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Ankunft auf Menorca nach 36-stündiger Überfahrt. |
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Sabine Umla-Latz Im Einklang mit der Zeit – Segeltörn von Sardinien nach Mallorca |
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Yachtsegeln ist schön, macht aber viel Arbeit. Nicht so auf dem 54 Meter langen Zweimaster CHRONOS: Hier kann man das Segeln genießen und sich gleichzeitig wie in einem Hotel verwöhnen lassen. Und wer einmal erleben möchte, wie sich eine 370 Kilometer lange Überfahrt übers Meer anfühlt, ist bei der Profi-Crew in sicheren Händen. Als Skipper Ron Veerman mit Seekarte und dem Ausspruch „Captain Speaking” im Sitzbereich auf dem Achterdeck erscheint, ahnen die 24 Gäste an Bord: Jetzt wird es offiziell. Nun kommt die Ansage zur Route des Tages – präsentiert mit typisch holländischer Lockerheit und nicht ohne ein Augenzwinkern. Wir haben unsere erste Nacht an Bord der CHRONOS vor Anker in der Bucht von Portisco in Sardinien verbracht, nun heißt es in Kürze „Segel setzen”. Der Abend davor galt dem gegenseitigen Kennenlernen vor atemberaubender Kulisse: Die malerische Bucht und die dahinterliegende Bergkette waren in dramatische Gewitterfarben getaucht, eingerahmt von einem prachtvollen Regenbogen. Der Sonntagmorgen ist klar und sonnig, ein leichter Wind steigert die Vorfreude aufs Segeln. Kapitän Ron erklärt seinen Plan, den er aufgrund der Wetterprognose gefasst hat: Da am Mittwoch der aus Frankreich kommende Mistral vorhergesagt ist, schlägt er vor, schon heute Abend die Überfahrt nach Menorca zu starten. Rund 200 Seemeilen, also 370 Kilometer Wasser liegen zwischen den beiden Mittelmeerinseln. Auf stürmischen Wind und richtig hohen Seegang können wir bei der etwa 36 Stunden dauernden Überfahrt gerne verzichten. Die Vorstellung, über einen so langen Zeitraum kein Land zu sehen, ist für manche der Gäste auch bei freundlichen Bedingungen schon eine kleine Herausforderung.
Bunt gemischte Gruppe Die Gruppe der Mitsegler ist bunt zusammengesetzt, von fünf bis 65 Jahre alt, Paare, Familien, Singles – alles dabei. Hinzu kommen die zehn Besatzungsmitglieder, vom erfahrenen Seemann bis zu den jungen Damen im Service, die für ein paar Monate auf dem Schiff angeheuert haben. Man darf gespannt sein, wie das Häuflein Menschen innerhalb der kommenden Woche zusammenwachsen wird. Mit einem ratternden Geräusch wird der Anker gehoben, und mithilfe großer, elektrischer Winschen hat die Crew bereits nach kurzer Zeit die Segel gesetzt. Schon zeigt die Logge eine Geschwindigkeit von 8,7 Knoten. Ein ordentliches Tempo für eine Segelyacht, und das bei nur recht leichtem Wind. Der erste Schlag führt vorbei an der schönen Landschaft des Maddalena-Archipels und durch die Meerenge zwischen Sardinien und Korsika, die Straße von Bonifacio.
Segel-Blabla mit Strohhut Neuigkeiten und Ankündigungen zum Programm erfahren die Gäste von einer Tafel auf dem Achterdeck. „Nach dem Mittagessen Segel-Blabla” steht gleich am ersten Tag darauf. Steuermann Nico, eine echte „Berliner Schnauze” mit blondem Pferdeschwanz und auch bei Wind wie angewachsen sitzendem Strohhut, übernimmt diesen Part. Auf launige Weise, aber dennoch fundiert, macht er uns „Landratten” mit den wichtigsten Begriffen des Segelns bekannt. So lernen wir zum Beispiel: Spuckst du nach Lee, geht’s in’n See. Das kann und sollte man sich merken – für den Fall, dass jemand seekrank wird. Vor der großen Überfahrt machen wir im Nordwesten von Sardinien einen ersten Badestopp in einer Bucht mit außergewöhnlich schönen Felsformationen. Man kann schwimmen, schnorcheln, von Deck ins Wasser springen – ein fröhlicher Spaß. Dem siebenjährigen Darian gelingt es, eine Dorade zu angeln, die Schiffskoch Thomas ihm später fürs Abendessen zubereitet. Was für ein Erfolgserlebnis für den „Leichtmatrosen”. Um cirka 18 Uhr verlassen wir dann endgültig das Land in Richtung Westen. Nach und nach erscheint die sardische Küste immer schemenhafter, bald werden wir nur noch Wasser um uns herum haben. Schon ein seltsames Gefühl. Wir sind gerade beim Abendessen, als plötzlich jemand ruft: „Delphine!” Schnell bewaffnen wir uns mit Kameras, Kapitän Ron dreht bei, und bald sind sie ganz nah am Schiff, schwimmen direkt unter der Wasseroberfläche dicht am Bug voraus … bis die verspielten Meeressäuger nach einiger Zeit wieder verschwunden sind. Langsam geht die Sonne unter, es wird dunkel. Der Mond wirft einen breiten und hellen Streifen aufs Wasser, jemand sagt: „Wie flüssiges Quecksilber.” Die Sterne am Himmel werden immer mehr, je länger man hinschaut. Und hinter dem Schiffsheck kann man das faszinierende Meeresleuchten im Kielwasser beobachten: Die im Seewasser befindlichen Kleinstlebewesen, Plankton genannt, senden Lichtsignale aus, die durch den Berührungsreiz an der Schiffsschraube ausgelöst werden. Auf diese Weise entsteht im Wasser ein kleines Feuerwerk aus grünlich lumineszierenden Flecken. Es herrscht Flaute, kein Windchen weht. Also erfolgt die Überfahrt per Motor, mit etwa sieben Knoten Geschwindigkeit. Die Entdeckung der Langsamkeit. Die Meeresoberfläche ist spiegelglatt, dennoch gibt es eine sogenannte alte Dünung mit langgezogenen, eineinhalb Meter hohen Wellen. Diese sorgt die ganze Nacht über für ein gleichmäßiges Schaukeln, was manchen Gästen doch ein wenig auf den Magen schlägt. Um die Übelkeit zu überwinden, schlägt Ron am nächsten Vormittag einen „Badenstop” – wir erfreuen uns immer an dem holländisch charmanten „n” in der Mitte – vor. Das Ganze findet statt bei einer Meerestiefe von 2.300 Metern. Die Kinder, die sich naturgemäß keine Gedanken um etwaige Gefahren machen, sind als erste im Wasser. Die Erwachsenen springen hinterher. Was folgt, ist ein geradezu surreales Badeerlebnis, das sicherlich niemand so schnell vergessen wird. |
Erfüllt von der Weite des Horizonts Chronos ist in der griechischen Mythologie der Gott der Zeit. Er versinnbildlicht den Ablauf der Zeit. Nie scheint der Name unseres Schiffs besser zu passen als jetzt. Langsam gleiten wir dahin, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und wieder bis zum Sonnenaufgang. Man lebt im Hier und Jetzt, die gegenwärtigen Eindrücke lassen keinen Platz für Gedanken an einen anderen Ort, eine andere Zeit. Als jemand, der so etwas zum ersten Mal erlebt, bin ich vollkommen erfüllt vom Anblick der Leere und Weite bis hin zum Horizont. Wir zählen die Schiffe: Über den ganzen Tag verteilt sehen wir in der Ferne vier Containerschiffe und eine Segelyacht. Ein Flugzeug hinterlässt am Himmel Kondensstreifen. Ansonsten rundherum ausschließlich blaues Meer und blauer Himmel. Einfach überwältigend. Ein weiterer „Badenstop” bei 2.700 Metern Meerestiefe reißt uns irgendwann aus der Ruhe. Jemand hat im Wasser ein Tier entdeckt: Eine Schildkröte? Als wir näher kommen, stellen wir fest, dass es keine Schildkröte ist. Aber was dann? Sieht schon ein bisschen unheimlich aus. Am Ende ist es ein mit Meerespocken besiedelter alter Eimer, den sich ein Fisch als Behausung ausgewählt hat. Durch unsere Anwesenheit gestört, schwimmt er irgendwann davon. Fischlein, wir wollten dich nicht vertreiben.
Barfuß glücklich „Land in Sicht” ‒ heißt es dann leider schon – am Dienstagmorgen. Bei einigen, die den Sonnenaufgang beobachten, früher, bei den Langschläfern etwas später. Als ich von dem sich ändernden Motorengeräusch aufwache, passieren wir bereits den Leuchtturm von Fornells auf Menorca. Wir ankern in der großen Bucht. Wer möchte, wird mit dem motorisierten Schlauchboot in den Ort gefahren, andere nutzen die Gelegenheit zum Wassersport: Wasserski, Wakeboard, Kajaks, Bananenboot … Wir haben alles dabei. Zu zweit entscheiden wir uns für eine Kajaktour zum Städtchen. Weil wir keine Schuhe dabei haben, besichtigen wir den Ort ausschließlich vom Wasser aus. An die Abwesenheit von Schuhen haben wir uns auf der CHRONOS schon so sehr gewöhnt, dass wir gar nicht daran dachten, welche mitzunehmen. Auf dem Schiff gehen schließlich alle barfuß. Inzwischen hat man die Namen der Mitreisenden ganz gut im Griff, bei Gesprächen lernt man den einen oder anderen ein wenig näher kennen. Beim Schwimmen, beim Essen, auf dem Dach des Deckshauses sitzend – es ergeben sich immer wieder neue Konstellationen und Gesprächspartner. Im Laufe der Woche wächst die Gruppe immer mehr zusammen. Wer mag, kann sich aber auch zurückziehen, findet irgendwo an Bord ein ruhiges Plätzchen ganz für sich allein oder mit einem guten Buch. Das weitläufige Teakdeck bietet genügend Raum und bequeme Liegestühle. Ein ganz besonderer Platz ist auch der Klüverbaum vorne am Bug. Um jede Minute an Bord voll auszukosten, tauschen einige Gäste ihre komfortable Kabine sogar zum Schlafen gegen einen Platz im Freien auf Deck ein.
Beim Polieren der Schiffsglocke Unser 14-jähriger Sohn ist begeistert von den Wassersport-Möglichkeiten an Bord und findet einen Gleichgesinnten. Dieser könnte zwar sein Opa sein, macht aber alles mit und gibt einen hervorragenden Lehrmeister ab. So lernt der junge Mann mal eben Wasserski und Wakeboard fahren und hört gespannt zu, wenn der Ältere von seinen Segelabenteuern erzählt. Auch in dem 18-jährigen Finn, der nach dem Abitur für ein Jahr als Deckhand angeheuert hat, hat Jonathan ein Vorbild gefunden. Gerne hilft er ihm bei Ausbesserungsarbeiten an Deck, etwa beim Schmirgeln und Lackieren einiger Holzaufbauten. Am letzten Tag, pünktlich vor dem Captain’s Dinner, poliert er schließlich noch die aus Messing gegossene Schiffsglocke auf Hochglanz. Vielleicht ist so ein Job später mal was für ihn? In ein paar Jahren werden wir sehen. Bevor wir in Richtung Mallorca in See stechen, haben wir Zeit und Gelegenheit, einige Highlights auf Menorca zu erleben: zum Beispiel die Hauptstadt Mahon, aber auch die wohl außergewöhnlichste Diskothek des gesamten balearischen Archipels: Wir ankern in der Nähe des Ferienortes Cala ’n Porter im Südosten der Insel. Hier befindet sich, eingelassen in die Steilküste hoch über dem Meer, die Höhle Cova d’ en Xoroi. Während die Tropfsteinhöhle mit ihren verschiedenen künstlich angelegten Eingängen und Räumen am Tag als Besichtigungsort und Café mit atemberaubenden Aussichten auf das tiefblaue Mittelmeer für Besucher zugänglich ist, verwandelt sie sich nach Sonnenuntergang in einen einzigartigen Tanzpalast mit internationalem Publikum. Einige Crewmitglieder und Mitsegler machen die Nacht zum Tag und genießen das bunte Partytreiben in den Discohöhlen. Die CHRONOS schaukelt derweil vor Anker am Eingang der Bucht.
Elf Knoten unter Segeln Bei der Überfahrt nach Mallorca kommen noch einmal die vollen 960 Quadratmeter Segel zum Einsatz. Elf Knoten unter Segeln – ein absoluter Genuss. Gemächlich nähern wir uns dem landschaftlich spektakulären Nordosten der Insel. Vom Wasser aus stellen wir fest: Nicht umsonst ist Mallorca so beliebt bei den Reichen und Schönen. Als wir am letzten Tag unsere Endstation Puerto Soller erreichen, beschleicht uns eine gewisse Wehmut. Niemand hat so recht Lust auf einen Landgang. Wir sitzen in Gruppen auf Deck und reden bis spät in die Nacht. Nach all den schönen Ankerbuchten parkt die CHRONOS erstmals am Kai zwischen millionenschweren Motoryachten, keine so schön und elegant wie „unser” Segelschiff. Wer sich für einen Törn mit der CHRONOS oder ihrem Schwesterschiff KAIROS interessiert, findet Informationen unter www.sailing-classics.com
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Badefreuden in der Bucht von Fornells, Menorca. |
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Steuermann Nico erklärt die wichtigsten Segel-Begriffe. |
Auch die Jugend darf mal ans Steuer. |
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Tisch gedeckt fürs Captain’s Dinner. |
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Gemütliche Atmosphäre auf dem Achterdeck. |
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Die Crew bespricht die Tagesroute. |
Alles klar für einen gepflegten Abend an Bord. |
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Unvergessliches Badeerlebnis bei 2.300 Meter Meerestiefe. |
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Kleiner Paddelausflug gefällig? |
Beim Landspaziergang zur berühmten Höhlendisco Cova d’en Xoroi. |
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Sonnenaufgang auf hoher See. |
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