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Die MAGELLAN im Hafen von Newcastle. Die Stadt am Tyne gehört zu einer ganzen Reihe englischer Häfen, in denen bei Nordeuropa-Kreuzfahrten ein Zu- und Ausstieg möglich ist. Alle Fotos dieser Seite: Kai Ortel, Berlin |
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Kai Ortel Very british und ein bisschen Meer Von Tilbury nach Newcastle mit der MAGELLAN |
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30 Jahre nach ihrer Indienststellung wurde die ehemalige HOLIDAY im Frühjahr 2015 das neue Flaggschiff der britischen Kreuzfahrtreederei Cruise and Maritime Voyages. Unter ihrem neuen Namen MAGELLAN unternimmt das Schiff nun fast ganzjährig Kreuzfahrten in Nordeuropa. Der Himmel über London wartet, und das ist zum Glück kein Aprilscherz, am 1. April mit herrlichstem Frühlingssonnenschein auf. Zwar braucht der Regionalzug vom altehrwürdigen Londoner Bahnhof Fenchurch Street noch einmal knapp 45 Minuten, ehe er das Themse-Städtchen Tilbury erreicht hat, doch selbst dort meint es Petrus gut mit den knapp 500 Passagieren, die sich im „London International Cruise Terminal” eingefunden haben, um die MAGELLAN für eine 20stündige „Overnight Celebration Cruise” zu besteigen. Indes, den Ruhm vergangener Tage strahlt Tilbury schon lange nicht mehr aus. Wo früher fast täglich Dampfer von P&O, Orient Lines und British India Line nach Asien und Australien abgelegt haben, sind inzwischen selbst Kreuzfahrtschiffe wie die MAGELLAN seltene Gäste. Die Häuserblocks von Tilbury sind heruntergekommen, und das Ufer der Themse ist bei Ebbe ein ziemlich unansehnlicher brauner Schlammgürtel, passend eingerahmt von einer Kläranlage weiter flussabwärts und dem hermetisch abgeriegelten Frachtfährhafen flussaufwärts. Also schnell aufs Schiff.
Very british Einmal an Bord, ist das Betreten der eigenen Kabine zunächst mit einem kleinen Déjà-Vu-Erlebnis verbunden. Denn die Kabinen öffnen sich noch mit den guten alten Vingcard-Lochkarten aus robustem Plastik, moderne Magnetkarten oder QR-Codes haben auf der MAGELLAN noch keinen Einzug gehalten. Kabine 6147 (Kategorie 9 – „Superior Twin”) erweist sich jedoch als überaus geräumig; abgesehen davon, dass die beiden Betten rechtwinklig und nicht parallel angeordnet sind, haben hier auch noch ein kleiner Schreibtisch und ein großzügig dimensionierter Kleiderschrank Platz gefunden. An den Wänden zwei moderne Gemälde, in der Ecke ein moderner Flachbildfernseher (23 Kanäle) und dazu über einem der Betten ein Fenster, das diesen Namen auch verdient: So lässt es sich aushalten, gerne auch länger als nur eine Nacht. Als Cabin Steward stellt sich überdies Natalia vor, ein erster Hinweis darauf, dass der Hotelbetrieb der MAGELLAN fest in ukrainischer bzw. osteuropäischer Hand ist. Bevor das Schiff um 15:00 Uhr die Leinen losmachen kann, steht aber noch die obligatorische Rettungsübung auf dem Programm, und die hat es auf der MAGELLAN in sich. Wo man auf anderen Kreuzfahrtschiffen bei diesem Anlass die Rettungsweste gelangweilt unter den Arm klemmt, um in irgendeiner dunklen Lounge unverständlichen Bandansagen in gefühlten 20 verschiedenen Sprachen zu lauschen, nimmt die Crew der MAGELLAN das Thema „Safety first” mehr als ernst. 30 Minuten dauert die Übung (in einer einzigen Sprache!) und umfasst am Ende nicht nur einen Gänsemarsch quer durch das Schiff von der Sammelstation zum designierten Rettungsboot, sondern auch das eigenhändige sorgfältige Nachziehen liebloser Schleifen und Knoten durch die verantwortlichen Crew-Mitglieder. Zum Glück hatte sich ein Großteil der Passagiere schon vor dem Ertönen des Alarmsignals mitsamt angelegter Rettungsweste an der Muster Station eingefunden – wir sind schließlich auf einem britischen Schiff. Britischen Humor beweist an diesem 1. April überdies der verantwortliche Verfasser des Tagesprogramms, der in einer „important notice” darauf hinweist, dass man doch bitte in der Garderobe der Kabine darauf achten möge, die Kleidung auf der linken Seite des Schranks zu konzentrieren. Hierdurch würde man dazu beitragen, dass das Schiff sein Gleichgewicht hält und keine Schlagseite entwickelt, was natürlich ein herrlicher maritimer Aprilscherz ist. Als die MAGELLAN Tilbury endlich hinter sich gelassen hat, ist vom verblassten Ruhm des Empire nichts mehr zu sehen. An Backbord und Steuerbord plötzlich idyllisches Marsch- und Weideland, dazu himmlische Stille um das nicht mal halbvolle Schiff. Letzteres kommt dadurch zustande, dass es auf der bevorstehenden Reise zu den norwegischen Fjorden drei Einstiegshäfen gibt; und ehe die MAGELLAN im letzten davon, dem schottischen Dundee, übermorgen endlich mehr oder weniger voll ist, füllt die Reederei die leeren Betten in den zwei Tagen davor, indem sie die Fahrt die englische Küste hinauf als Schnupper-Kreuzfahrt anbietet. Dass die Reederei, die das Durchschnittsalter ihrer Passagiere optimistisch mit 65 angibt, dies sowie das schöne Wetter dazu nutzt, das Auslaufen mit einer Cocktail-Vorführung und einer Sailaway-Party auf dem Pooldeck zu feiern, stößt allerdings nicht durchweg auf Gegenliebe. Zwar spielt die Band passend zur Altersstruktur der versammelten Kreuzfahrtgäste Tony Christie’s „Is this the Way to Amarillo” und Tom Jones’ „Sex Bomb”, doch übersieht das Entertainment-Team in seinem Enthusiasmus leider, dass die Leute auch dann nicht tanzen wollen, wenn man sie förmlich an Händen und Füßen auf die Tanzfläche zu ziehen versucht. Viel lieber kuscheln sich die Gäste stattdessen in ihre Decken und genießen vom Liegestuhl aus in der Frühlingssonne den Blick auf, ja was eigentlich? Im Gegensatz zum Tyne oder zum Humber wird die Themse nicht durch eine Mole oder eine Landzunge von der offenen See begrenzt, sondern wird stattdessen zur Mündung hin einfach immer breiter. Eben noch das Containerschiff CAP SAN ANTONIO am 2013 neugebauten „London Gateway Port” passiert, ist die MAGELLAN ein paar Minuten später nach drei Stunden Revierfahrt plötzlich mitten auf der Nordsee, und keiner hat’s bemerkt.
Vom Fun Ship zum Weltreisen-Traumschiff Szenenwechsel. Wir schreiben das Jahr 1985. In Europa wird die ACHILLE LAURO von Terroristen entführt, im Nordatlantik das Wrack der TITANIC entdeckt und in Neuseeland die RAINBOW WARRIOR versenkt. Kreuzfahrten sind etwas für ältere Ehepaare (und deren Eltern) und unerschwinglich obendrein. In Amerika dagegen nimmt die aufstrebende Carnival Cruise Line in jenem Jahr mit der HOLIDAY das erste von drei neuen Kreuzfahrtschiffen in Dienst, die den immer weiter wachsenden Markt der Karibik-Kreuzfahrten bedienen sollen. Die Reederei unterstützt dies mit einer 10 Millionen $ teuren Werbekampagne im Fernsehen, ein Novum damals. „The most popular cruise line in the world” nennt sich Carnival selbstbewusst, und die Neubauten sind „Fun Ships”. Unter dem Motto „Americana” richtet Joe Farcus, der Hausdesigner von Carnival, zunächst die HOLIDAY ein, die u. a. eine „Bus Stop Bar” mit einem echten restaurierten Bus erhält und einen Swimmingpool mit Wasserrutsche. Es folgen die Schwesterschiffe JUBILEE (1986) und CELEBRATION (1987) und danach in immer kürzeren Abständen immer größere Flottenzuwächse. 2009 ist die HOLIDAY dann zum Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden – zu klein, zu alt, einfach nicht mehr zeitgemäß in einer Ära, die von gigantischen Kreuzfahrtschiffen wie der OASIS OF THE SEAS des Konkurrenten Royal Caribbean dominiert wird. Ein paar Jahre fährt das Schiff anschließend als GRAND HOLIDAY für die spanische Carnival-Tochter Iberocruceros, ehe 2015 die griechische Global Maritime Group die ehemalige HOLIDAY für ihre britische Tochter Cruise and Maritime Voyages erwirbt. Und jetzt? Ist die MAGELLAN plötzlich nicht nur geradezu winzig im Vergleich zu den Kreuzfahrt-Neubauten, die im 21. Jahrhundert fast monatlich neu in Dienst gestellt werden. Sondern kommt nach diversen Um- und Rückbauten des ursprünglichen bunten Carnival-Designs in ihrer Inneneinrichtung geradezu unspektakulär daher. Ein Anti-Fun Ship, sozusagen. Nur noch ein paar Mosaik-Kunstwerke mit USA-Motiven an den Wänden erinnern noch an die amerikanische Vergangenheit der MAGELLAN, ansonsten ist das Schiff in den letzten Jahren konsequent an den europäischen Geschmack angepasst worden. Aus dem quietschrosafarbenen „Seven Seas Dining Room” der HOLIDAY ist auf der MAGELLAN das vornehme „Waldorf Restaurant” geworden, die „Tahiti Lounge” ist der gemütlichen „Sinatra’s Lounge Bar” gewichen, und die markante Bus Stop Bar der HOLIDAY gibt es schon seit dem Wechsel des Schiffes zu Iberocruceros nicht mehr, ebenso wie die Wasserrutsche am vorderen Pool. Auch die übrigen Räume an Bord gefallen im aktuellen Look durch ihre unprätentiöse Art, so das zweckmäßig eingerichtete, dafür aber enorm große Kartenspielzimmer „Nansen”, die mit schweren Ledersofas bestücke Bibliothek „Livingstone” (mit Meerblick) und die opulent mit Polstersesseln ausgestattete „Hampton’s Bar Lounge”. Einzig der fast futuristisch anmutende „Scott’s Nightclub” fällt ein wenig aus dem Rahmen. Hier weisen die runde Deckenbeleuchtung und die weißen Möbel so starke Anklänge an das Interieur von Raumschiff Enterprise auf, dass man den Nachtklub fast in „Scotti’s Nightclub” umbenennen möchte. Der Kontrast zum Fun Ship von einst könnte jedenfalls 30 Jahre nach der Indienststellung der HOLIDAY auf der heutigen MAGELLAN nicht größer sein, und im Hinblick auf ihre Größe mag man kaum glauben, dass ein heute vergleichsweise kleines Schiff wie die MAGELLAN in den 1980er Jahren mitverantwortlich für den internationalen Kreuzfahrten-Boom gewesen ist, der seinerzeit in Miami und anderen US-Häfen seinen Anfang genommen hat. Heute ist die MAGELLAN fast schon ein Schiffs-Klassiker, dem darüber hinaus Anfang 2017 auch noch eine ganz besondere Ehre zuteil wird: Am 6. Januar sticht sie nämlich in Amsterdam für ihre erste Weltreise in See, die das Schiff in 121 Tagen via Karibik und Panamakanal in die Südsee, nach Neuseeland und Australien führen wird bzw. von dort über Hongkong, Singapur und den Suezkanal zurück nach Europa. Die Weltreise wird von Cruise and Maritime Voyages und TransOcean Kreuzfahrten gemeinsam vermarktet und die Buchungen laufen gut an, wie Hoteldirektor Danilo Matrone im Interview erklärt. Jedenfalls sei die MAGELLAN mit ihrer Vielzahl an geschmackvoll eingerichteten Lounges und ihren weitläufigen Außendecks hervorragend geeignet für diese Aufgabe, was ja nicht selbstverständlich ist bei einem Schiff, das ursprünglich für den siebentägigen „Milk Run” in der östlichen Karibik gebaut und später gar nur noch auf drei- bis viertägigen Kurzkreuzfahrten zwischen Kalifornien und Mexiko eingesetzt worden ist.
Multikulti auf See Die Herausforderungen liegen auf der kommenden Weltreise der MAGELLAN daher auch ganz woanders, wie uns der Hoteldirektor weiter erklärt. Viele der Häfen, die das Schiff in den knapp vier Monaten besucht, läuft es nämlich zum ersten und vermutlich auch einzigen Mal an, Kontakte zu Hafenbehörden, Lotsen und Tourismusvertretern müssen daher alle erst mühsam aufgebaut werden. Auch stellt die hohe Anzahl an Seetagen besondere Ansprüche an das Team des Kreuzfahrtdirektors, in dessen Verantwortung die (gute) Unterhaltung an Bord fällt. Und nicht zuletzt gilt es, einem Publikum gerecht zu werden, das sich zu verschieden großen Teilen aus Briten, Amerikanern und Australiern auf der einen und Deutschen, Österreichern und Schweizern auf der anderen Seite zusammensetzen wird. Keine leichte Aufgabe für eine Crew, deren 581 Mitglieder aus 27 Ländern stammt. Während die Offiziere und leitenden Angestellten an Bord der MAGELLAN fast durchweg Griechen sind, ist der Hotelbetrieb fest in ukrainischer bzw. osteuropäischer Hand und die Restaurants in indischer bzw. indonesischer. Dass auch Amerikaner und Australier Reisen mit den Cruise and Maritime-Schiffen buchen, rührt übrigens daher, dass die Reederei in diesen Ländern ebenfalls Büros und Vertriebsstrukturen unterhält, genauso wie in Deutschland mit der Tochtergesellschaft TransOcean Kreuzfahrten. Ewa 300 Gäste aus Deutschland, Österreich und der Schweiz will dabei allein TransOcean zur Weltreise der MAGELLAN beisteuern; diese sollen durch deutschsprachiges Personal und eine zusätzliche Hostess an Bord betreut werden. Darüber hinaus werden ab einer Teilnehmerzahl von 30 deutschsprachigen Gästen Ausflüge mit deutschsprachigem Guide angeboten. Noch hat man auf der MAGELLAN aber ganz andere Sorgen. Denn während die Schiffe der Konkurrenz erst Anfang Mai überhaupt aus den wärmeren Gewässern nach Nordeuropa kommen, machen sich die Schiffe von Cruise and Maritime Voyages auch in der kalten Jahreszeit auf in Richtung Nordsee, Ostsee und Fjordland. Für die Offiziere auf der Brücke sei dies ein Alptraum, wie uns aus berufenem Munde berichtet wird. Bereits in den frühen Morgenstunden kommt am Eingang der norwegischen Fjorde bereits der Lotse an Bord, da ist es im Winter draußen nicht nur stockfinster, sondern mitunter auch eiskalt, neblig, verschneit, stürmisch oder alles zusammen. Darüber hinaus gibt es gerade in Norwegen viele technische Stopps, wenn Landausflügler von Bord gehen, um in einem anderen Hafen wieder zuzusteigen, oder es muss getendert werden, weil keine geeigneten Hafenanlagen zur Verfügung stehen. Dass der Kapitän, der darüber hinaus ja auch noch gesell- |
schaftliche Verpflichtungen an Bord hat, angesichts solcher Bedingungen unter Dauerstress steht, verwundert daher kaum. Mit Stathis Goumas führt allerdings ein gestandener Seemann das Kommando auf der Brücke der MAGELLAN, der bereits mit Kreuzfahrtschiffen wie STELLA SOLARIS und TRITON zur See gefahren ist und zuletzt die LOUIS CRISTAL befehligt hat.
Ein Herz für Alleinreisende Doch zurück zur MAGELLAN. Über Bord-Aktivitäten für den Zeitraum zwischen der Abfahrt des Schiffes um 15:00 Uhr und dem Abendessen um 19:00 Uhr schweigt sich „Your Daily Programme” höflich aus, auch dies ein wohltuender Kontrast zu anderen Kreuzfahrtschiffen, wo einem das mehrseitige Tagesprogramm in jeder Minute einzureden versucht, man verpasse gerade etwas eminent Wichtiges. Einzig auf den Pianisten in der Sinatra’s Lounge Bar wird hingewiesen sowie auf ein Klassik-Duo aus Klavier und Violine, das am Nachmittag den Captain’s Club in wohlig-verträumte Klänge hüllt. So unaufgeregt kann Kreuzfahrt sein. Zudem vermarktet Cruise and Maritime Voyages seine Schiffe als „adult-friendly” – eine freundliche Umschreibung dafür, dass die Altersuntergrenze an Bord bei 16 Jahren liegt und die MAGELLAN allein schon deshalb kein Schiff für wilde Partys ist. (Die Reederei wirbt in ihren Katalogen explizit mit dem Hinweis: „No climbing walls or ice-skating rinks and no kids.”) Dafür hat man bei CMV ein Herz für Alleinreisende und reserviert pro Kreuzfahrt 150 Kabinen, für welche Singles nur 25 Prozent statt der sonst branchenweit üblichen 50 bis 100 Prozent Aufschlag zahlen müssen. Auch ein besonderes Betreuungsprogramm für Alleinreisende gibt es an Bord, damit sich Gleichgesinnte schnell und unkompliziert kennenlernen können. Statt der maximal möglichen 1.794 Passagiere beträgt die Kapazität der MAGELLAN in CMV-Diensten daher auch nur 1.250. Und die Buchungszahlen scheinen der Reederei mit dieser Strategie Recht zu geben, denn es wechseln nach Aussagen des Hoteldirektors nicht nur immer mehr Gäste von Reedereien wie P&O Cruises (deren Einheiten immer riesiger werden) zu den CMV-Schiffen, sondern sie bleiben letzteren dann auch treu. So steige der Repeater-Anteil kontinuierlich, während ein Schiff wie die alte, aber beliebte MARCO POLO fast ausschließlich ihrer selbst wegen und kaum noch wegen ihrer Routen gebucht werde. Dass „Britain’s leading independent cruise line” im Gegensatz zur Konkurrenz dabei auf multiple Einschiffungshäfen setzt, bringt der Reederei ebenfalls Sympathien ein, vereinfacht dies doch die Anreise besonders für das ältere Publikum erheblich. Da darf die MAGELLAN auch schon mal an einem schönen Aprilnachmittag halbvoll und mit gemächlichen 14 Knoten die englische Küste entlang fahren, um 264 Seemeilen später in Newcastle ein paar Dutzend Minikreuzfahrt-Passagiere aus- und ein paar Hundert neue „reguläre” Kreuzfahrtgäste einzuschiffen.
Am Abend Um 19:00 Uhr öffnet das Kensington Restaurant seine Pforten. Die Nummer seines Tisches hat man bei der Einschiffung bereits in Form eines Kärtchens mitsamt Lageplan auf der Kabine vorgefunden, insofern ist es nicht verwunderlich, wenn man den zugewiesenen Tisch schneller findet als der Kellner, der einen eigentlich dorthin führen soll. Letzterer stammt in meinem Fall übrigens aus Bali und freut sich sehr über den einzigen deutschen Passagier an Bord. Stolz bringt er seine Frage „Alles gut?” an (die man beim Essen höchstens im Hinblick auf die Größe der Portionen verneinen kann) und beginnt über den Umweg einer Freundin, die zur Zeit in Frankfurt wohnt, sogar einen Small Talk zum Thema Fußball. Fußball geht unter Männern schließlich immer, und so findet das Essen am Katzentisch in herzlicher Atmosphäre statt. Als die Küche auf dieser immerhin nur eintägigen Celebration Cruise zum Schluss sogar das berühmte „Baked Alaska” auffährt und die Köche den Eiskuchen in Form einer feierlichen Prozession ins Restaurant tragen, kann man ebenfalls schlecht Nein sagen. Und lässt sich nach etwas Zureden auch noch einen Nachschlag der süßen Kalorienbombe auftischen, etwaige Diäten oder gute Vorsätze hin oder her. Der halbe Gala-Abend (Dress Code bleibt trotz des feierlichen Rahmens „optional”) ist nach zwei Stunden gerade zu Ende, da bittet Cruise Director Jonathan Dulson auch schon in die Main Show Lounge. Die war mit ihren über zwei Etagen verlaufenden Sitzreihen 1985 architektonisch geradezu revolutionär und wirkt daher auch heute noch völlig zeitgemäß. Auch kommt die knapp einstündige Abba-Tribut-Show „Dancing Queen” in der Folge sympathisch herüber, der ganz große Funke will aber nicht überspringen. Was vielleicht daran liegt, dass der Ausdruckstanz des Ensembles nicht immer zur Musik passt und die Sängerinnen auch weder stimmlich noch optisch viel mit Agnetha und Frida von Abba gemeinsam haben. Auch der Rest des abendlichen Unterhaltungsprogramms ist kurzweilig, bleibt aber immer an die typische CMV-Klientel angepasst. So kann man ab 22:00 Uhr im Captain’s Club an der Gameshow „Wipeout” teilnehmen (deren deutsche Adaption „Heul nicht, lauf” 2009 erfolglos auf ProSieben lief), ab 22:45 Uhr dann einem Cabaret-Programm beiwohnen, oder aber dem Pianisten in der Sinatra Lounge bzw. „Classics and beyond” in der Hampton’s Bar lauschen. So wird die MAGELLAN am Abend zum Musikdampfer, auch wenn man laute Disco-Beats oder wilde Karaoke-Partys auf diesem Schiff vergeblich sucht. Dafür stellt am späten Abend ein weiteres Mal die Bordküche ihre Künste zur Schau. Auf der Promenade „The Mall” präsentieren der indische Chefkoch und sein Team ab 22:30 Uhr das „Buffet magnifique”, das mit Obst- und Gemüseschnitzereien, Eisskulpturen und anderen Kunstwerken in Sachen Kulinarik aufwartet. Hier darf übrigens zuerst nur fotografiert und erst später dann gekostet werden. Eines ist jedoch sicher: Wer nach dem Abendessen noch ausreichend Platz im Magen gelassen hat für die Köstlichkeiten zu später Stunde, sinkt gegen Mitternacht auf jeden Fall satt und zufrieden in sein Bett. Immerhin wird Newcastle trotz der abendlichen Fahrt des Schiffes mit erstaunlichen 20 Knoten am nächsten Tag erst mittags erreicht, auch ein längerer Verdauungsschlaf ist also kein Problem. Auch wenn die 31 Jahre alte MAGELLAN hier und da inzwischen teilweise beträchtlich vibrieren mag.
Nach Newcastle Die Nachmittagssonne von Tilbury hat sich in den Morgenstunden des folgenden Tages irgendwo vor der Humber-Mündung in einen bedeckten Himmel mit garstigem Nieselregen verwandelt. Kein schöner Rahmen also, den zweiten Teil der Minikreuzfahrt ausgerechnet mit einem Spaziergang an Deck zu beginnen. Da lockt das Frühstücksbüffet im Raffles Bistro auf Deck 10 schon eher. Der berüchtigte englische Regen bleibt dort hinter dicken Panzerglasscheiben verborgen, während man selbst sich am „English Breakfast” gütlich tun kann. Wo sonst bekommt man morgens um 8:00 Uhr schon Bratkartoffeln, Rührei und Schinken? Und dazu herrlich starken English Breakfast Tea, der jeden Kater im Nu vertreibt. Im Übrigen nehmen nicht wenige der älteren englischen Passagiere bereits das Frühstück in Jackett und Krawatte ein, als wäre das Büffet-Restaurant der MAGELLAN eine Nobel-Kantine mitten in der Londoner City. AIDA-Feeling? Hier sicherlich nicht. Überdies geht es auf dem englischen Schiff wohltuend gesittet zu. Man stellt sich, wenn es doch einmal größeren Andrang an den Getränke-Automaten oder am Büffet gibt, ordentlich in der Schlange an, drängelt sich keinesfalls vor (das wäre unsagbar unbritisch) und kommt mit seinen Mitreisenden bei Small Talk über Nichtigkeiten ins Gespräch. Wer dagegen schon einmal im Hochsommer mit einem italienischen Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer unterwegs gewesen ist, kann auf der MAGELLAN gar nicht genug darüber staunen, dass es im 21. Jahrhundert auch noch Schiffsreisen gibt, bei denen sich die Passagiere mit Höflichkeit begegnen und z.B. auch nicht ständig auf ihr Smartphone, sondern stattdessen verträumt hinaus aufs Meer starren. Wie gesagt: Willkommen auf dem Anti-Fun Ship. Und so vergehen auch die letzten zwei Stunden der Mini-Kreuzfahrt in herrlicher Ruhe. Ein Tagesprogramm gibt es nicht mehr, nur eine „Disembarkation Note” und den Hinweis auf ein „Morning Quiz” im Captain’s Club und einen Kinofilm (The Best Exotic Marigold Hotel) in der Show Lounge. Auch wer gedacht hatte, er könne auf dem Schiff mehr oder weniger sinnlos Geld ausgeben, wird enttäuscht: Da die Fahrt von Tilbury nach Newcastle in britischen und nicht in internationalen Gewässern stattgefunden hat, war ein zollfreier Verkauf nicht zulässig, weshalb der Bord-Shop seine Pforten auf dieser Reise gar nicht erst geöffnet hat. Als die MAGELLAN um kurz nach 11:00 Uhr die Mole von Tynemouth passiert, sind die Passagiere nach 20 Stunden an Bord vor allem eines: entspannt. Im Übrigen hält natürlich auch der Dauerregen über Nordengland keinen waschechten Briten davon ab, das Einlaufen seines Schiffes im Zielhafen vom Außendeck aus zu verfolgen, schließlich werden einem auf der Insel Regenjacke und -schirm quasi mit in die Wiege gelegt. Und da die MAGELLAN demnächst nicht nur auf Weltreise geht, sondern davor und danach praktisch ununterbrochen in Nordeuropa unterwegs ist, macht dem Schiff selber das garstige Wetter am allerwenigsten aus. Auf den sieben Weltmeeren mögen inzwischen jüngere, größere und spektakulärere Kreuzfahrtschiffe unterwegs sein; dass es daneben aber auch (noch) so wohltuend unaufgeregte Schiffe wie die MAGELLAN gibt, ist ein Segen. Und sollte all denjenigen Hoffnung machen, denen Kletterwände, Eislaufbahnen und Wasserrutschen als unnötige Auswüchse einer Kreuzfahrt-Industrie erscheinen, die heutzutage mitunter das Wichtigste auf einer Seereise vergisst: das gepflegte Neben- und Miteinander von Gleichgesinnten auf einem Schiff, das sich auch wirklich noch wie ein solches anfühlt. Sail on, MAGELLAN! www.transocean.de · www.cruiseandmaritime.com
MS MAGELLAN
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Der Bug der MAGELLAN zeigt am Tilbury Landing Stage abfahrtbereit flussabwärts. Am gegenüberliegenden Themse-Ufer liegt die Stadt Gravesend. |
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Bereits der Empfangsbereich der MAGELLAN auf Deck 5 hat keine Ähnlichkeit mehr mit den grellbunten Farben des Schiffes bei seiner Indienststellung als HOLIDAY 1985. |
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Außenkabine 6147 besticht durch ihre großzügige Raumaufteilung. Viele Zweibett-Kabinen der MAGELLAN sind überdies als Single-Kabinen buchbar. |
Auf Deck 11 verfügt die MAGELLAN oberhalb des Bootsdecks über eine kleine Anzahl von Balkonkabinen. |
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Der Captain’s Club bietet einen passenden Rahmen für kleinere Musik- und Cabaret-Vorführungen. |
Unverkennbar war an der Stelle der heutigen Hampton’s Lounge Bar früher die Bibliothek des Schiffes untergebracht. |
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Das Kensington Restaurant ist das kleinere der beiden Hauptrestaurants an Bord der MAGELLAN. |
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Großzügig bemessene Lidodecks wie das der MAGELLAN sind auf Kreuzfahrtschiffen neueren Baujahrs leider eine Seltenheit geworden. |
Die nach dem Wechsel des Schiffes von Iberocruceros zu Cruise and Maritime Voyages auf Deck 9 neu eingerichtete „Livingstone Library”. |
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Heute auf großen Kreuzfahrtschiffen eine Selbstverständlichkeit, war das über zwei Decks reichende Theater der HOLIDAY bei ihrer Indienststellung ein Novum auf See. |
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Das Kartenzimmer „Nansen” eignet sich auch für größere Bridge-Turniere unter den Kartenspiel-verliebten englischen Gästen von Cruise & Maritime Voyages. |
„Beam me up, Scotty!” – Scott’s Nightclub weist frappierende Ähnlichkeiten mit dem Design von Raumschiff Enterprise auf. |
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Keine Spur mehr vom Fun Ship früherer Tage: Das edle Waldorf Restaurant der MAGELLAN. |
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Seine Wasserrutsche hat der vordere Swimmingpool der MAGELLAN beim Verkauf der HOLIDAY an die spanische Tochter Iberocruceros eingebüßt. |
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