Dipl.
Ing. Rainer Löber von Yachtcharter Löber in Berlin-Köpenick.
Foto: Dr.Peer Schmidt-Walther, Stralsund
Gespräch mit Dipl.-Ing. Rainer Löber von
Yachtcharter Löber, Berlin-Köpenick
PSW*: Welche Ausbildung verbirgt
sich hinter dem Dipl.-Ing.?
Löber: Dipl. Ing. Innenarchitektur
PSW: Wie kommt man dann dazu, sich
mit Yachtcharter zu befassen?
Löber: Ein klassischer Fall: vom
Hobby zum Beruf. Herangeführt an dieses Hobby hat mich 1989 während meines
Studiums der neue Gründungsdekan unserer Fachhochschule: Prof. Klaus-P.
Görge (damals auch Vorsitzender des Bundes der Innenarchitekten in
Deutschland). Damals half er nicht nur in den Wirren der Nachwendezeit
unsere Fachhochschule für angewandte Kunst Heiligendamm neu zu strukturieren
und vor der Schließung zu bewahren, sondern er nahm sich seiner neuen
Studenten aus der ehemaligen DDR mit sehr großer Fürsorge und viel
Idealismus an. Wir waren sein erstes Semester an dieser Fachhochschule, was
uns das Glück bescherte, mit seinem Segelboot, einer in Kiel liegenden
X-Yacht, mitsegeln zu dürfen. Dies taten wir dann gleich zehn Jahre in
Folge. Wir sind heute noch befreundet und meinen Drang zum Wasser habe ich
ihm zu verdanken. Dafür bin ich ihm natürlich sehr dankbar.
PSW: Worauf ist die Standortwahl
an der Dahme in Wendenschloss zurückzuführen?
Löber: Berlin-Köpenick und dort
wiederum der Ortsteil Wendenschloss gehört zu den landschaftlich schönsten
Gegenden Berlins. Zudem ist man von unserem Charterstützpunkt innerhalb sehr
kurzer Zeit in der City Berlins oder aber auch in
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allerkürzester Zeit in einem wunderbaren
Wassersportrevier, dem vermutlich schönsten und größten Wassersportrevier
Europas.
PSW: Der Start ins Geschäft war
sicher nicht leicht. Worin bestanden die Schwierigkeiten?
Löber: Es machte natürlich einige
Arbeit, die Unternehmensgruppe aufzubauen, aber es war leichter als
vermutet. Meine Nachwendegeneration hatte sehr viel Glück. Mit ein wenig
Kreativität und Willen, seine Träume umzusetzen, hatte man plötzlich
ungeahnte Möglichkeiten. Heute ist dies vielleicht nicht mehr so einfach.
Meine vor 18 Jahren neugewonnene Selbstständigkeit hatte mir zudem von
Beginn an sehr viel Freude bereitet und macht es heute noch. Zudem haben
mein Team und ich mehrere touristisch orientierte Standbeine, welche sich
gegenseitig befruchten und das Geschäftsrisiko verringern. So zum Beispiel
den Yachthafen, einen Wohnmobilstellplatz, mehrere Gästezimmer und ein
Handelsunternehmen für schmiedeeiserne Zaunanlagen, die
Zaunkönig-Wendenschloss GmbH. Letzteres ist zwar weniger touristisch
orientiert, aber wir gelten als einer der Trendsetter. Dieser Erfolg kommt
auch den anderen Betätigungsfeldern zu Gute.
PSW: Sie entwerfen das
Design Ihrer Boote selbst und lassen Sie in Holland bauen. Was hat das für
Vorteile?
Löber: Vielleicht besser so: Ich
bringe sehr viele prägnante Ideen und Gestaltungswünsche mit ein. Nicht nur
die Ästhetik und das Design sind mir wichtig, sondern auch das die Schiffe
speziell auf unsere Charterkunden „zugeschnitten” sind. Dies gelingt durch
unsere 17-jährige Erfahrung auf dem Chartersektor. Das Wohlfühlen unserer
Kunden liegt uns sehr am Herzen. Holland ist in diesem speziellen Sektor,
dem Stahlyachtbau, mit Abstand der Marktführer in Europa. Viele der großen
Werften haben jedoch leider die Zeit der Krise in den vergangenen Jahren
nicht überstanden. Sie waren meines Erachtens auf Grund ihrer Größe zu
unflexibel. Viele kleinere Familienunternehmen haben diese Zeit aber mit
sehr viel Arrangement, Flexibilität und natürlich auch Idealismus überlebt.
Mit ihnen zu arbeiten und ein Schiff gemeinsam zu entwickeln, zu gestalten,
seine eigenen Ideen und Vorstellungen mit einbringen zu können, macht mir ‒
als eigentlicher Gestalter ‒ natürlich besonders viel Spaß.
PSW: Welche Voraussetzungen
braucht man, um eins Ihrer Boote zu chartern?
Löber: Den Bootsführerschein
Motor-Binnen.
PSW: Was macht den Reiz von
Hausboot-Ferien aus?
Löber: Zurück zur Langsamkeit oder
Neudeutsch: Entschleunigung. Dies hören und sehen wir bei unseren Kunden
immer wieder. Sie kommen von der Autobahn voller Hektik, beladen in
Windeseile ihr Urlaubsdomizil und ab geht es mit Vollgas aus dem Hafen. Wenn
sie zurückkommen, geht plötzlich alles ganz ruhig und langsam von statten.
Sie sind dann sichtlich „entschleunigt”.
PSW: Welche wichtigen Tipps geben
Sie Einsteigern?
Löber: Nicht zu viel auf einmal
vornehmen. „Treiben” lassen. Sich Zeit nehmen, um die Natur und Tierwelt zu
entdecken und bewusst zu erleben. Vielleicht zum ersten Mal nicht gleich in
das „lebendige” Berlin fahren. Sofern man sich unsicher fühlt, vielleicht
noch eine Stunde Skipper-Training buchen. Dies kann man auch kurzfristig vor
Ort bei einer angegliederten Bootsfahrschule. Auch wenn es in unserem Revier
zum Glück nicht viele Schleusen gibt, welches langes Warten erspart, sollte
man sich schon Zuhause mit der Theorie des Schleusens vertraut machen.
PSW: Haben Sie ein
Lieblings-Revier?
Löber: Ja, für einen Tagesausflug
den fünfstündigen Rundtörn um unsere Müggelberge, einem beliebten
Naherholungsgebiet der stadtmüden Berliner. Und für einen Wochentörn eine
Tour von Berlin Richtung Scharmützelsee und Prominenten-Villenvorort Bad
Saarow oder auch eine Tour von Berlin zur Potsdamer Schlösserwelt und den
Havelgewässern. Hier lässt sich beides, Natur und Kultur, hervorragend
miteinander erleben. Für beide Törns stellen wir wasserbegeisterten
Berlin-Urlaubern Törn-DVDs für ihre Planung zur Verfügung. Diese kann man
auf unserer Webseite oder per Telefon anfordern.
PSW: Vielen Dank für das Gespräch
und weiterhin viel Erfolg!
*Das Interview führte Dr. Peer
Schmidt-Walther (PSW)
Info: Zu den einzelnen Touren rund um
Berlin kann man drei DVDs anfordern
www.charter-berlin.de
siehe auch
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Kriminalromane spielen seit ihrer Erfindung in der
Gegenwart des Schreibers. Da kennt man sich aus, Recherchen und Dialoge
fallen leicht. Schwieriger wird’s, wenn man weit in der Geschichte
zurückgeht. Aber auch der historische Krimi hat heute seine Meister
gefunden. Noch immer selten sind Stories, die vor Jahrhunderten beginnen und
im Heute enden, ein Verbrechen von einst wird mit einem von heute verknüpft.
Ann Rosman, Schwedin, hat sich auf dieses Feld gewagt. Ihr Krimi „Mercurium”
erschien 2012 in Malmö und zwei Jahre später in der Übersetzung von Wibke
Kuhn im Aufbau Verlag, Berlin, mit dem Titel: „Die Gefangene von Göteborg”.
Es lohnt sich, dieses Buch langsam zu lesen. Es
spielt in der Gegenwart, im Jahre 2011, und in der Vergangenheit – zwischen
1801 und 1810 in und um Göteborg. Es tauchen also mehr als die üblichen
Verdächtigen auf, deren Verwandtschaftsverhältnisse man sich schnell
einprägen sollte. Fast alle gehören wie die Ekeblads dem schwedischen
Hochadel an.
In der Gegenwart beginnt die Story um einen
sogenannten Fideikommiss. „Das Gut Stola war eines der wenigen noch
existierenden Fideikommisse in Schweden, was bedeutete, dass der Grund und
Boden ungeteilt vom Vater auf den ältesten Sohn übergegangen war. Während
die anderen Güter im Laufe der Erbfälle geteilt und immer kleiner geworden
waren, war Stola über Jahrhunderte hinweg nicht angetastet worden.” 1964
trat in Schweden ein Gesetz in Kraft, dass Fideikommisse auflöste und den
Besitz unter bisher leer ausgehende Töchter und jüngere Brüder aufteilte,
sobald der Fideikomiss-Inhaber starb.
Soweit so gut, doch dann hat der älteste Bruder der
Ekeblads etwas dagegen. Die Story der Gegenwart kann im ersten Kapitel auf
Gut Stola im November 2011 beginnen.
Danach lernen wir Metta kennen, die mit Adam Fock
eher unglücklich verheiratet ist und auf dem nahen Adelssitz Salaholm wohnt.
Es ist der 5. Oktober 1801, ein kalter Winter kündigt sich an, Metta muss
selber für Feuerholz sorgen. Und trifft dabei einen Forstmann, der sie um
Hilfe bei seiner kränkelnden Frau bittet.
Kapitel 2, wieder in der Gegenwart: Bei
Baggerarbeiten auf Klosterlyckan entdeckt der älteste Bruder, Graf
Carl-Henrik Ekeblad, einen ansehnlichen Haufen Rinderskelette aus dem
vorigen Jahrhundert. Und nutzt den Fund auf seine Weise.
Und in Kapitel 3 sind wir schließlich – im Dezember
2011 – im Hafen von Marstrand an Bord der Segelyacht ANDANTE. Karin Adler,
Kriminalkommissarin, will es sich auf ihrem Schiff gemütlich machen. Sie
ist, so die Texte auf Titel und Umschlag des Buches, „Schwedens beste
Ermittlerin”. Sie wird tätig, als auf einem Adelsfest zwei Mitglieder der
Familie Ekeblad ermordet aufgefunden werden.
Alle Stränge sind da, es kann geflochten werden –
und das geschieht mit Bravour über fast 440 spannende Seiten. Ann Rosman,
Jahrgang 1973, hat wie ihre älteren
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schwedischen Kollegen eine gehörige Portion
Gesellschaftskritik in ihre Geschichte eingearbeitet. Das erwartet man bei
Geschichten aus dem Norden.
Was einen weiteren Reiz des Buches ausmacht, sind
das Nachwort über vierzehn Seiten und die Quellen und die Danksagung.
Ein Lesevergnügen der besonderen Art.
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Ann Rosman
Die Gefangene von Göteborg
Erschienen im Aufbau
Verlag, Berlin,
ISBN 978-3-352-00877-1, übersetzt
von Wibke Kuhn
464 Seiten, Klappenbroschur
€ 14,99
Aufbau Verlag/Die Gefangene
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Tja, Hein war neulich auf der MS BERLIN beim Turn around in
Bremerhaven vom Kapitän eingeladen, konnte köstlich speisen und wurde
anschließend herumgeführt. Dabei passierte er eine große Vitrine, in der
drei große dekorative Pferdeköpfe zu besichtigen waren, offensichtlich
Abgüsse alter Vorbilder, vermutlich griechischer. Stolze Köpfe, stolze
Kopfhaltung, und gewaltige Mähnen zwischen den Ohren und am Hals. Hein blieb
beeindruckt stehen und fragte, was, bitte, sollen Pferdeköpfe auf einem
Kreuzfahrtschiff? Der Master zuckte mit den Schultern. Seit er das Schiff
führt, gäbe es diese Köpfe, aber niemand habe bisher gefragt, warum. Auch
ein weiterer Gast fand keine Erklärung. Wieder zu Hause, ließ Hein die Frage
nicht los. Was haben Pferde mit der Seefahrt zu tun? Hein nahm ein paar
Bücher in die Hand und fand keine Antwort. Er erinnerte sich an die
Rossbreiten in Äquatornähe. Auf dem Weg der Segelschiffe von Europa in die
amerikanischen Kolonien im 17. und 18. Jahrhundert verendeten bei Windstille
oder umlaufenden Winden viele Pferde, die dann über Bord geworfen wurden –
nördlich und südlich des Passatgürtels. Daher der Name Rossbreiten. Doch was
hatte das mit der heutigen Kreuzfahrt zu tun? Nichts – entschied Hein und
begann im Internet zu suchen. Er fing mit „Pferden in der Kunst” an, tastete
sich weiter in die Antike und landete bei Poseidon, dem Gott der Meere, der
bei den Römern Neptun hieß. Über den gab es nun viel zu lesen. Er war ein
Bruder des Zeus, Gott des Meeres und einer der zwölf olympischen Gottheiten.
Das Pferd war ihm heilig, und so war einer seiner Beinamen Hippios.
Seefahrer, las Hein weiter, beteten vor der Ausfahrt zu Poseidon für eine
sichere Reise und opferten ihm auch mal Pferde. Und dann fiel Hein ein, mal
irgendwo ein Bild gesehen zu haben, das auf den ersten Blick eine große,
sich brechende Welle am Strand zeigte. Beim zweiten Blick war die Welle eine
Gruppe rasender Pferde mit erhobenem Kopf und wild wehender Mähne, die
gerade auf den Strand toben wollte. Auch das Bild fand Hein im Internet und
schickte nun dem Kapitän und dem zweiten Gast eine erklärende e-mail. Das
Rätsel war gelöst. Doch Hein wird das Thema nicht los. Poseidon war ein
ruppiger Kerl, der tat, was ihm gefiel, mit Männlein und Weiblein. Sein ganz
besonderer Gegner war Odysseus. Der hatte ja, um die Trojaner zu besiegen,
sich eine List ausgedacht. Im Inneren des trojanischen Pferdes ließen
Griechen sich in die Stadt ziehen, brachen heraus, öffneten die Stadttore
und das Ende war da. Hein hatte früher immer mit Odysseus gefühlt, doch
heute fragt er sich, ob Poseidon ihm nicht näherstehe. Schließlich ist Hein
Seefahrer, der gern sicher und friedlich übers Wasser gleiten möchte.
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Tja, Hein fragt sich nach Wahlen immer wieder,
welchen Sinn ein Koalitionsvertrag macht, den die Regierungspartner für
die kommende Legislaturperiode abschließen. Dann weiß der Wähler, was ihn
erwartet, lautet die häufigste Antwort. Na ja, denkt Hein. Nach seinem
Verständnis entscheidet er sich für eine Partei nach ihrem Programm und
nach den Männern und Frauen, die dafür stehen. Er weiß natürlich, dass man
der Werbung nicht glauben darf. Politische Werbeversprechen kann man nie
einklagen. Bei Versprechen in der Wirtschaftswerbung ist die Lage anders.
Da sind Klagen möglich. Wenn sich zwei Partner zusammentun, ist klar, dass
nicht jeder sein Programm durchsetzen kann. Ein Fluss wird entweder
vertieft oder nicht. Also scheint es sinnvoll, einen Koalitionsvertrag zu
verfassen. Dennoch bleibt die Frage, was er wert ist. Er gilt ja für eine
Legislaturperiode, also mindestens vier Jahre und in denen kann sich viel
tun. Ob im Jahr drei der Regierung die Probleme noch die gleichen sind,
die man im Jahr eins fixiert hatte? Und was gilt ein politisches Programm
ohne Zahlen? Neubauten, Ausbauten, Einstellungen kosten fast immer viel
Geld. Hat man zu Beginn einer Zusammenarbeit schon alle dafür nötigen
Zahlen? Machen die nicht häufig den Partnern einen Strich durch die
Rechnung? Was nützt dann ein Vertrag? Hein hat jetzt immer wieder ein ihm
bisher unbekanntes Wort gehört: Prüfauftrag. Wenn man nicht sicher ist, ob
oder ob nicht, muss man die Lage prüfen, das versteht Hein auch. Aber was
ihm großes Unbehagen macht, ist die Fülle von Prüfaufträgen. Man kann
damit alles versprechen, verkauft den Menschen aber für dumm. Versprechen
locken Wähler, Versprechen zu realisieren kostet Geld. Hat man’s nicht,
macht man aus dem Versprechen einen Prüfauftrag. Eigentlich wollen wir das
und das, aber wir müssen erst mal prüfen, ob wir uns das überhaupt leisten
können! Na, denkt Hein, dann könnt Ihr Euch ja den Wahlkampf künftig
sparen. Als Hein jünger war galt: versprochen ist versprochen, basta. Man
gab sein Wort und hielt sich dran.
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Tja,
was sind eigentlich Einschätzungen, die immer wieder vor allem in
Fernseh-Nachrichten abgegeben werden von Herren oder Damen näher am Ort
des Geschehens? Früher gab es Meldungen und Kommentare. Zu der Zeit hieß
es „die Meldung ist heilig, der Kommentar frei.” In der Meldung wurden
Fakten dargestellt, im Kommentar konnte man eine Meinung zu ihnen hören.
Seit es Damen und Herren gibt, die Nachrichtensendungen präsentieren,
wurde diese Grenze unklar. Denn schon die Worte der Überleitung von einer
Nachricht zur nächsten, von einem Filmchen zum anderen, kommentieren –
mehr oder weniger deutlich. Sind das Einschätzungen? Ja, denkt Hein, das
sind sie wohl schon. Deutlicher wird’s, wenn’s keine neuen Nachrichten
gibt, die Lage aber viele interessiert, wie etwa die Verhandlungen mit
Griechenland über Finanzen. Da kann der arme Korrespondent dann nur noch
sagen, dass immer noch verhandelt wird, ob ja ob nein. Spätestens dann
fragt der „Anchorman”: „Und was ist Ihre Einschätzung?” Das klingt nach
mehr als Meinung und weniger als Kommentar. Und wahrscheinlich ist es das
auch. Wir leben mit „Einschätzungen”, die natürlich nicht mehr oder
weniger gut sind als der, der sie abgibt. Aber nachdem ja nun jedermann
Neues oder scheinbar Neues über die so genannten „sozialen Netzwerke”
verbreiten kann, sind „Einschätzungen” Teil unseres Lebens.
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Tja, sowas hatte Hein in Deutschland schon jahrelang nicht mehr
beobachtet. Als er mit seiner Herzallerliebsten im Frühstücksraum eines
größeren Hotels saß, saßen ein paar Tische weiter ein Herr und eine Dame
sich gegenüber. Die Dame stand auf, mit einem Teller in der Hand, um sich
am Buffet zu bedienen. Was tat der Herr? Er stand ebenfalls auf und setzte
sich, als sie gegangen war. Als sie wieder kam, stand er nochmal auf und
nahm erst wieder Platz, als sie sich wieder gesetzt hatte. Hein erinnerte
sich an seine Tanzstunde, die nun wirklich einige Jahrzehnte zurück lag.
Da hatte ihm und allen anderen jungen Herren die Tanzlehrerin beigebracht,
dass ein Herr aufsteht, wenn eine Dame an den Tisch tritt oder sich
erhebt. Eine einfach Regel – aber wer beherzigt sie heute noch? In
Deutschland ist sie so gut wie vergessen. In anderen Ländern steht’s damit
besser. Hein erinnerte sich an ein Abendessen mit amerikanischen
Marineoffizieren und deren Damen. Ein Ballsaal voll Uniformen und
Abendkleider. Man saß an Sechser- oder Achtertischen. Wenn eine Dame
aufstand, erhoben sich alle Herren am Tisch und taten das auch, wenn die
Dame an ihren Platz zurückkehrte. Hein machte artig mit. Und als seine
eigene Tischdame die Herren bat, doch sitzen zu bleiben, traf sie auf ein
lächelndes Kopfschütteln. „It is not done”, hieß es, sowas gehört sich
nicht. Donnerwetter, dachte Hein. Der eine oder andere seines Jahrgangs
erinnert sich noch daran. Als die Seine nun ans Buffet ging, erhob auch er
sich. Und wieder, als sie zurückkam. Ein fröhliches Lächeln und ein leises
Danke der Herzallerliebsten waren die Antwort.
►►► Tja, Hein hat
seine e-mail Adresse und schreibt und empfängt Post auch auf diesem Weg.
Regelmäßig löscht er, was er nicht mehr gebrauchen kann und immer wieder
kriegt er auch Post von Unbekannten, die ihm Geld vermachen wollen oder
ihm mitteilen, er habe gerade in einer internationalen Lotterie eine
Riesensumme gewonnen. Er müsse dazu nur seine Kontendaten nennen oder den
Anhang öffnen für weitere Details. Mails dieser Art wandern sofort in den
Papierkorb, dessen Inhalt schnell gelöscht wird. Doch dann erreichte ihn
das Anschreiben einer Anwalts- und Notarkanzlei aus der Nachbarstadt – am
Freitagnachmittag kurz nach 17 Uhr. Der lapidare Text verwies auf den
Anhang zu diesem Schreiben. Unterzeichnet war er von einer Dame. Nun
bekommt Hein so gut wie nie Post von Anwälten. Was also wollten die von
ihm? Hein hütete sich, den Anhang zu öffnen. Da eine Telefonnummer
angegeben war, rief Hein an. Er erreichte natürlich „außerhalb unser
Kanzleistunden” niemanden, doch als er den Hörer auflegte,
wusste er, die Kanzlei gibt es wirklich. Ab Montag früh um neun Uhr sei
man wieder erreichbar. Und damit begann ein ungewohnt unruhiges
Wochenende. Hatte Hein sich irgendwas zuschulden kommen lassen, irgendwo
Mist gebaut? Er hatte doch mal mit seinem Außenspiegel beim Einparken den
Spiegel eines anderen Autos touchiert! Er hatte angehalten und am anderen
Fahrzeug keine einzige Schramme entdeckt und war
weitergefahren. Hatte er wirklich nichts beschädigt? Dann hatte er mal
etwas per Post bestellt, das nicht passte. Die Rücksendung hatte er um ein
paar Tage überzogen! Ihm fielen im Laufe des Wochenendes ähnliche kleine
Misslichkeiten ein. Hatte sich deswegen jemand an einen Anwalt gewandt? Es
gibt ja Menschen, die Anwälte wegen jedem Scheiß beschäftigen! Am Montag
früh um neun Uhr rief Hein die Kanzlei in der Nachbarstadt an. Ob es dort
eine Dame mit dem Namen der Unterzeichnerin gäbe? Ja, antwortete die
Stimme am Telefon. Hein bat, mit der Dame verbunden zu werden. In welcher
Angelegenheit, wollte die Stimme wissen. Wegen der Mail vom Freitag mit
dem Aktenzeichen sowieso. Sofort vernichten, sagte die Stimme, auf keinen
Fall den Anhang öffnen. Wir haben schon Hunderte Anrufe deswegen
bekommen. Da hat einer unsere Adresse benutzt, wir gehen dem nach. Tut uns
leid. Tja, dachte Hein, da wollte wohl jemand den Anwälten eins
auswischen. Aber warum hat er die mail gerade mir geschickt?
Darüber, beschloss Hein, würde er sich nicht den Kopf zerbrechen.
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