linie
Trelleborg-Swinoujscie gleich noch eine neue Verbindung nach Schweden an. Von Sassnitz nach Trelleborg Die TRELLEBORG der
Stena Line liegt bereits seit ihrer mittäglichen Ankunft aus Trelleborg um
12:30 Uhr an ihrem Anleger, aber beladen für die Rückfahrt wird sie erst am
Nachmittag. Außerdem heißt es von der Dame am Schalter: „Bitte dann noch mal
Platz nehmen, ich weiß nämlich nicht, ob die TRELLEBORG heute überhaupt die
Gangway benutzt oder nicht”. Aha. Also Warten. Um 15:15 Uhr schließlich,
eine Stunde vor der Abfahrt, hat das Warten ein Ende, als die Dame erklärt,
dass es statt über die Gangway mit dem Lieferwagen an Bord gehe. Mit diesem
werden die Fußpassagiere an jener Bushaltestelle abgeholt, an der sie eine
Dreiviertelstunde zuvor erst angekommen waren und über die Autobrücke auf
die Fähre gebracht. Abgesetzt wird man auf dem oberen Frachtdeck (Deck 5)
des Schiffes, von wo aus die Passagiere über eine steile und schmale Treppe
hinauf in die öffentlichen Räume des Schiffes gelangen. Dort hat sich einiges getan, seit die davor von
Scandlines betriebene Linie Ende 2012 von der Stena Line übernommen worden
ist. Das grummelige „Moin”, mit dem man zuweilen auf der deutschen SASSNITZ
begrüßt wurde, ist auf dem jetzigen Stena Line- Schiff ein fröhliches „Hej
Hej”, das einem auf Deck 7 zwei junge dynamische schwedische Damen in
schneeweißen Stena Line-Blusen zuschnattern. Auch den nüchternen
Mitropa-Charme ihrer deutschen Partnerfähre lässt die TRELLEBORG vermissen,
jedenfalls verfügen auf diesem Schiff sogar die Gepäck-Schließfächer über
kleine Bullaugen-Fenster, während man mit dem Einsatz von Linoleum auf der
schwedischen Fähre wesentlich sparsamer gewesen ist als auf der deutschen.
Über die Arkade auf dem Hauptdeck des Schiffes führt stattdessen ein Gang
aus glänzendem Parkett-Imitat, Sessel und Teppichböden kommen in kräftigen
Rot- und Blautönen daher, und überall in den öffentlichen Räumen duftet es
frisch geputzt, was es wahrscheinlich auch ist. Zumindest unter Deck macht
die TRELLEBORG nicht den Eindruck einer 32 Jahre alten Fähre.
Hinsichtlich der Vergangenheit des Schiffes sind die
Schautafeln auf der Arkade von Interesse, welche die Geschichte der
„Königslinie” und ihrer Schiffe erzählen. Keine Frage: Es ist eine durchaus
ruhmreiche Geschichte, von der die Aufnahmen zeugen, denn vor allem kurz
nach der Wende, als die Schiffe noch relativ neu waren und die Freude über
die neu gewonnene Reisefreiheit groß gewesen ist, war auch der „Sprung” über
die Ostsee überaus beliebt. Fast eine Million Passagiere zählte die Linie
Sassnitz-Trelleborg im Einheitsjahr 1990, dazu 128.000 Autos und 46.000
LKWs/Trailer. Zwölf Jahre später ist davon nicht mehr als die Hälfte
geblieben: 506.000 Passagiere und 21.000 LKWs/Trailer waren es 2012, nur die
PKW-Anzahl ist über die Jahre hinweg mehr oder weniger konstant geblieben.
Pläne für neue Schiffe hat es zwischendurch gegeben, doch die sind wieder in
der Schublade verschwunden; zu ungewiss war jedes Mal das langfristige
Überleben der Route, die sich seit nunmehr 20 Jahren gegen Konkurrenz sowohl
im Westen (Rostock) als auch im Osten (Swinoujscie) wehren muss.
Der Winter-Nachmittag an der Nordspitze Rügens ist
sonnig und mild, als kurz nach 16 Uhr dicker schwarzer Rauch aus dem
Schornstein der TRELLEBORG aufsteigt, untrügliches Zeichen der unmittelbar
bevorstehenden Abfahrt. Und tatsächlich – um 16:12 Uhr sind die Leinen los,
drei Minuten vor der fahrplanmäßigen Abfahrt nach Schweden. Doch anders als
in Rostock oder Travemünde gibt es hier keine Revierfahrt, die kostbare
Minuten raubt, ehe es raus auf die Ostsee geht. Kap Arkona ist schnell
passiert, da kehrt auch schon Ruhe ein auf dem Schiff. Denn wo es kein
Unterhaltungsangebot und nur einen bescheidenen kleinen Shop gibt, kann man
nach Herzenslust sein Mittagessen im neu gestalteten „Food City”-Restaurant
auf eine, zwei oder auch drei Stunden Dauer ausdehnen. Im Design hat die
Stena Line diesen Raum an Bord übrigens längst an den Rest der Flotte
angepasst und die Wände mit Bildern internationaler Sänger und Künstler
dekoriert. Eigentlicher Star ist hier jedoch die Ostsee, denn das Restaurant
der TRELLEBORG bietet, zumal wenn nur spärlich bevölkert, eine herrliche
Sicht über den Bug des Schiffes in Fahrtrichtung. Ähnlich gemütlich ist
jedoch auch der achtere Salon, der, ebenfalls ganz im neuen Stena Line-Look,
als „C-View-Lounge” daherkommt und dem praktischerweise auch gleich eine
kleine Bar angegliedert ist. Deck 7 verlassen
sollte man während der Fahrt allerdings nicht, andernfalls macht man mit
einigen Anachronismen Bekanntschaft, welche die TRELLEBORG mehr oder weniger
sinnlos durch die Gegend fährt. So befindet sich auf Deck 8 eine Reihe von
Konferenzräumen, die offenbar schon längere Zeit nicht mehr als solche
Verwendung gefunden haben. Und das Kino, das auf demselben Deck ebenfalls
ausgeschildert ist, lässt sich erst gar nicht finden, von Film-Vorführungen,
die der Tagesfahrt nach Trelleborg das gewisse Etwas verleihen könnten, ganz
zu schweigen. Besonders aufregend ist die vierstündige Fahrt nach Trelleborg am Ende jedenfalls nicht, denn auch die Besatzung macht sich zwischen Ablegen und Ankunft rar. Erst eine halbe Stunde vor Trelleborg kommt allmählich wieder Leben in das Schiff, als die Auto- und LKW-Fahrer aufgefordert werden, ihre Fahrzeuge aufzusuchen. Doch auf diese Durchsage folgt eine weitere, weitaus merkwürdigere: „All train passengers please make their way to the train”. Bahnreisende? Zwar gibt es mittlerweile mit dem „Berlin Night Express” wieder einen (privat betriebenen) Direktzug von Berlin nach Malmö, der nimmt in Mukran aber die Morgenfähre nach Schweden, und von dem einstigen Angebot der staatlichen Bahnbetriebe ist dieser eine Zug ebenfalls meilenweit entfernt. Ansonsten rollen (wenn überhaupt) höchstens noch Güterzüge über die Gleise tief unten auf Deck 3 der TRELLEBORG.
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In Trelleborg fährt
der Shuttle-Bus nicht direkt aufs Schiff, stattdessen setzt er seine Gäste
am Heck der Fähre ab, wo die Tickets und Bordkarten kontrolliert werden.
Darüber hinaus wird hier eines schnell offensichtlich: Mit Deutsch und
Schwedisch kommt man auf der NILS DACKE nicht mehr weit, seit sie unter
polnischer Flagge fährt. Englisch ist gut, Polnisch noch besser, wenn man
wissen möchte, wann und wie es an Bord geht. Nach einer kurzen Wartezeit
kommt aber schon der Marschbefehl, und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Denn egal ob mit Gepäck oder ohne – an Bord geht es zu Fuß, zuerst über die
Heckrampe und dann einmal über das ganze Frachtdeck 3, ehe man ein
Treppenhaus erreicht, das nach oben in die öffentlichen Räume führt. Ganz
sicher, ob jenes Treppenhaus auch das richtige ist, ist man sich allerdings
nicht, denn den Wänden fehlt hier jegliche Verkleidung oder Dekoration, so
dass der Aufgang eher wie das Innere eines Raumschiffes anmutet, als der
Empfangsbereich eines Passagierschiffes. Doch wie gesagt – eigentlich
befinden wir uns ja hier auf einer Frachtfähre, und so eng und steil wie
vorher auf der TRELLEBORG ist die Treppe diesmal zum Glück auch nicht. Dafür herrscht oben
auf Deck 7 schon erstaunlich viel Betrieb für eine Frachtfähre, offenbar ist
die Freitagabendabfahrt nach Polen gut gebucht. Viele LKW-Fahrer sind an
Bord, aber auch überraschend viele Familien; die neue Route muss sich also
sowohl in Schweden als auch in Polen schnell herumgesprochen haben. Wer
bisher als Passagier nach Swinoujscie wollte, musste auf schwedischer Seite
nach Ystad fahren, wo die Fähren von Unity Line und Polferries ablegen;
Trelleborg hingegen scheint für viele bequemer erreichbar zu sein. Voll sind auch die
Frachtdecks der NILS DACKE, jedenfalls werden sie es allmählich. An eine
pünktliche Abfahrt ist da nicht zu denken, zu viele LKW stehen noch in
langen Schlangen auf dem Kai und warten darauf, an Bord fahren zu können.
23:30 Uhr vergeht und dann auch Mitternacht, ohne dass die vertrauten
Vibrationen durch das Schiff gehen. Zeit genug also, sich kurz zu stärken
und das Schiff in Augenschein zu nehmen. Herzstück des 1995
in Finnland gebauten TT-Liners ist die Cafeteria mittschiffs auf Deck 7,
deren bunt gemusterter Teppichboden genauso gefällt wie die fröhlich grünen
Stühle und die vielen (echten) Pflanzen. Auch eine kleine LEGO-Spielecke für
die jüngeren Passagiere gibt es und einen „Captain’s Choice Shop”, der neben
Schnaps und Schokolade sogar ein paar interessante Schweden- und
TT-Line-Souvenirs bereithält. Nur die Kassentechnik hat die Umstellung auf
Zloty noch nicht ganz reibungslos verkraftet. Da erfolgt die Umrechnung an
der Kasse schon mal mit dem Taschenrechner, und Quittungen und Tüten gibt es
irgendwie auch nicht. Die Umstellung
hinter sich hat dagegen bereits die Cafeteria, deren Beschilderung schon
konsequent von Schwedisch/Deutsch auf Polnisch/Englisch geändert worden ist.
Ebenfalls neu an Bord ist ein Raum mit Schlafsesseln auf Deck 8, der zuvor
eine Reihe von Spielautomaten beherbergt hat. Doch bequemer sind natürlich
die 163 Kabinen der Schwedenfähre. Auch die kommen in frischem Grün daher,
sind überaus geräumig und sauber sowieso. Darüber hinaus hängt in Kabine
7025 ein Alsterpanorama über dem Nachttisch – eine schöne Reverenz an die
Bauzeit der NILS DACKE, in der die TT-Line ihren Hauptsitz noch in Hamburg
hatte. Die Treppenhäuser hingegen zieren großformatige Aufnahmen
schwedischer Seenlandschaften, während die Wände in den öffentlichen Räumen,
auch dies ein schönes Detail, Gemälde mit maritimen Motiven und historischen
Wikinger-Artefakten schmücken. Über den Namensgeber des Schiffes informiert
übrigens eine kleine Biografie in den Kabinenkorridoren. Um 0:10 Uhr
schließlich macht die NILS DACKE in Trelleborg die Leinen los. Eine
Durchsage gibt es noch (ebenfalls in Polnisch und Englisch) darüber, dass um
5:30 Uhr die Cafeteria für das Frühstück ihre Türen öffnet und dass um 6:00
Uhr ein „general wake up call” erfolgen wird, dann kehrt auch schon Ruhe ein
an Bord. So lang ist die Nacht dann nämlich auch wieder nicht, selbst wenn
sich der eine oder andere Hoffnung macht, dass das Schiff seine Verspätung
nicht aufholt und ihm so noch ein paar Minuten mehr Schlaf beschert als
vorgesehen. Diese Hoffnungen
werden allerdings am nächsten Morgen gleich durch zweierlei Dinge
enttäuscht. Zum einen erfolgt der „general wake up call” statt um 6:00 Uhr
schon um 5:30 Uhr (da ist jedoch das halbe Schiff ohnehin schon längst auf
den Beinen), zum anderen hat die NILS DACKE ihre Verspätung während der
Nacht komplett aufgeholt und passiert um 6:00 Uhr früh bereits den
Leuchtturm und die Hafeneinfahrt von Swinoujscie. Draußen an Deck nieselt es, während die Fähre das Treibeis in der Flussmündung zur Seite schiebt, ehe sie die POLONIA passieren lassen muss. Das Frühstück an Bord fällt daher in den meisten Fällen äußerst kurz aus, denn wenig später müssen die LKW- und Autofahrer auch schon zu ihren Fahrzeugen. Nur die Fußpassagiere können sich wieder ein paar Minuten mehr Zeit lassen. „I have to guide you”, sagt plötzlich fröhlich, aber resolut eine junge Dame an der Rezeption – ohne Begleitung also kein Weg runter zum Frachtdeck. Doch das ist ganz gut so, denn zwischen den vielen Lastwagen fällt nicht nur die Orientierung schwer, sondern auch das Vorankommen selber. „It’s a bit scary, isn’t it?”, ruft die Dame mit der gelben Warnweste jedoch munter – und erreicht mit ihrer kleinen Karawane sicher den Bugbereich des Schiffes. Von hier aus geht es dann aber alleine weiter – hinaus in die Februarkälte der Hafenstadt zwischen Usedom und Wolin. Stena Line · TT-Line |
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Die Anzahl Fahrzeuge auf dem Autodeck der TRELLEBORG ist an Winternachmittagen überschaubar. |
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Die Einrichtung der Cafeteria wurde
bei der letzten Renovierung an den Standard der übrigen Stena
Line-Flottenmitglieder angepasst. |
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Lange LKW-Schlagen sorgen dafür, dass sich
die 23:30 Uhr-Abfahrt der NILS DACKE nach Swinoujscie um fast 45 Minuten
verzögert. |
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Im Hafen von Trelleborg wird die NILS DACKE
über das Heck entladen. |
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