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Herbert Fricke · Ressortleiter HamburgMagazin
Frühlingsgedanken auf See
„Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte, süße wohlbekannte Düfte streifen ahnungslos das Land"
Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als es Gedichte gab? Als Poesie ein Lächeln zaubern konnte? Na ja, das „blaue Band”, das gibt es längst nicht mehr, das wurde einst Passagierschiffen für die schnellste Atlantiküberquerung von Southampton nach New York verliehen. Aber die wohlbekannten Düfte, die gibt es noch. Sie überziehen den Kontinent von Süd nach Nord, vom Languedoc im Süden Frankreichs mit seinen blauen Lavendelfeldern, weiter nach Lugano, der frühlingswarmen Blumenstadt südlich der Berge, dann die Mandelblüte auf Mallorca, die schon bald sprießenden Tulpen in Holland, die Maiglöckchen und Veilchen in Oberbayern, die leuchtenden Fliederbüsche im Taunus und im Teutoburger Wald. Und schließlich, so Ende April, erreicht die Blüte von gelbem Ginster, rosaroten Kirschbäumen und zarten Frühlingsrosen auch die Nordseeküste: „Wo de Nordseewellen trecken an den Strand, wo de geelen Blomen bleu’n int deepe Land …”, so singen dann die Friesen. Überall naht der Frühling mit seinem Blütenmeer. Welch ein Tsunami aus Duft und Farben. Vor allem Pollen-Allergiker gehen – wenn sie schlau sind – zur Blütezeit an Bord und vergessen Heuschnupfen und tränende Augen. Seit den 4,6 Milliarden Jahren unserer Erdgeschichte kurven wir durch’s Universum, und schon seit dem „Urknall” gibt es auf unserem Planeten Sonnenschein und Jahreszeiten. Den Frühling interessiert nicht, ob Merkel wackelt. Oder ob Trump eine Mauer bauen lässt. Ob in Syrien oder sonst irgendwo idiotische Granaten krachen. Den Frühling interessiert auch kein Wahlkampf. Nicht der in Düsseldorf, nicht der in Berlin. Der Frühling kann sogar Millionen Gesichter, vom Dauerdisplay aufschauend, in die Sonne locken. Im Frühling spielt das Twittern all der Millionen Smartphones und Tablets keine Rolle. Im Frühling zwitschern echte Vögel. Sie twittern von Natur und Lebensfreude. Frühling ist die Zeit, in der Biathlon und Skispringen nicht mehr interessieren. Frühling ist die Phase, in der sich Haut nach Sonne sehnt. Und unsere Seele nach dem Meer.
Kenner cruisen im Lenz Übrigens, die „Lenzpumpe” an Bord hat nichts mit dem Frühling zu tun. Aber der Frühling kommt wie gerufen für Seereisende: Die mediterranen Küsten und Inseln des Mittelmeeres stehen in voller Blüte. Andalusien und Algarve blühen um die Wette, Mittelmeer und Blütenmeer in seliger Symbiose, die griechischen Inseln, die Balearen, Elba, Sardinien, Korsika und all die anderen Destinationen für eine wintermüde Seele. Weiter östlich der ölhaltige Sand der Levante wird ja politisch immer heißer, da blüht kaum etwas außer religiösem Wahn, da resigniert die Natur vor menschlicher Idiotie. Aber weiter westlich, vor Marokko und dem Senegal, auf den Kanaren, Kapverden, der Blumeninsel Madeira und all den anderen Anlaufpunkten vor Westafrika, da kann man atmen und fühlen, wie der Frühling erdteil-übergreifend und atlantisch blüht. Wie schön also, dass sich die Natur nicht von menschgemachter Idiotie ersticken lässt. Aber ‒ die Menschheit lässt sich manipulieren. Immer wieder, in allen Jahrhunderten. Fast alle Kriegsgründe waren manipuliert. Der letzte 2003 mit dem Einmarsch in den Irak. Aber bei aller Besorgnis befassen wir uns weitgehend mit nebensächlichem Blödsinn. Degeneration als Folge mangelnder intellektueller Inanspruchnahme? Hat unsere Gesellschaft wirklich nur noch vegane und laktosefreie Probleme? GenderInnen fordern, dass es künftig nicht nur den Seemann, sondern auch die Seefrau geben soll. Auch FlugzeugträgerInnen und ZerstörerInnen? Ich wünschte mir, dass Menschen und MenschInnen sich endlich wieder den wirklich wichtigen Problemen zuwenden würden. Wenn zum Beispiel die NATO-Mitglieder jetzt beschließen, ihre Militär-Etats „maßgeblich” zu erhöhen, dann hat das ja Folgen, von Politikern angepeilte Konsequenzen. Man rüstet ja nicht auf aus lauter Jux und Dollerei. Darüber denken die wenigsten nach, auch die genderbeschäftigten Seefrauen nicht. Übrigens: Wenn Trump für bestimmte Menschkategorien aus bestimmten Herkunftsländern die Grenzen dichtmacht, dann heißt das ja auch, dass |
all die Kreuzfahrt-Passagiere und Besatzungsmitglieder aus solchen Ländern in den U.S.A. nicht mehr an Land dürfen. Was bedeutet das? Wie soll das gehen?
Wie das Wahlvolk manipuliert wird Ich wünschte mir vor allem, dass wir uns alle weniger manipulieren ließen. Aber das wird nicht funktionieren, weil der Kapitalismus genau s o funktioniert. Allein in Berlin sind – nach offiziellen Schätzungen – rund 3.000 Lobbyisten im Umfeld des Bundestages und des Bundesrats im Einsatz. Mit dem ausschließlichen Zweck, die Gesetzgebung zu steuern und politische Pläne so zu manipulieren, dass es den betreffenden Unternehmen und Unternehmern nützt. Vor allem der Rüstungsindustrie. Und all den Berufsverbänden, Interessenverbänden, dem Kapital und denen, die es besitzen und vermehr-mehr-mehr-mehren wollen. 99 Prozent des Kapitals in Deutschland gehören einem Prozent der Bevölkerung. Das heißt: ein Prozent bestimmt den Kurs der Wirtschaft. Und damit auch unser Leben. Kaiser und Könige früherer Zeiten hatten weit weniger Macht als heute eine kleine Schicht allmächtiger Großaktionäre. Wer das kritisiert, schürt angeblich „Sozialneid”. Die sogenannte „breite Masse” soll das Maul halten und froh sein, dass es ihr so vermeintlich gut ergeht. Wir haben Wahlkampf. Unter anderem über solche Themen. Aber wie glaubwürdig können Politiker sein, die selbst zu dem EINEN Prozent gehören? Frau Wagenknecht und ihr Oskar sind reichgewordene Teilzeitkommunisten. Die predigen in Fernsehdiskussionen an ihren eigenen Einnahmen gern mal vorbei. Auch Martin Schulz, der neue SPD-Sozialmessias, ist dank all seiner europäischen Einnahmequellen Multimillionär geworden. Frau Merkel und ihr Mann? Die könnten die Uckermark kaufen, wenn sie wollten. CDU – Christlich Demokratische Uckermark. Lassen Sie sich doch mal die diversen Einnahmequellen all der „Volksvertreter” im Deutschen Bundestag zeigen. Da würden Sie staunen, liebes Wahlvolk …
Kommt Krieg? Wie weit sind wir, bei all diesem tückisch lautlosen Säbelrasseln, eigentlich noch von Krieg entfernt? Vorwände gibt es ja genug: Das „herrenlose” Öl in Libyen und im Irak, der epochale Öl-Deal zwischen Teheran und Peking, die diversen Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer, die gigantische amerikanische Verschuldung in China, das auf Venezuelas Öl geworfene Auge des Pentagons, das irrwitzige Hochjubeln der „Ukraine-Krise”, die deutschen Panzer im Baltikum … läuft da was? Künftige Kriege funktionieren völlig anders. Schlachtfelder im Sinne von Verdun und Stalingrad wird es nicht mehr geben. Die Kriege der Zukunft sind digital und schnell und extrem effektiv. Zum Beispiel haben Israel und die USA die Atomrüstung im Iran völlig lautlos ausgeschaltet. Unbemerkt von der Weltöffentlichkeit. Die Mullhas haben geschwiegen, weil sie das Gesicht nicht verlieren wollten in der arabischen Welt. Die digitalen „Schüsse” waren ja nicht zu hören und wurden deshalb auch nicht beachtet. Im Jemen beharken sich die Saudis und die Perser, Sunniten hie, Schiiten dort. Jeden Monat ein paar tausend tote Kinder. Abgehakt. Krieg mit konventionellen Kanonen und Geschossen. Die müssen nämlich weg. Cyberwaffen, Drohnen und selbstfahrende Automatikpanzer werden sie ablösen. Das ebenfalls religiös rumorende Pakistan wird zur Zeit mit Drohnen „befriedet” – sonst herrschten dort längst Verhältnisse wie in Afghanistan oder Syrien. China beutet in großem Stil afrikanische Bodenschätze aus. Das westliche Bündnis ist alarmiert. Konkurrenz am Kongo! Saudi-Arabien, schlimmste Geld- und Glaubensdiktatur der Welt, wird wegen ihres Öls von Washington gehätschelt und aufgerüstet. Mit diesen Petrodollars finanzieren die Saudis genau den „Islamischen Staat”, den Donald Trump zu seinem Todfeind erklärt hat … aber haben Kriege nicht schon immer jeglicher Logik entbehrt? Lässt sich alle Welt wieder mal für dumm verkaufen?
Wahlkrampf bis in den September Ich sage dies alles auch, um aufzuzeigen, wie scheinheilig besonders das gegenwärtige Wahlkampfgetue ist. Ich glaube keinem einzigen Politiker, der nicht bereit ist, seine eigenen Einkommensquellen offenzulegen. Das hat weniger mit Neid als mit Offenheit und Ehrlichkeit zu tun. Das ist nur der dringende Wunsch, nicht von morgens bis abends von solchen Leuten verarscht zu werden. Pardon: ich meine, etwas vorgemacht zu bekommen. Sie saufen Wein und predigen Wasser. Das gilt für alle Parteien, Kirchen, Stiftungen und Verbände! Allein wie sie für eine höhere Wahlbeteiligung werben. „Jede Stimme zählt”, rufen scheinheilig die Parteien. Na klar, für jede abgegebene Stimme bekommen sie Geld. Anteilsmäßig und in bar. Warum sagen sie das nicht? Ein Wort noch zur europäischen Geldpolitik. Die geht absehbar den Bach hinunter. Zur Zeit kann die Lage noch mit ständig neuem Geld unter Kontrolle gehalten werden. Aber nicht nur in Griechenland brodelt es unter der schönen blauen Euro-Decke. Dafür zahlen die vielen Millionen Sparer mit ihrem Zinsverzicht. Mit lautloser Enteignung. Es wirkt wie Hohn, wenn sich einige Geldinstitute noch „Spar”kasse nennen. Sparen war mal eine Tugend. Heute steht es quasi unter Strafe. Sparen war gut für Altersvorsorge und gegen Lebensrisiken. Heute ist Sparen wie einst Sündigen. Der Mephisto fährt im Rollstuhl. Millionen Berufstätige werden um ihre Altersvorsorge betrogen. Was kümmern IWF und EZB und Signore Draghi Altersarmut und Not in 20, 30 Jahren? Warum begehren all die Arbeitnehmer mit ihren windigen Zeitverträgen nicht auf? Warum werden sie nicht fest angestellt? Was ist da geplant im anscheinend so satten Deutschland? Aber lassen wir uns im Frühling die Laune nicht verderben. Hegen wir sie trotz allem, unsere Blütenträume. Und freuen wir uns auf unseren Osterspaziergang: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück”. Ja, das Leben geht weiter. Weltweit sind gerade 30 neue Krebsmittel in der klinischen Erprobung. Das macht doch Hoffnung. Die Elbphilharmonie ist endlich eingeweiht. 900 Millionen hat sie gekostet. Fast zehnmal so viel wie zunächst veranschlagt. Das ist aber immer noch weitaus preiswerter als eine einzige der neuen Korvetten für die Bundesmarine. Die kosten 1,3 Milliarden Euro das Stück. Was ist besser für unser Ansehen in der Welt: ein grandioses Opernhaus – oder ein graues Kriegsschiff? Die Vorgänger dieser Korvetten, die Lenkwaffenzerstörer und Fregatten, haben in 30 Jahren keinen einzigen scharfen Schuss abgefeuert. Gut, wenn es so bliebe. Dann doch lieber „Peer Gynt” oder „Eroica”, Edvard Grieg oder Ludwig van …! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen, ob an Land oder an Bord, einen schönen bunten Frühling, fröhliche Ostern und andauernde Gesundheit. Ihr Herbert Fricke |
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