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Die Kathedrale San Cristóbal in Havanna auf der Plaza de la Catedral ist ein Bau des Barock aus dem 18. Jahrhundert.

Die Kathedrale San Cristóbal in Havanna auf der Plaza de la Catedral ist ein Bau des Barock aus dem 18. Jahrhundert.

Alle Fotos dieser Seite: Dr. Klaus-Dieter Block, Neubrandenburg


Dr. Klaus-Dieter Block

Kuba – jetzt oder nie?

Die Zukunft der Karibikinsel ist offen

In Lateinamerika an der Spitze

Fragt man Mitreisende oder Karibik-Reisewillige, warum sie nach Kuba wollen, kommt bei den meisten die Antwort, dass sie noch einmal das alte sozialistische Kuba erleben wollen. „Bevor die US-Amerikaner kommen und mit ihnen die Marktwirtschaft und die Kommerzialisierung des Lebens.”

Inklusive in Bildung und Gesundheitswesen? Beides ist gegenwärtig noch kostenfrei. Kuba steht in vielen sozialen Bereichen, wie z.B. bei der niedrigen Kindersterblichkeit und der guten Bildung in Lateinamerika an der Spitze und lässt auch das eine oder andere westliche Land bei diesen Kennziffern hinter sich.

Bleibt das so? Zunächst kam im Frühjahr 2016 der damals amtierende US-Präsident Barack Obama und der hatte auch angekündigt, endlich ein Konzept zur Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo im Osten Kubas vorzulegen.

Die Beziehungen zwischen den gegensätzlichen Nachbarn verbessern sich nach mehr als einem halben Jahrhundert feindlicher Stagnation langsam. 70 Prozent der Kubaner sehen diesen Veränderungen mit großen Hoffnungen entgegen, schätzt Ronaldo, ein fließend Deutsch sprechender Reiseführer einer Gruppe aus der Schweiz, ein.

Der Mittfünfziger hat als Arzt in der DDR gearbeitet, musste auf Weisung der kubanischen Spitze wie 8.000 seiner Landleute 1990 zurück in die Karibik. „Als Arzt mit 40 konvertierbaren kubanischen Peso (CUC), das sind 40 US-Dollar im Monat, kann ich mich und meine Familie nicht ernähren. Im Tourismus sind die Trinkgelder der westlichen Touristen unsere Existenzgrundlage.”

Berufung oder Existenz? Das ist eine der individuellen und gesellschaftlichen Zwickmühlensituationen im Kuba des Jahres 2016. Show für die Touristen oder authentische kubanische Lebensfreude eine andere. Neben farbenprächtigen Präsentationen in Kostümen und kubanischen Klängen für die Touristen und gegen Trinkgeld dominieren in Havanna und im Land nach wie vor authentische Ausdrucksformen der karibischen Lebensfreude. Auch der ungestörte Genuss einer Zigarre gehört dazu.

 

Deprimierende Bilder mit Fragezeichen

In wohl keinem anderen Ort der Welt wird der Besucher mit allen drei Zeitformen so intensiv konfrontiert wie in Havanna: Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft. Die Bilder sind es, die eine gedanklich intensive Zeitreise forcieren und oft zur Sprachlosigkeit führen.

Im Herzen Havannas ist die Kuppel des „Kapitols” mit Netzen verhüllt. Das zentrale Bauwerk aus dem Jahre 1929 wird rekonstruiert und soll ab 2018 als Parlamentssitz dienen. Gleich daneben ist „Große Wäsche” ‒ die Balkone der bunten, aber maroden Häuser hängen voll davon mit eigener und der Wäsche von „Kunden”.  

Die bewohnten Häuser zwischen alter Schönheit und Verfall erinnern an Leipzig-Connewitz 1990. Ein Déjà-vu, wie es Ostdeutsche, die die DDR bewusst erlebt haben, auf Kuba nicht selten erleben. Hier ist es der dringende Investitionsbedarf, das fehlende Kapital.

Aber: Kapital schützt nicht vor Verfall, wie Stadteile in den westlichen Zentren wie New York, Detroit, London oder Paris zeigen. Auch das Ruhrgebiet sieht nicht mehr so richtig frisch aus. Zerfall ist also kein ausschließliches spät- oder postsozialistisches Zeichen, sondern auch das Ergebnis profitablen Desinteresses.

Aber hier in Havanna ist schon was zu holen! Wo wird die Wäscherin mit ihren drei Kindern in einigen Jahren wohnen. Nach der Revolution 1959 haben Fidel Castro und Genossen Slums, Bordelle, Casinos und Mafianester radikal vom ehemaligen Hinterhof der USA gefegt. Eine Renaissance dieses Batista-Sündenpfuhls ist unvorstellbar.

Es bleibt die Frage: Wie groß ist die Hoffnung auf einen systemübergreifenden architektonischen (sozial abgesicherten) Solidaritätsakt nach dem Ende des Kuba-Boykotts durch Ost und West?

Das größte Verkehrsmuseum der Welt

Andere Bilder in den Straßen der Zwei-Millionen-Stadt sind weniger dramatisch und

rufen nicht nur bei männlichen Touristen eher ein Staunen und Wundern hervor. Die

Mobilität ist oft ein Spiegelbild historischer und aktueller Zustände. Hier sind es die weltberühmten alten Straßenkreuzer aus den 1950er Jahren, die nicht als einzelne Exoten, sondern zu Hunderten immer noch auf der Insel unterwegs sind. Und sie verkörpern Weltgeschichte des letzten halben Jahrhunderts auf Kuba. Die Chevrolets und Buicks haben eine amerikanische Hülle, aber heute oft ein russisches Herz mit einem Moskwitsch-Motor.

PKW’s und LKW’s aus sowjetischer Produktion haben nach 1960 das Straßenregime bis 1990 und letztlich bis heute übernommen, gehören also auch schon aufs mobile Altenteil. Auch Motoren des DDR-LKW W 50 sollen prima nach einigen Schraubereien in die Straßenkreuzer passen. Relativ frisch und mit hellem Zwei-Takt-Klang trifft man hingegen an jeder Kreuzung MZ-Typen aus Zschopau, Mitbringsel der DDR-Kubaner.

Die Karibikinsel ist das größte Verkehrsmuseum der Welt. Nicht nur vom Alter der Fahrzeuge her, sondern auch von der Vielfalt. Neben motorgetriebenen Fahrzeugen gibt es auch auf der Autobahn Ochsen- und Maultiergespanne, flotte Einspänner, Reiter, Fahrradfahrer und Fußgänger, oft mit einem Sack auf dem Rücken.

Kuba ist das Gegenmodell zur westlichen Wegwerfgesellschaft. Und hat sich durch den Mangel weltweit an die Spitze einer nachhaltigen Landwirtschaft gebracht und ist dafür von der UNO ausgezeichnet worden. Keine Ersatzteile für Traktoren, knapper Diesel, keine Devisen für anorganischen Dünger. Es geht auch mit Moschusochsen, Maultieren und Dünger aus dem natürlichen Kreislauf.

 

Respekt vor der Überlebensleistung der Kubaner

Das ist natürlich nicht tauglich für den Wettbewerb auf dem Weltmarkt und ist nicht messbar an rentablen Profitkennzahlen. Es verlangt aber Respekt, wie die Kubaner trotz Boykott und nahezu globaler Isolation und sozialistischer Mangelwirtschaft nicht nur überleben, sondern auch ein bisschen mehr.

Aber das wird für die Zukunft nicht reichen, denn der geringe Monatslohn und die ungenügende Versorgungssicherheit drücken schließlich auch auf die Lebensfreude. Mit der Übernahme der politischen Führung durch Raul Castro von seinem Bruder Fidel im Jahre 2008 kam die Einsicht, dass die „totale Planwirtschaft” ein entscheidender Katalysator der Misswirtschaft ist. Kleine Privatinitiativen von Tabakbauern oder bei Dienstleistungen entspannen die Situation seitdem, aber zu wenig.

Die schlechte wirtschaftliche Situation vieler Kubaner ist sicher ein Ergebnis der jahrzehntelangen globalen Situation. Die Insel ist tatsächlich eine weltpolitische Vollwaise, auch wenn Venezuela oder China die eine oder andere Adoptivleistung erbringen. Das Problem liegt am praktizierten sozialistischen System und an der Unmöglichkeit, revolutionären Elan mit Ideologie und Überwachung zu konservieren und schließlich in den fehlenden demokratischen und individuellen Freiheiten.

Kuba hat den Vorteil, die Erfahrungen der ehemaligen sozialistischen Bruderländer und so auch der DDR beim Zerfall und beim Übergang in die Marktwirtschaft zu analysieren.

Das letzte Vierteljahrhundert hat gezeigt, dass die einfache Transformation der Marktwirtschaft und der Herrschaft des Kapitals mit mehr politischen und moralischen Tücken verbunden ist, als in der ersten Siegerlaune behauptet und vermutet.

Der bevorstehende Wandel auf Kuba ist (jetzt oder nie?) vielleicht auch eine Chance, ein neues Gesellschaftsmodell zu kreieren, bei dem neben zwingenden Reformen die Errungenschaften und Erfahrungen der letzten sechs Jahrzehnte nicht einfach auf die Müllhalde der Geschichte geworfen werden.

Nach dem gegenwärtigen Touristenboom in das alte Kuba, wäre das in Zukunft ein guter Grund, in die Karibik zu fliegen und sich dieses Modell im neuen Kuba anzusehen.

Kuba-Show auf der Plaza de la Catedral vor der Kathedrale.

Kuba-Show auf der Plaza de la Catedral vor der Kathedrale.

Es gibt noch Tausende über 55-jährige amerikanischer Straßenkreuzer.

Es gibt noch Tausende über 55-jährige amerikanischer Straßenkreuzer.

 

Kubaner sind Musiker und Tänzer.

Kubaner sind Musiker und Tänzer.

Warten auf den Bus

Warten auf den Bus.

Stilles Warten auf Touristen.Stilles Warten auf Touristen.

Gesichter Kubas – zwischen Hoffnung und Skepsis.

Gesichter Kubas – zwischen Hoffnung und Skepsis.

Karibischer Optimismus.    Karibischer Optimismus.

Ein kubanischer Tabakbauer. 

Ein kubanischer Tabakbauer.

Farbige Gastfreundschaft!

Farbige Gastfreundschaft!

Große Wäsche im Herzen Havannas.

Große Wäsche im Herzen Havannas.

Bildung wird groß geschrieben! Bildung wird groß geschrieben!

Kinder voller Lebensfreude.

Kinder voller Lebensfreude.

Strandabend in Havanna.

Strandabend in Havanna.
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