Alles, was wir je gelernt hatten, kam aus
Griechenland: richtig denken, verständlich reden, klar schreiben, fehlerfrei
rechnen, sich sportlich betätigen, politisch mitmachen und die Fragen des
Lebens beantworten. Athen stand am Anfang von allem. Und wieder mal
besuchten wir es.
Alexis und Eleni erwarteten uns, Freunde seit
Jahren. Sie hatten unsere Wünsche vorher erfragt und umsorgten uns mit
sprichwörtlicher griechischer Gastfreundschaft. Und so saßen wir am Abend
des ersten Tages eines verlängerten Wochenendes unter der beleuchteten
Akropolis und tauschten Erlebtes und Erwünschtes aus, die weit Gereisten aus
dem Norden und die in Athen und Thessaloniki Handel treibenden. Ein Fisch
aus dem Bratofen, der erste dieser Reise, aber nicht der letzte. Kalter,
klarer Weißwein aus dem Norden des Landes, Vorspeisen, Nachspeisen – wir
waren wieder angekommen.
In einem Land ohne gleichen. All unsere
Kultur hatte ihre Wurzeln bei den alten Griechen. Doch der Ruhm aus dem
Altertum trägt heute nicht mehr jeden. Als die Türken 1456 kamen, wurde
Griechenland zu einer unbedeutenden Provinz des gewaltigen osmanischen
Reiches – über fast vier Jahrhunderte. Und dann geschah Verblüffendes.
Griechenland meuterte 1821 auf und befreite sich in einem acht Jahre
dauernden Krieg – mit Hilfe europäischer Großmächte – von den mächtigen
muslimischen Landesherren, suchte sich einen König (aus deutschen Landen)
und organisierte sich in einem modernen europäischen Staat mit
parlamentarischer Demokratie. Die Wirtschaft wuchs in einem Land mit
schwieriger Geographie ohne große Ressourcen.
Das gelang, Griechenland wurde die
vorherrschende Macht in Südosteuropa. In Griechenland ging der Zweite
Weltkrieg nahtlos in einen Bürgerkrieg über, der, erst 1949 beendet, in
Europa inzwischen vergessen wurde. Als einziges Land auf dem Balkan fiel
Griechenland nicht unter die Knute des Kommunismus. Und wurde in den letzten
Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts zu einer liberalen Demokratie.
Danach der Anschluss an Europa mit den
allseits bekannten Problemen. So die Gespräche am ersten Abend, wir waren
geerdet. Ja, wir teilten die Sicht unserer Freunde und den Wunsch, gemeinsam
in der Europäischen Union zu bleiben.
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Am Freitag genossen wir eine Fremdenführerin,
die uns das alte Griechenland noch näherbrachte, uns durch die Altstadt
führte, zuerst ins neue Akropolis-Museum und danach auf die Akropolis. Die
„oberste Stadt”, wie der Name des großen Bergs wörtlich übersetzt heißt, ist
eine ewige Baustelle. Nichtsdestotrotz wird sie selbst im kalten Nordwind
des Frühjahrs von Touristen heimgesucht.
Der Fremde sei gewarnt, mit Ledersohlen ist
der Aufstieg auf glattem Stein gefährlich. Wer das Weltkulturerbe intensiver
genießen will, muss zuerst das neue Museum zu Füßen der Akropolis besuchen.
Und sollte zu Abend im Restaurant Dionysos essen und den strahlenden Glanz
der Tempelanlage bewundern, wie einst wohl die Götter, die hier verehrt
wurden.
Samstag: zurück in die Gegenwart. Die Pláka,
die Altstadt, ist jeden Bummel wert, mit oder ohne Einkaufsabsichten. Die
Vergangenheit ist immer sichtbar. Abends bei den Freunden, wieder gab es
wunschgemäß Fisch, der auch hier so frisch wie nie war. Zubereitet auf alte
Art: im Backofen nur mit Öl und Salz.
Am Sonntagvormittag waren wir erfahren genug,
im nahen Museum allein die Kultur der Kykladen zu bewundern. Auf den Inseln
entwickelte sich, was uns immer noch staunen lässt: vollendete Töpferkunst
und minimalistische Plastiken.
Mittags Wachwechsel vor dem Parlament, zwei
Evzonen aus der Leibgarde des Präsidenten werden stündlich als Wachen vor
dem Grabmal des Unbekannten Soldaten abgewechselt. Ihre Paradeschritte sind
so fremdartig wie ihre Uniform, die aus den Kämpfen der Befreiungskriege des
19. Jahrhunderts stammt. Das Spektakel lockt zu jeder Tageszeit Scharen von
Besuchern an.
Besichtigungen am Nachmittag. Kalter Wind
ließ uns diesmal kurz vor dem Tempel des Poseidon auf Kap Soúnion umkehren.
In einer Hafentaverne in Lavrio fanden wir gerade noch Platz. Alexis
erfüllte unseren Wunsch nach einem weiteren Fisch mit dem gruseligen Namen
Skorpion und dem schmackhaftesten Fleisch. Abschied in der frühen Nacht vor
dem Hotel in Athen.
Am Montagvormittag holte uns im Auftrag unserer Freunde Olga mit
dem Taxi ab und fuhr uns zum Flughafen. Rückkehr über Zürich und Hamburg
nach Bremen.
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Poseidon, Gott des Meeres, und Athene,
Göttin der Weisheit, der Strategie und des Kampfes, wetteiferten um die
Gunst der Athener. Der Herr der Wogen ließ eine Quelle entspringen, die
Göttin ließ einen Olivenbaum wachsen. Die Stadt entschied sich für die
Oliven, denn die Quelle des Poseidon lieferte nur salziges Wasser.
Der Tempelvries im Akropolis-Museum hält
die Szene in beeindruckender Bildhauerkunst fest.
Foto: Dieter Bromund, Bremen
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