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Uli am Steven KATHARINA SCHEPERS mit TIMCA im Hintergrund.Uli am Steven KATHARINA SCHEPERS mit TIMCA im Hintergrund.

Alle Fotos dieser Seite: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund

 

Dr. Peer Schmidt-Walther

Zwei Schiffsdamen auf einen Streich

Gestrandet vor Brunsbüttel mit Glück im Unglück

Ursprünglich sollte der Titel dieser Geschichte lauten: „Christian und NOK – eine Zitterpartie. Herbstliche Frachter-Impressionen zwischen Lettland, West- und Ostpreußen”.

Das Sturmtief „Christian” war nicht schuld, die Sperrung des Nord-Ostsee-Kanals wegen der Bergung des Havaristen SIDERFLY geradezu ein Glückstreffer. Doch es braute sich etwas ganz anderes zusammen: eine Zitterpartie mit anschließendem Knockout. Nach dem Motto: Erstens kommt es anders – nicht nur bei Frachtschiffreisen ‒, sondern auch zweitens, als man denkt …

 

Schwieriger Einstieg

Bremerhaven im November. Die Bahnverspätung ist nervig, aber der Taxifahrer ein Reiseführer-Talent. Bis zum Tor des Containerhafens Eurogate hat er den beiden Fahrgästen alles über seine Heimatstadt erzählt. Wir sind im Bilde über Marine-Standort, Columbus-Kreuzfahrt-Terminal und Sozialstatistik.

Kurze Begrüßung durch die beiden Wachleute. Auf Klingeldruck sprintet ein Terminal-Bus heran, das Drehkreuz ist freigegeben und unter gelb blinkender Rundumleuchte fegen wir durchs Container-Gebirge.

Stopp vor einem weißen Schiffsaufbau, an dessen Flaggenstock Schwarz-Rot-Gold im steifen Nordsee-Wind flattert. Ja, das sei sie, sagt der Fahrer knapp. Die Weser scheint wie leer gelaufen zu sein: Niedrigwasser, „unser” Schiff liegt ganz tief. Es macht sich so klein, dass der Name nicht zu lesen ist. Aber anhand eines Rettungsrings an der Reeling können wir es identifizieren: ANKE EHLER und darunter OTTERNDORF steht da schwarz auf orangefarbenem Grund.  

Zwei philippinische Matrosen mühen sich mit der Gangway und der Fahrer wartet ab bei geschlossenen Wagentüren: „Ich darf Sie nicht aussteigen lassen, solange das Ding nicht klar und sicher für Sie ist!” Der Landgang schwebt am Kranhaken herab, bleibt aber neben der Kaikante schräg in der Luft hängen. „Wenn das nicht bald klappt, muss ich Sie zum Gate zurück fahren”, erklärt der Busfahrer ungehalten die ungenügende Sicherheitslage. Ein böses Omen: aus und vorbei unsere einwöchige Frachterreise nach Königsberg, Riga und Gdynia?  

Ein dritter Mann, offenbar der Erste Offizier, greift lautstark ein und nimmt die Sache selbst in die Hand, bis die schwere Gangway in Position liegt. Wir dürfen den Wagen verlassen. „Gute Reise und Tschüß!”, hören wir noch durch die halb geschlossene Tür. Unter uns gurgelt die schwarze Weser, als wir gebückt, vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, unter den Kranstroppen hindurchkriechen.

 

Lawine losgetreten

In der Messe wartet schon der Zweite Offizier, ein junger, baumlanger Ukrainer mit finsterer Boxermiene. „Passports!”, bellt er in barschem Kommandoton. Wir zucken zusammen und gehorchen. „No visas?”, brabbelt er mit hochgezogenen Augenbrauen beim Blättern in den Dokumenten und brummt böse: „not possible!” Als Besitzer eines gültigen Seefahrtsbuches brauche ich keins, erkläre ich ihm, und Uli, der mitfahrende Kollege, will im russischen Kaliningrad gar nicht an Land gehen.

Der Zweite verschwindet ins Schiffsbüro und kommt mit einem Papier zurück, auf dem wir schon als Passagiere verzeichnet sind. Abgemacht war hingegen der Eintrag in die Crewliste. Hätten wir uns Visa beschaffen wollen, wäre das zu zeitintensiv gewesen, zumal der Reisetermin aus verschiedenen Gründen nicht eindeutig feststand.

Kapitän Jürgen Schulz und Erster Wolfgang Prawitz beraten sich, sind sichtlich bemüht, die unangenehme Geschichte in unserem Sinne zu lösen. Was jetzt? Der Zweite wird angewiesen, den Reederei-Agenten in Kaliningrad anzurufen. Das tut der sofort in – natürlich fließendem – Russisch. Wir alle verstehen nur Bahnhof, aber vernehmen mehrfach die Worte „Passagier” und „njet”. Der Mann blickt immer finsterer drein. Schulz und Prawitz lassen sich informieren. „Ohne Visum kommen Sie nicht nach Königsberg rein“, schüttelt der Kapitän den Kopf, „kein Scherz!”

Ich kann zum Thema einen Artikel aus dem internationalen Seerecht vorweisen. In dem ist zu lesen: „Zwar gelten Schiffe nicht – wie zum Beispiel Botschaften – als exterritoriales Gebiet; trotzdem unterliegen sie grundsätzlich dem Rechtsbereich des jeweiligen Flaggenstaates und nicht dem Land, in dessen Hoheitsgebiet sie sich befinden. Dies hat nur Kompetenzen im Hinblick auf Verkehrsleitung und -sicherheit sowie auf zollrechtliche Bestimmungen!”

Ich rufe einen befreundeten Kapitän an. Er kennt das Seerecht aus dem Eff-Eff. „Vergiss deine Hoffnungen”, meint er, „die Russen erpressen euch, indem sie Forderungen stellen und euch dann einfach festhalten. Da gilt kein internationales Recht, siehe Greenpeace”. Staatliche Geiselnahme? Umgekehrt stellt sich die Frage, ob dieses unwürdige Bürokraten-Theater  – Bremerhaven ist Partnerstadt von Kaliningrad – auch hier möglich wäre?

Kapitän Schulz meint beschwichtigend: „Ich hab noch nie gehört, dass man im Transit mit einem Schiff Visa benötigt. Aber warten wir mal ab bis morgen, die werden sich schon melden. Schließlich sind wir gute Kunden für die Russen”. Er muss jetzt umschalten und steigt zur Brücke hinauf.

 

Unerwünscht mit Geiselnahme

Kurz vor 22 Uhr wird die Maschine gestartet. Schulz legt unter Assistenz eines Hafenlotsen pünktlich ab und dreht in den Strom. Die taghellen Strahler des Containerterminals schrumpfen allmählich zu Glühwürmchen, bis sie in der Hecksee ganz verquirlt werden.

Ein steifer Nordwest raut die Außenweser auf und lässt ANKE EHLER allmählich nicken. Sogar einzelne Gischtfahnen wehen über die Back und verkleistern salzig die Brückenfenster. Konzentriert fährt der Kapitän den 118 Meter langen 6840-Tonner hinaus auf die bewegte Nordsee, dreht irgendwann nach Nordost bis Ost, so dass die achterliche See Schiebehilfe leistet. „Einlaufen Nord-Ostsee-Kanal gegen vier Uhr”, meint er optimistisch.

Doch die Kanalverwaltung bremst. Der Anker rasselt in den Elbgrund auf Brunsbüttel-Reede, die Maschine verstummt. Ruhe im Schiff. Wie lange? Keiner weiß es. Nur, dass der Havarist SIDERFLY im Kanal heute geborgen werden soll. „Das kann dauern”, meint Kapitän Schulz, der unruhig auf der Brücke hin und her geht. Wir sind vorsichtige Optimisten und hoffen immer noch auf eine Lösung unseres Problems samt einer Tagespassage durch den Kiel-Kanal.

Computer-Check. Eine E-Mail vom Kaliningrader Agenten, die alle erblassen lässt: „Nach Abwägung aller Umstände müssen wir bei Zuwiderhandlung folgendes mitteilen: 70 bis 110 Euro Strafe für jeden Passagier, Arrest; 5000 Euro Strafe für den Kapitän; Schiff wird so lange nicht abgefertigt, bis der Fall geklärt ist”. Das hieße Verspätung und Geldverlust. Wir sind nicht nur unerwünscht, sondern auch noch kriminell.  

Kapitän und Erster, sonst zwei Männer und die Ruhe selbst, werden unruhig. Mit Whiskey und Zigaretten könne man wohl in dieser Situation auch nichts mehr machen, denn alle wissen jetzt Bescheid, auch Reederei und Charterer. Wir sitzen in einem Boot und voll in der Falle. Eine zweite Warnung erreicht den Frachter mit weiteren Drohungen, bis dem Charterer in England der Kragen platzt: „Drop them off!!!” Oder anders: „Schmeißt sie runter!!!”

 

Rettender Einfall wird zum Meisterstück

Das ist nicht mehr nur ein böses Omen, sondern blanke Realität: runter vom Schiff, und zwar in der Schleuse. Aus! Wir gehen in unsere Kammern und packen alles wieder zusammen, was wir am Abend vorher noch seegangsfest gestaut haben.

Uli ist stinksauer: „Nie wieder nach Russland! Ein großes Land, wo jeder seine kleine Macht auskostet, aber wenig hinkriegt, nicht mal Freundlichkeit oder Verbindlichkeit!” Selbst Tourismus ist anscheinend nicht gewollt.

Auf Reede liegt eine Reihe von Schiffen. In beängstigenden 50 Meter Abstand gleitet das Container-Feederschiff KATHARINA SCHEPERS hart an unserer Bordwand vorbei. „Ihr Anker hält nicht und die Maschine springt nicht an”, ist Erster Wolfgang Prawitz besorgt, „die geht vermutlich mit uns in die Schleuse.” Seine Worte lösen eine Initialzündung in mir aus. „Vielleicht …?”, geht es mir sehr vage durch den Kopf, „ja, vielleicht – Mensch, das isses überhaupt!”

Gesagt, getan! Ich rufe bei verschiedenen Reedereien an, ob eins ihrer Schiffe in der Nähe sei. Fehlanzeige! Doch das Gute liegt – im echten Wortsinn – doch oft so nahe: die KATHARINA SCHEPERS in direkter Nachbarschaft. Ich rufe Lutz Woitas von der Frachtschifftouristik Zylmann – www.zylmann.de an und möchte wissen, ob er zufällig auch die KATHARINA SCHEPERS vermittele. Nein, das mache Frachtschiffreisen Pfeiffer, mit der man im Übrigen gut kooperiere und sich gegenseitig helfe. Ein goldrichtiger Hinweis. In Wuppertal bemüht man sich sofort und geradezu rührend um unser Problem. Das Team von Nina Pfeiffer signalisiert schließlich, dass auf der KATHARINA SCHEPERS zwei Kabinen frei seien, Reeder, Charterer und Kapitän haben nichts gegen eine Mitreise. Wir jubeln, und die Schiffsführung ist erleichtert über diese fast schicksalhafte Wendung. Auch meinem Handy sei Dank. Ohne das kleine Ding wäre vermutlich nichts gelaufen. „Das ist dein Meisterstück”, freut sich Uli über die gerettete Reise.

Ab 14 Uhr soll der Kanal im Einbahnverkehr freigegeben werden, hört man. Doch bis 17 Uhr rührt sich nichts. Nach über 13 Wartestunden grünes Licht. ANKE EHLER läuft in die noch verbliebene einzige intakte 320 Meter lange Schleusenkammer ein – für drei weitere Stunden, wird angekündigt. Eine rekordverdächtige Liegezeit. Und die kürzeste Frachterreise meines Lebens: rund 70 Seemeilen von Bremerhaven nach Brunsbüttel.

Fragt Kapitän Wolfgang Schulz beim Abschied: „Was wäre eigentlich gewesen, wenn wir das nicht gemeldet hätten oder erst auf See nach Verlassen der Schleuse Holtenau? Mit Crew-, statt Passagierliste?” Zu spät für Spekulationen.

Blau, aber trocken mit Mordsdusel

Hinter der ANKE hat jetzt auch die KATHARINA festgemacht. Wir haben viel Zeit, um das Von-Schiff-zu-Schiff-Manöver abzuwickeln. Das dürfte bislang auch einmalig sein.

An Bord unserer doppelt so großen Nachbarin werden wir freundlich von zwei vermummten philippinischen Matrosen in Empfang genommen. Erster Offizier Vyatscheslav Sokolov kommt entgegen und geleitet uns zu den gemütlichen Kabinen. Lächelnd – in krassem Gegensatz zu seinem muffligen Landsmann auf der ANKE EHLER.

In der Offiziersmesse ist schon für uns gedeckt. Unter Folie je eine Räuchermakrele mit Kartoffelsalat. Lecker. Smutje Primo Qujano kommt rein und ist entsetzt: „Das ist für Kapitän und Chief bestimmt!” Oh je, was für ein peinlicher Start. Master Oleksander Nadiein ficht das nicht an. Der 43-jährige Ukrainer stellt sich strahlend vor und lässt Smutje Primo – ein ganz ausgezeichneter Küchenchef, wie er im weiteren Verlauf der Reise mehrmals täglich beweist – eine Ersatzportion holen. „Nur”, gibt Nadiein zu bedenken, „wir sind zwar von außen blau, aber ein trockenes Schiff. Bier und andere Alkoholika gibt´s bei uns an Bord nicht, lediglich Softdrinks und Wasser.” Aus Sicherheitsgründen, wie wir erfahren. Wodurch auch die Versicherungsprämie niedriger sei.

Was tun? Wir wollen unseren „Sieg” über die russische Bürokratie – der Kapitän kann von diesem Staat im Staate ein leidvolles Lied singen – schließlich auch feiern.  

Noch liegen wir fest, vor uns ANKE. Ob man da mal telefonisch anfragt? „Okay”, gibt Wolfgang Prawitz zurück, „ich komm runter an die Gangway”. Doch unsere ist schon eingeholt und der Abstand zur Schleusenpier zu groß. Zwei Festmacher schlendern vorbei und ich frage sie, ob sie uns einen Gefallen tun könnten. „Klar, unter Seeleuten hilft man sich doch immer!” Kurze Zeit später schwenkt er eine Tüte mit Buddel zu uns herüber. Der Abend ist gerettet.

Auf der Brücke erleben wir die Schleusenausfahrt mit. Vor dem Kanalkilometer 5 drängeln sich Schiffe fast Bordwand an Bordwand. KATHARINA und ANKE machen die Schleuse frei für den von Osten kommenden Konvoi. Die Bergungsstelle des Havaristen darf nur im Einbahnverkehr bei langsamster Fahrt passiert werden. Ans Heck von KATHARINA spannt sich deswegen sogar ein Schlepper, der sie beharrlich durch das Nadelöhr zerrt.

 

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Der Anblick der auf der Steuerbordseite wie ein Stück waidwundes Wild liegenden SIDERFLY ist bei Nacht besonders erschreckend. Grelle Scheinwerfer beleuchten die gespenstische Szenerie. Arbeiter, ameisenklein, kriechen über die Decks, dicke Schläuche saugen Wasser aus dem Rumpf. Lotse und Kanalsteurer sind sich sicher, dass es auch in dieser Nacht nichts mit der Bergung wird. „Da haben wir ja ’n Mordsdusel gehabt”, meinen sie, „denn während der Hebung wird der Kanal wieder voll gesperrt.”

Kapitän Nadiein leistet den beiden Nautiker-Kollegen Gesellschaft bis Mitternacht zu seinem Wachende. „Ein bisschen Augenpflege”, grinst er zwinkernd, „kann jetzt nicht schaden”.  

 

Welcome in Russia – Handy-Zynismus

Zum Einlaufen in die Holtenauer Schleuse steht er wieder vergnügt und putzmunter auf der Brücke. Nach über zehn Stunden Kanalfahrt – auch die mit zwei- bis dreistündiger Verspätung – nimmt MS KATHARINA SCHEPERS Kurs auf das 627 Seemeilen entfernte Helsinki. Zwei ruhige Seetage, aber mit „full speed” 18 Knoten, um wenigstens einen Teil der immensen Verspätung wieder aufzuholen. Dafür schluckt der 9000 kW-Diesel denn auch 32 Tonnen schwefelreduziertes Schweröl pro Tag. Das berichtet Chief Volodymyr Kadatskyy während seiner beindruckenden Maschinenraum-Führung.

Bei Kaffee, Tee und Gebäck auf der Brücke querab Hiddensee und Rügen möchte der Kapitän gern wissen, warum wir ausgerechnet da Urlaub machen wollen, wo andere arbeiten? Auf so eine abstruse Idee käme er niemals. Und dann so manche Passagiere, die meinten, wir seien jederzeit für sie da, so was wie Service-Personal. „Die sogar ernsthaft von uns verlangt haben”, lacht Oleksandr, „dass wir wegen der besseren Sicht die Container vor ihren Kabinenfenstern wegnehmen sollten”. Er könne noch mehr solcher Stories erzählen.

Ruhige See am nächsten Morgen zwischen Estland und Gotland. Hinter grau drohenden Wolkentürmen verschafft sich die Sonne Oberwasser. Die Wende – zum Besseren natürlich.  

„Schade”, blickt Uli nach Südosten, „Riga hätte ich mir gern mal angesehen, aber das läuft ja nicht weg, nächstes Mal”, sagt er, während wir unsere appetitanregenden Runden rund ums Hauptdeck drehen.

Am nächsten Abend: Helsinki voraus. 21.20 Uhr fest im Containerhafen Vuosaari. „Wenn die hier nachts durcharbeiten”, freut sich Oleksandr, „haben wir wieder Zeit gut gemacht.” Es gießt in Strömen, der Seamans Club dicht und kein Bus mehr zur Metro in die City. Damit ist der Landgang gestrichen. Zeit für einen Film-Abend mit der DVD: „Reise nach Königsberg”. Womit zumindest ein „Konserven”-Eindruck entsteht. Draußen rumpeln die Container ihren Polter-Song dazu: eine Art „Heavy metal”. 

Auslaufen nach dem Frühstück durch den Schärengarten in den Finnischen Meerbusen. Kurs Ost nach Kotka, dem Hafen, der Russland am nächsten liegt. Das Handy signalisiert: „Welcome in Russia”, als KATHARINA SCHEPERS weitab den sichtbaren russischen Insel-Vorposten Ostrov Gogland passiert. Das klingt in unserer Situation wie blanker Zynismus. Der Spruch wird weggedrückt, auch weil das Telefonieren im weiß-blau-roten Sendegebiet extrem teuer ist.   

 

9. und 11. November mit Taifun

Kotka gewährt uns zwei halbe Tage und einen Abend, denn die straff gewerkschaftlich organisierten Hafenarbeiter lassen um Mitternacht den Hammer fallen und lehnen Nachtschichten ohne besonderen Grund ab. Nur weil wir Zeit verloren haben? So zerronnen wie gewonnen …

Für 15 € bringt uns ein Taxi vom Hafentor in die Stadt. Einkaufsbummel unter vorweihnachtlichem Lichterschmuck. Beim Lappin-Kulta-Bier lernen wir die temperamentvolle Finnin – das gibt’s auch – kennen, die unser Deutsch hört und freundlich herüber lächelt. „Du musst dich nur in eine Kneipe setzen’, gibt sich Uli siegessicher, „dann erfährst du mehr, als im Reiseführer steht”. Ein Grund, sich zu ihr zu setzen und sie einzuladen. „Kippis”, „Prosst” „Oikein hyvä” „Serrr gutt” Wir erfahren von Hilka mit ihrem rollenden R viel über Land und Leute, auch einiges zur strittigen Karelien-Frage und das daraus resultierende Verhältnis Finnlands zu Russland. Wirtschaftlich muss es brummen, so wie die vielen Lastzüge aus dem Putin-Reich bestätigen, die durch den Hafen kurven.

Zeit noch für einen Wald-Ufer-Spaziergang mit allerletztem Pilzesuchen und erfrischendem Acht-Grad-Ostseebad. Doch die Uhr tickt und wir machen uns wieder auf an Bord. Der Kapitän reckt den Daumen über unser pünktliches Erscheinen. Zur Sicherheit haben wir zuvor die Handynummern ausgetauscht.  

Nach dem Essen dreht das Schiff und nimmt fast die gesamte Hafenbreite ein: „Weil unsere Schraube links dreht”, erklärt der Master, „können wir hier viel besser manövrieren als mit Rückwärtsfahrt nach draußen”. Gekonnt macht er das, und der Lotse braucht fast nur zuzusehen.

Noch während wir an diesem geschichtsträchtigen 9. November den ARD-Film „Ich war Staatsfeind Nr. 1” sehen, brist es auf bis zu 9 Beaufort aus Südwest. Das Schiff schüttelt sich unter den schräg von vorn anrennenden Brechern. Sturm und Container geben ihre markerschütternde Nachtmusik. An Schlaf ist in dieser Nacht nicht zu denken. Die Geschwindigkeit fällt ab auf zehn Knoten. Erst querab Ost-Gotland beruhigen sich die Elemente wieder. Während in Fernost der verheerendste Taifun über die Philippinen rast. Auch einer der Männer an Bord ist betroffen: Er höre nichts mehr von seinen Eltern, sagt er leise. Die Seeleute sitzen vor dem Fernseher und sind tief betroffen von der Katastrophe.

Mit Höchstfahrt rauscht KATHARINA SCHEPERS derweil wieder dem Nord-Ostsee-Kanal entgegen. Unvorsichtigerweise spekulieren wir schon über Zugverbindungen. Und dann kommt wieder alles anders. 11.11. – noch ein närrischer Tag und mit ihm die Anweisung von Kiel Traffic, dass der Frachter wie schon drei weitere am Leuchtturm ankern soll. Erst mal bis 14 Uhr, dann wird man weitersehen. „Darüber bin ich nicht informiert worden”, beklagt sich Kapitän Oleksandr Nadiein, „dann hätte ich langsamer gemacht und viel Sprit gespart”.

Um 17.30 ist es so weit, bis wir uns bei der freundlichen Crew bedanken und verabschieden können. „You are welcome again”, lächeln sie und winken von der Reling zu uns auf die Schleuse Kiel-Holtenau herab.  

 

Fazit

Ende einer extrem erlebnisreichen, fast abenteuerlichen Reise, wobei der erste Teil nicht zur Nachahmung empfohlen wird. Also: Unbedingt vorher ein russisches Visum einholen für einen längeren Zeitraum, als die Reise dauert, um solchen Schwierigkeiten, wie wir sie hatten, aus dem Weg zu gehen.

 

Informationen

MS ANKE EHLER; Bauwerft: J.J. Sietas KG Schiffswerft GmbH & Co, Neuenfelde; Bau-Nr.: 1134; Ablieferung: 4/2000; Typ: 160a, Containerschiff mit Zellen; Reederei: MS „Anke Ehler” Schiffsbetriebsges. mbH & Co KG, Otterndorf, KR Heinz Ehler KG, Otterndorf; BRZ: 5067; tdw: 6840; Länge ü.a.: 117,90 m; Breite: 9,20 m; Seitenhöhe: 9,20 m; Tiefgang (max.): 7,10 m; TEU: 658; 3 Luken; Klassifikation: Germanischer Lloyd (GL); Hauptmaschine: MAK Maschinenbau GmbH, Kiel; Typ: 8M43; kW: 6100; Geschwindigkeit (max.): 17,5 kn; Flagge: deutsch; Heimathafen: Otterndorf.

MS KATHARINA SCHEPERS; Bauwerft: Sainty Marin Yangzhou, China; Ablieferung: 16.5.2012; Typ: Containerschiff mit Zellen; Eigner: Highseas Shipping Seven B.V., Niederlande; Bereederung: HS Bereederungs GmbH & Co KG, Haren/Ems; BRZ: 10.318; tdw: 13.031; Länge ü.a.: 151,74 m; Breite: 23,40 m; Tiefgang (max.): 8 m; Seitenhöhe: 11,75 m; TEU: 1036; Hauptmaschine: MAN; kW: 9000; Geschwindigkeit (max.): 18 kn; Bugstrahlruder: 800 kW; Flagge: Zypern; Heimathafen: Limassol.

 

Information, Buchung MS KATHARINA SCHEPERS

Internationale Frachtschiffreisen Pfeiffer, Manteuffelstr. 6, 42329 Wuppertal; Telefon: 0202-452379; mail@frachtschiffreisen-pfeiffer.de - www.frachtschiffreisen-pfeiffer.de

MS KATHARINA SCHEPERS – Nachbarschiff zur ANKE EHLER vor Brunsbüttel.MS KATHARINA SCHEPERS – Nachbarschiff zur ANKE EHLER vor Brunsbüttel.

Die geräumige und lichtdurchflutete Brücke.Die geräumige und lichtdurchflutete Brücke.

Brückenplausch mit dem Kapitän.Brückenplausch mit dem Kapitän.

 

Brücken-Besprechung – v.l.n.r. Zweiter Offizier, Kapitän, Zweiter Ing. und Chief.Brücken-Besprechung – v.l.n.r. Zweiter Offizier, Kapitän, Zweiter Ing. und Chief.

Auslaufen aus Vuosaari bei Helsinki.Auslaufen aus Vuosaari bei Helsinki.

Schärenlandschaft mit Ferienhäusern bei Helsinki.Schärenlandschaft mit Ferienhäusern bei Helsinki.

 

Ein typisches Mökki (finnisch Hütte), ein finnisches Ostsee-Ferienhaus.Ein typisches Mökki (finnisch Hütte), ein finnisches Ostsee-Ferienhaus.

Blick vom Brückendeck.Blick vom Brückendeck.

 

Finnisches Lotsenboot prescht vor Kotka heran.Finnisches Lotsenboot prescht vor Kotka heran.

Der finnische Lotse fährt jetzt das Schiff.Der finnische Lotse fährt jetzt das Schiff.

 

Beim Anlegemanöver in Kotka.Beim Anlegemanöver in Kotka.

Klar zum Laden und Löschen in Kotka.
Klar zum Laden und Löschen in Kotka.

Künstliche Weihnachtsbäume in einem Schaufenster von Kotka.Künstliche Weihnachtsbäume in einem Schaufenster von Kotka.

 

In den Kneipen von Kotka kommt man schnell ins Gespräch.In den Kneipen von Kotka kommt man schnell ins Gespräch.

Wilde finnische Küstenlandschaft.
Wilde finnische Küstenlandschaft.

Die Ostsee zeigt sich stürmisch.Die Ostsee zeigt sich stürmisch.

 

Die Kreideküste von Rügen voraus.Die Kreideküste von Rügen voraus.

Leuchtfeuer Kiel-Friedrichsort achteraus.Leuchtfeuer Kiel-Friedrichsort achteraus.

Wasserschutzpolizei auf Kontrollfahrt in der Kieler Foerde.

Wasserschutzpolizei auf Kontrollfahrt in der Kieler Förde.

Einsamer Frachter vor Sonnenuntergang.

Einsamer Frachter vor Sonnenuntergang.

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