NORDSEEMAGAZIN · AUSGABE 2/2019
Ein Bild aus besseren Zeiten. Die GORCH FOCK auf dem Weg nach Bremerhaven. Foto: Dieter Bromund, Bremen
Dauerthema: GORCH FOCK, Stolz der Marine?
Vor 60 Jahren wurde sie in Dienst gestellt, ein weißer Dreimaster, 89 Meter lang mit 45 Meter hohen Masten: die Bark GORCH FOCK, die fortan als „Deutschlands Botschafterin unter Segeln” über die Weltmeere segelte und Nachwuchs an Offizieren und Unteroffizieren der Bundesmarine ausbildete. Segelschiffe zu halten, weiß man an der Küste, ist teuer. Doch warum so teuer, fragt man sich und verfolgt die einschlägigen Berichte und Kommentare mit großer Aufmerksamkeit. Wie kann man eine Ausschreibung zur Sanierung eines Schiffes machen und beurteilen, ohne die Schäden zu kennen? Ende Januar las man, dass die GORCH FOCK wenigstens wieder schwimmfähig gemacht werden soll. Denn verschrotten könne man sie in der Werft in Bremerhaven nicht. Dafür sind andere Spezialisten an anderen Orten nötig. So hoffen nicht nur die Mariner weiter auf ihr Schiff, auch die Werft bangt. 130 Arbeitsplätze auf der Werft und etwa 500 weitere bei Zulieferern in der Region wären betroffen, wenn’s nicht weitergeht. Besonders pikant ist die Situation des Schiffes, weil sich gleich zwei Staatsanwaltschaften mit ihm beschäftigen. In Hamburg ermittelt man wegen des Verdachts der Untreue gegen einen Ex-Vorstand der Werft, in Osnabrück geht es um einen Korruptionsverdacht.
Wie der Ozean vermessen wird
Mehr als zwei Drittel unseres Planeten sind von Meeren bedeckt, doch was auf ihrem Boden passiert, ist immer noch ein Geheimnis. 95 Prozent des Meeresbodens sind unerforscht. Das soll sich ändern, wenn die Vision eines Bremer Start-ups wahr wird: den gesamten Meeresboden will Plan Blue kartographieren. Das junge Unternehmen geht dabei einen eigenen Weg. Die vier Gründer haben ein Gerät entwickelt, das neben Sensoren auch eine Kamera enthält, die hyperspektrale Bilder aufnimmt. Übliche Kameras nehmen nur auf, was auch das menschliche Auge sehen würde, die Hyperspektralkamera erfasst sehr viele, eng bei einander liegende Wellenlängen – und damit wesentlich mehr Daten für die spätere Verarbeitung. Die Technik wird schon bei der Beobachtung der Erde durch Satelliten eingesetzt. Plan Blue hat diese Kamera für den Einsatz unter Wasser verwendbar gemacht. Die Daten können am Computer verarbeitet werden und später mit Hilfe des europäischen Galileo Navigations-Systems zu einer Karte des Meeresbodens zusammengefügt werden. Das heute noch Unbekannte könnte also bald erkennbar sein.
Korvetten sind Schiffe für verschiedene Aufgaben. Schon ab dem 18. Jahrhundert gab es sie – als Segelschiffe.
Quelle: Bundesmarine/Bundeswehr
Kriegsschiffe aus Deutschland
Gleich zweimal konnten im Januar deutsche Werften Aufträge für den Bau von Kriegsschiffen entgegennehmen. In Lemwerder erhielt Abeking & Rasmussen den Auftrag, für die indonesische Marine zwei Minensuchboote von 60 Metern Länge zu bauen. Details wurden nicht bekannt gegeben. Die Bremer Werft ist spezialisiert auf den Bau von Marineschiffen, Großyachten und Spezialschiffen. In Lemwerder liegt auch die Lürssen-Werft. Auf ihr begann die Arbeit an fünf Korvetten K 130 der deutschen Marine, im Gesamtwert von fast zwei Milliarden €. Doch anders als beim Nachbarn teilen sich in diesen Auftrag mehrere Werften. Zwei Vorschiffe werden bei Lürssen, drei bei den German Naval Yards in Kiel gefertigt. Die Fertigung der fünf Hinterschiffe erfolgt auf der Peene-Werft in Wolgast und bei Blohm+Voss in Hamburg, die zur Lürssen Gruppe gehören. In Hamburg erfolgt auch der Zusammenschluss von Vor- und Hinterschiff, die so genannte Hochzeit. Die Schiffe sollen ab 2022 ausgeliefert werden und bis 2025 komplett fertiggestellt sein.
Offshore-Windenergie nach Plan
Bis 30. Juni wird das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) einen Flächenentwicklungsplan vorlegen, „ein wesentliches Instrument zur Erreichung der gesetzlichen Ausbauziele für Offshore-Windenergie”. Der Plan wird auch den Verlauf der Anbindungsleitungen festlegen. In der deutschen Nordsee waren Ende letzten Jahres 15 Windparks mit rund 1.000 Windrädern in Betrieb, in der Ostsee drei mit 210 Rädern. Das Ausbauziel, das die Bundesregierung für 2020 vorgab, liegt bei 6.500 Megawatt, das für 2030 bei 15.000 Megawatt. Beide Ziele werden mit dem Plan erreicht. Der Anteil der Offshore-Windparks an der Stromerzeugung liegt heute bei rund 3 Prozent.
Binnenschifffahrt sinkt
Ein modernes Binnenschiff ist unter 20 Kilometern in der Stunde schnell. Doch im Inlandsverkehr ist es das wirtschaftlichste aller Transportmittel. Je nach Größe ersetzt es etwa 90 Lastwagen. Für die deutschen Klimaschutzziele wäre also ein Wachstum der Binnenschifffahrt wünschenswert. Doch er blieb aus. Zwischen 2007 und 2016 hat sich die Anzahl der Schiffe der deutschen Binnenflotte um mehr als 15 Prozent verringert, das Laderaumangebot ging um fast acht Prozent zurück, die beförderte Gütermenge sank um mehr als 9 Prozent.
Sieben Mal so groß wie das Land Berlin ist in der Antarktis der Eisberg mit dem schlichten Namen A68. Unter ihm liegt eine Welt, von der selbst Experten nichts wissen. Foto: Alfred Wegener Institut, Bremerhaven
POLARSTERN-Expedition: Forscher wollen Leben unter hunderte Meter dickem Eis erkunden
Ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Alfred Wegener Instituts Bremerhaven flog am 4. Februar Richtung Antarktis, um ein bisher unter Schelfeis verborgenes Meeresökosystem zu erkunden.
Der Eisberg namens A68, der fast die siebenfache Fläche Berlins aufweist, kalbte im Juli 2017 vom antarktischen Larsen-Schelfeis. Jetzt planen Forscher, per Schiff in die Region zu fahren, um dort Proben vom Meeresboden zu nehmen. Durch den Abbruch eines riesigen Eisberges wurde eine Fläche von etwa 5.800 Quadratkilometern von der hunderte Meter dicken Schelfeisschicht befreit. Schon zwei Expeditionen hatten vergeblich versucht, das Gebiet zu erreichen. Die Mission eilt: Das wahrscheinlich seit mehreren tausend Jahren vom Eis bedeckte Ökosystem könnte sich mit dem jetzt einfallenden Licht rasch verändern.
Das Team legte am 9. Februar 2019 in Punta Arenas (Chile) mit dem Forschungseisbrecher POLARSTERN zu der neunwöchigen Expedition in die Antarktis ab. Die Nutzung von Satellitenaufnahmen unterstützt dabei die Navigation durch das Meereis, denn das Ziel liegt in einer abgelegenen Region des Larsen-C-Schelfeisgebietes östlich der Antarktischen Halbinsel.
„Das Kalben von A68 ist eine einmalige Gelegenheit, Meereslebewesen zu untersuchen, die einem dramatischen ökologischen Wandel ausgesetzt sind. A68 ist einer der größten jemals beobachteten Eisberge. Sein Abbruch eröffnet uns die einzigartige Chance, eine Welt zu erforschen, über die wir praktisch nichts wissen, weil sie normalerweise unter hunderte Meter dickem Eis verborgen liegt”, sagt der Meeresbiologe Dr. Huw Griffiths vom British Antarctic Survey (BAS). Er leitet eines der Projekte zur Erforschung der Biologie am Meeresboden. „Das Gebiet war Jahrtausende ohne Sonnenlicht, und wir gehen davon aus, dass sich hier eine Artengemeinschaft entwickelt hat, die sich speziell an ein Leben mit sehr wenig verfügbarer Nahrung angepasst hat. Der Abbruch dieses riesigen Eisbergs wirkt so, also nehme man plötzlich die Decke von einer Höhle. Erstmals seit tausenden von Jahren können durch das einfallende Sonnenlicht an der Wasseroberfläche Mikroalgen wachsen, was das gesamte Nahrungsnetz verändert, so dass sich andere Arten ansiedeln”, erläutert Huw Griffiths.
Hubschrauber fürs Forschungsschiff
Piloten des Emder Helikopter-Dienstleisters Heli Service International bringen im Alltagsbetrieb Monteure zu abgelegenen Windkraftanlagen weit draußen in der Nordsee. Einige Piloten des Unternehmens bereiten sich jetzt mit Nachtflügen und speziellen Transportmanövern auf einen ungewöhnlichen Einsatz vor. Sie werden auf der POLARSTERN des Bremerhavener Alfred Wegener Instituts (AWI), die sich im Meereis einfrieren lassen will, stationiert, um mit den Strömungen durch das Nordpolarmeer zu driften. Wissenschaftler aus 17 Ländern werden an dieser Expedition teilnehmen, um Klimadaten zu sammeln, die anders aus dieser unzugänglichen Weltgegend nicht zu bekommen sind. „Mosaic” nennt sich das Projekt mit insgesamt 600 Teilnehmern – die größte Forschungsexpedition aller Zeiten in der Arktis. Eingesetzt werden zweimotorige Mehrzweckhelikopter des Typs MBB BK 117, die Passagiere und Fracht transportieren können und ebenso Messgeräte im Schlepptau. Eins dieser Geräte ist eine fast vier Meter lange Mess-Sonde in Torpedoform, die an einem 20 Meter langen Seil in 15 Metern Höhe über das Meereis geflogen wird. Mit elektromagnetischen Messungen wird sie Veränderungen in der Eisdicke messen.
Bilanz der Seenotretter
An der niedersächsischen Nordseeküste fuhren die Seenotretter im letzten Jahr 629 Einsätze, 2.156 Mal waren die 59 Schiffe und Boote der DGzRS auf Nord- und Ostsee im Einsatz und retteten 356 Menschen aus Seenot oder aus drohender Gefahr. Insgesamt war 2018 ein ruhigeres Jahr für die Retter als 2017. Sie bewahrten damals 60 Schiffe und Boote vor Totalverlust, 2018 waren es 56. Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger wird nicht vom Staat finanziert, sondern ist ständig auf Spenden angewiesen. Die sind manchmal beeindruckend hoch. So kamen im Vorjahr bei einer traditionellen Bremer Veranstaltung, der Eiswette, annähernd eine halbe Million Euro zusammen.
Der Stint stirbt in der Elbe
Über Jahrzehnte ernährte der Stint nicht nur die Elbfischer, sondern auch Tierarten wie Schweinswale und Flussseeschwalben. Doch in den vergangenen fünf Jahren brach die Stint-Population in der Tide-Elbe zusammen. Elbfischer und Biologen schlagen Alarm. Ursache für den Zusammenbruch sei die Kanalisierung der Elbe, die zunehmende Verschlickung, ein höherer Tidenhub. ein höherer Salzgehalt und die immer wiederkehrende Trübung des Wassers. Sie fürchten, dass durch die Elbvertiefung die fischfeindliche Trübung extrem zunehmen wird und der Stint, der noch flächenhaft in der Nordsee vorkommt, nie wieder in die Elbe zurückkehren wird.
Weniger Fisch auf den Tisch?
Rund 39.400 Tonnen Hering dürfen deutsche Nordsee-Fischer in diesem Jahr fangen, 40 Prozent weniger als im Vorjahr. Beim Kabeljau sind es 35 Prozent weniger, beim Seelachs gibt es ein leichtes Plus. Die EU-Staaten legen jedes Jahr die Fangmengen für den Nordost-Atlantik und die Nordsee fest und zwar aufgrund wissenschaftlicher Empfehlungen. Die Quoten gelten jeweils für ein Jahr. So ist für 2019 für Deutschland bei Makrelen ein Minus von 20 Prozent vorgesehen, nur noch 16.000 Tonnen dürfen gefangen werden, an Schollen ganze 5.300 Tonnen.
Das besondere Buch
Ralf Witthohn
Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer
Die Rolle der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft
Rezension von Dieter Bromund
„Die Schifffahrt”, schreibt Ralf Witthohn, „ist Hauptakteur der in ihrer bisherigen Form zunehmend kritisierten und inzwischen auch von Regierungen in Frage gestellten Globalisierung.” Und legt ein Buch vor, das seinesgleichen sucht. „Viele der in diesem Werk erfassten Informationen über die maritime Logistik und die Arbeit auf dem Meer konnten nur durch aufwändige Vor-Ort-Recherchen gewonnen werden, durch Interviews mit Besatzungen und Hafenbeschäftigten: denn sowohl Reedereien wie Umschlags- und verarbeitende Betriebe halten Daten über ihre Aktivitäten aus Wettbewerbs- oder Sicherheitsgründen zurück.” Dennoch wurde Witthohns neustes Buch 572 Seiten dick, allein das Schiffsnamenverzeichnis braucht 27 Seiten, das Glossar 13 Seiten und das Inhaltsverzeichnis zehn. Es umfasst drei Teile, wie im Titel, und in jedem der Teile bis zu fünf Kapitel, die noch einmal bis zu 22 Mal untergliedert sind und dann erst gründlich informieren.
In seinem letzten Buch über Arbeitspferde der Meere, das 2018 Hinstorff verlegte, hatte Witthohn Schiffe, ihre Zwecke, ihre Erbauer und Nutzer vorgestellt. In diesem, das im Springer Verlag, Wiesbaden, erschienen ist, geht es konkret um Rolle und Routen der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft. Auf welchem Wege und mit welchen Schiffen kommt z. B. Weizen aus den USA oder Kanada zu einem seiner Hauptabnehmer, China? Oder brasilianisches Erz an die Stahlkocher in Asien? Wie und warum fahren Krabben nach Tanger und zurück? Die globale Wirtschaft ist ein gewaltiges Unternehmen, das die ganze Welt umspannt – nicht unbedingt immer mit Container-Riesen oder Tankern, die uns Angst machen könnten. Bio-Kaffee aus Honduras bringt zum Beispiel ein Zweimastgaffelschoner nach Deutschland, der maximal 14 Tonnen transportieren kann. Luxusyachten für arabische Potentaten oder sowjetische Milliardäre werden unter Phantasienamen und eher verborgen in kleinen Orten an der Unterweser gebaut.
Der Teil „Kreuzfahrten” umfasst See- und Flussreisen in aller Welt – auf 55 Seiten. Für Deutschland und alle anderen Märkte haben sich Autor und Verlag auf neuere Schiffe beschränkt.
Fast alle beschriebenen Schiffe hat Witthohn selber fotografiert, bei wichtigen Einheiten auch technische Zeichnungen eingebaut. Doch nicht nur Technisches und Sachliches wird berichtet. Immer wieder kommt der Erzähler in ihm durch, dessen knappe einleitende Reiseberichte Appetit machen, doch selber mal mitzufahren.
Niemand wird dieses Buch in einem Zug lesen wollen, aber jeder, der Meeresstrand, Hafenstädte oder Seeschiffe liebt, sollte es besitzen. Der Rezensent fand sich häufig an seinen Geografie-Unterricht erinnert, in dem Warenströme über die Meere gelernt wurden. Mit diesem Buch hat es ab heute jeder Schüler leichter. Und wer über globale Wirtschaft mitreden will, muss fortan „Den Witthohn” kennen.
Ralf Witthohn
Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer
Die Rolle der Schifffahrt in der globalen Wirtschaft
Erschienen im Springer Verlag, Wiesbaden
ISBN 9978-3-658-22150-8, (als e-book: 978-3-658-22151-5)
29,99 € (22,99 €)
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