EDITORIAL · AUSGABE 2/2019
Unser neuer Traumschiff-Kapitän
Eine Antrittsrede von Herbert Fricke
Das TRAUMSCHIFF war mal Deutschlands beliebteste Fernseh-Serie. Der Produzent Wolfgang Rademann, Erfinder und erster Macher der Serie, war Berliner. So wählte er Anfang der Achtziger Jahre folgerichtig nach der VISTAFJORD zunächst die BERLIN als sein damaliges „ZDF-Traumschiff”. Der Mann von der Spree ließ sich damals noch beraten von echten Besatzungsmitgliedern und vom echten Reeder Peter Deilmann, mit dem er sorglos küstennebeln konnte. Sans soucis. Achtern auf Deck 7 in der Bar „Zum alten Fritz”. Später wurde die BERLIN verkauft, und die nagelneue DEUTSCHLAND wurde das nächste „Traumschiff” der deutschen Kreuzfahrer. In echt – und im Zweiten Deutschen Fernsehen. Der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker schleuderte am 11. Mai 1998 in Kiel die Champagnerpulle gegen den weißen Bug des Neubaus und wünschte „Allzeit gute Fahrt”. Er war damit übrigens auf Wunsch des Reeders der einzige männliche Taufpate, sonst machen das ja immer Ladies. Die DEUTSCHLAND war zugleich echtes Kreuzfahrtschiff und schwimmende Kulisse deutscher Fernweh-Träume.
Die Spielhandlungen an Bord und auch an Land fanden damals noch in ziemlich echter maritimer Atmosphäre statt. Die meisten TV-Episoden der großen Traumschiff-Jahre waren anfangs noch nicht so kitschig und viel glaubwürdiger als später. Das Drehbuch war noch zumindest angelehnt an die Wirklichkeit. Auch der alte Kapitän, gespielt zunächst von Heinz Weiss, später von Siegfried Rauch, der Schiffsarzt, die Chefstewardess, und so mancher der diversen Charaktere dort an Bord wirkten damals noch einigermaßen glaubwürdig. Sogar der echte Kreuzfahrtdirektor Wolfgang Frank spielte im Fernsehen selbst sein filmisches Pendant.
Dann, Anfang 2016, starb der Erfinder der Serie, Wolfgang Rademann, und mit ihm seine maritime Seele, sein Einfühlungsvermögen, seine Einblicke in das wirkliche Bordgeschehen. Der alte Kapitän Siegfried Rauch ging von Bord, und auch die in die Jahre gekommene Chefstewardess Heide Keller wackelte bereits. Viele Prominente, wie zum Beispiel Kreuzfahrtdirektor Harald Schmidt, heuerten eilig ab, weil das stolze Schiff zu sinken begann. Im Fernsehen und auch in der Wirklichkeit. Die Reederei ging pleite, die Töchter des Reeders Peter Deilmann erwiesen sich als unfähig, das Neustädter Unternehmen weiter zu leiten, das Schiff wurde weit unter Wert verscheuert, der echte Kapitän Andreas Jungbluth blieb an Land in Övelgönne, wo er noch heute kopfschüttelnd auf die Elbe schaut.
Dann kam die maritime Metamorphose. Eine andere Reederei, ein anderes Schiff, eine neue Filmbesatzung, und auch eine andere echte Besatzung. Das neue Traumschiff AMADEA ist ja gut geeignet und bestens in Schuss. Aber die Macher begannen, das Publikum zu veräppeln. Inhaltlich und auch personell: Sascha Hehn, jahrelang Steward auf dem alten „Traumschiff”, avancierte – oh Wunder – von der gastronomischen Fachkraft zum Nautiker. Statt Speisekarte nun Kapitänspatent A 6. Pfeif auf Patente, pfeif auf Glaubwürdigkeit, es reimte sich sogar: der Hehn, der Hehn, der wird nun Kapitän! Das war, als machte Hollywood über Nacht Siegmar Gabriel zum neuen James Bond. Und was passierte dann ganz folgerichtig: Das Fernseh-Publikum schaltete um auf „Navy CIS” und „DSDS” und „Let’s Dance”. Das Traumschiff lief quotenmäßig auf Grund. Folge: der Hehn, der Hehn, der musste leider geh’n. Er hat abgemustert. Und mit ihm etliche andere Traumschiff-Gesichter.
Denn – das Publikum wollte sich nicht länger verarschen lassen. Die einstigen Identifikationsfiguren waren noch viel zu gegenwärtig im Gedächtnis des Publikums. Aber die früher so zugkräftige ZDF-Serie litt nun unter schwachen Episoden. Märchenerzähler statt Drehbuchschreiber waren jetzt am Werk. Die Quoten gingen in den Keller. So wie die Chefstewardess gleichen Namens. Da nützten selbst die Wunderkerzen auf der finalen Eistorte immer weniger. Aber, so rief man ja schon immer an der Küste: „Trutz, blanker Hans!” – wenn einem das Wasser bis zum Halse stand. Und deshalb entschied dann auch die salzwassertreue ZDF-Intendanz auf dem Mainzer Lerchenberg: trotz dieser Fernsehflaute werden wir unser Traumschiff nicht untergehen lassen. Wir werden es wieder in die steife Brise steuern. So wie ja auch Noah seine Arche durch alle abgesackten Quoten gesegelt hätte, um all die großen und kleineren Tiere an Bord in Sicherheit zu bringen. Nicht umsonst spricht man ja von der „Christlichen Seefahrt”.
Der neue Kurs wurde abgesteckt. Es sollte, wenn das – physikalisch gesehen – auf hoher See überhaupt möglich ist, wieder „aufwärts” gehen mit dem Traumschiff. Das ZDF, so wurde entschieden, bleibt unterwegs auf den Meeren dieser Welt. Und das Volk kann aufatmen: Man hat nämlich einen neuen Kapitän gefunden. Ein echtes Mannsbild. Einen total glaubwürdigen Mann für die Kommandobrücke. Eine für diesen Job geradezu ideale Traumbesetzung: Eine lebenserfahrene, liebeserfahrene, welt-erfahrene Persönlichkeit! Einen wirklichen Seebären! Ein nautisches As auf der Brücke und ein uniformierter Blickfang in den Salons des Traumschiffs. Einen weltweit befahrenen Commandante, a real Master, einen Capitano, wie er im Buche steht.
Dieser mit großer Lebenserfahrung ausgestattete Kapitän, der die Meere dieser Welt kennt wie kein zweiter, soll nun souverän die Geschicke unseres Traumschiffs lenken. Als einer, der nicht atemlos durch die Nacht segelt, sondern dem die vier goldenen Ärmelstreifen auf seiner Uniform Ehre und Verpflichtung sind. Ein Mannsbild, das sein Schiff stets auf Kurs hält und – die Frauen an Bord in helle Verzückung geraten lässt. Einer, dem man sein seemännisches Können sofort ansieht. Dem man sich gerne anvertraut. Je rauer die See, desto souveräner sein nautisches Vermögen, seine navigatorischen Fähigkeiten. Der erfahrene Seemann spricht aus jeder seiner knappen Gesten. Dieser Kapitän ist – im Notfall – auch ein Held der Havarie getreu seinem Lebens-Motto: „Frauen und Kinder zuletzt!” Pardon, zuerst natürlich. Dieser Mann beherrscht nicht nur die bayrische Seenotrettung. Als Kommandant des Eisbrechers „Helene” hat er sich auch einen Namen in der internationalen Seefahrt gemacht. Ein extrem erfahrener Lotse also – durch die Klippen des Lebens und der Meere. Ein Kommandant, dem tausend Passagiere gern ihr Leben anvertrauen. Dieser wunderbare Kapitän heißt:
F l o r i a n S i l b e r e i s e n
Deshalb singen wir nun alle mit der Bordkapelle: „Nimm mich mit, Kapitän Silbereisen, nimm mich mit in die weite, weite Welt, denn ich möchte so gern mit Dir verreisen, so hab’ ich mir die Seefahrt vorgestellt …” „Darf ich bitten? Nein, nicht doch, Herr Kapitän, ich meinte die Dame hinter Ihnen … ach, die ist grad von Bord gegangen? Schade …”
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(Lesen Sie mehr Amüsantes von unserem Autor Herbert Fricke in seinen Büchern „Gespräche an der Reling” und „Geständnisse an der Reling”, erhältlich über das SeereisenMagazin: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!