ÖKO-BIO-TÖRN · AUSGABE 2/2020
MS FREDO im Nord-Ostsee-Kanal-Konvoi. Fotos: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund
Dr. Peer Schmidt-Walther
Rostocker Rapsschrot für niedersächsisches Vieh
Mit einzigem Stralsunder Frachter auf Öko-Bio-Törn
„Kümonauten” nennen sie sich, die beiden Kapitäne Willem und Bernd Blanck. Mit ihrem schmucken 1829-Tonnen-Küstenmotorschiff MS FREDO pendeln sie wöchentlich zwischen Nord- und Ostsee. Hin und wieder auch in den Heimathafen Stralsund, wo Peer Schmidt-Walther zu Hause ist und öfter mal mitfährt.
1575 Tonnen Rapsschrot aus der Rostocker Ölmühle hat MS FREDO im Laderaum gebunkert. Das Bio-Abfallprodukt ist als Futtermittelzusatz sehr begehrt. „Für uns”, freuen sich die Blancks, „ist das braunes Gold und eine sichere Bank”. Bei vier Reisen pro Monat macht das rund 50.000 Tonnen im Jahr. Dafür wären 2.000 abgas- und CO2-intensive LKWs notwendig.
Bernd Blanck, Eigner, Kapitän und Maschinist in Personalunion wie sein gerade urlaubender Bruder, ist dennoch nicht zufrieden: „Das Laden hier hat mal wieder viel zu lange gedauert!” Obwohl FREDO ein alter und häufiger Kunde ist. Drei andere Frachter haben Vorrang gehabt, die die einzige Verladeanlage blockierten. „Die dann auch noch ihren Betrieb eingestellt hat”, ärgert sich Blanck, „weil Regen und Wind zu stark waren”.
Risiko fährt immer mit
Persönlich sei das ein Verlust, „denn”, so Blanck, „dadurch haben wir kein freies Wochenende. Aber das ist in der Seefahrt ein Luxusproblem”. Andererseits ist die Zeit für liegengebliebene Schiffspflegearbeiten und Reparaturen genutzt worden. Der Kapitän habe sich mit dem ständig wachsenden Papierkram herumschlagen müssen, der mittlerweile „dank” immer neuer Vorschriften rund zwei Drittel der Arbeitszeit ausmache. Leicht an der meterlangen Ordnerreihe im Brückenregal abzulesen. Trotz Computerunterstützung. „Das versteht keiner”, schüttelt er den Kopf.
Zwölf Stunden hat das Laden gedauert. 150 Tonnen pro Stunde. In Hamburg schafft die Anlage 300, in Amsterdam sogar 1.000. Das spart erheblich Zeit, Sprit und Geld.
Klar vorn und achtern! Beginn der 43. Reise des Jahres 2019. Nach vier Tagen Wartezeit im Seehafen schrumpft die markante Silhouette von Warnemünde im Kielwasser des bewegten Seekanals. Die Ostsee gibt sich nach dem letzten Sturm ruppig, als sich der 83-Meter-Frachter auf den Weg nach Oldenburg in Oldenburg macht, wo am Montag früh gelöscht werden soll. „Vieh muss rund um die Uhr gefüttert werden”, erklärt Bernd Blanck die Dringlichkeit.
Rund 241 Seemeilen sind zu dampfen, die im günstigsten Fall in rund 31 Stunden geschafft werden können. Das Risiko – Nord-Ostsee-Kanal, Wind, Wellen, Strom, Tide – fährt dabei immer mit.
Freie Fahrt im Graben
Captains Dinner in der kleinen Messe. Don, einer der drei freundlichen philippinischen Matrosen, hat das Abendbrot vorbereitet: cold cut oder kalte Küche mit allerlei Aufschnitt. Alkohol ist – aus Sicherheitsgründen – verpönt.
Der 700-PS-Diesel grummelt schlaffördernd und sorgt für rund neun Knoten „Tempo”. Mehr geht im Fehmarnbelt wegen zwei Knoten Strom von vorn ohnehin nicht. FREDO nähert sich der schleswig-holsteinischen Küste. Solange fährt der junge Erste Steuermann Kevin Oltmanns den Küstenfrachter, während der Kapitän vor der langen Kanal-Nacht ruht. „FREDO würde wohl auch seinen Weg allein finden”, grinst er und taucht ab in seine Kammer.
Die Lotsenübernahme bei Kiel Leuchtfeuer entfällt, denn beide Blancks haben sich nach vielen Nord-Ostsee-Kanal-Passagen – insgesamt über 2.000 pro Kapitän – und Prüfung – frei gefahren.
Die Holtenauer Schleuse zeigt wie so oft rot. Warten auf Reede ist angesagt. Aber dann schiebt der Konvoi endlich los – rund 98 Kilometer mit Westkurs, mitten durch nachtdunkle Wälder, Felder, Wiesen und Weiden. Diese „Hochsee-Autobahn zwischen Ost- und Nordsee” nennen Seeleute nur den „Graben”. Die deutsche Flagge am Heck wie bei FREDO, übrigens dem einzigen Frachter aus Meck-Pomm mit Schwarz-Rot-Gold, sieht man hier selten. Mehrfach muss in den Weichen gestoppt werden, um tief gehenden und breiteren Schiffen auf Gegenkurs Vorrang zu geben.
Nach rund neun Stunden machen die drei Matrosen in Brunsbüttel fest. „Die Tide ist mit uns”, freut sich Bernd. Wenig später dreht FREDO in die Elbe und schießt mit 13,6 Knoten geradezu pfeilschnell dahin. Kevin Oltmanns sitzt wieder am Ruder und ist begeistert vom Tempo, während Bernd Blanck seine verdiente Ruhepause bei Tiefschlaf genießt.
Investition rechnet sich
FREDO ist wieder laufstark, seitdem ihr Unterwasserschiff kürzlich in einem dänischen Dock von Bewuchs gereinigt wurde. „In 24 Stunden bringe das”, rechnet Kevin, „bei acht Knoten Durchschnitt eine Spriteinsparung von 15 Prozent, also zwischen 360 und 288 Liter. Damit kommen wir drei Stunden oder 24 Seemeilen weiter”. 2020 werde sogar eine innovative Ultraschallanlage in den Ballasttanks installiert, die Bewuchs durch Vibration verhindert. Eine teure Investition zwar, die sich aber bald rechne.
Die Kugelbake, das schwarze hölzerne Wahrzeichen Cuxhavens, bleibt an Backbord zurück. Bei einem Pott Kaffee gibt’s einen gemütlichen Morgenschnack auf der Brücke, dem Kommunikationszentrum des Schiffes. Dort ist man, wie auch im blitzblanken Maschinenraum, jederzeit willkommen.
FREDO biegt nach zwei Stunden vor ELBE 1 nach Backbord in die Abkürzung Alte Weser ein. Der Nordsee-Schwell des Starkwindes vom Vortag klingt hier ganz ab. Bis nach Helgoland reicht die 20-Seemeilen-Sicht, voraus wabern unfreundliche Nebelbänke. Querab vom Containerterminal Bremerhaven fühlt man sich mit FREDO neben den hoch aufragenden 400-Meter-Containerschiffs-Riesen ganz klein. „Mit denen möchte ich nicht tauschen”, meint Bernd nur abschätzig, der von Kindesbeinen an mit Vatern Kümo gefahren ist.
Weihnachtsmarkt und -baum im Visier
Leichter Wind vertreibt den Nebel. „Ein Glück!”, strahlt Kevin, „denn unter 1.000 Meter Sichtweite hätten wir die Hunte nicht befahren dürfen”. Irgendwann taucht die Kirchturmspitze von Elsfleth an Steuerbord auf. FREDO dreht jetzt von der Weser in die kleine Hunte, passiert seine Seefahrtsschule, den fernsehbekannten kleinen Rum-Segler AVONTUUR und den Dreimaster GROSSHERZOGIN ELISABETH. Zwei Zollbeamte kommen zum Einklarieren der Ladung an Bord.
Die Eisenbahn- und Straßenbrücke signalisieren über Funk freie Fahrt. „Dann schaffen wir’s ja heute noch”, freuen sich die beiden Nautiker – mit Güllegeruch in der Nase. Düngende Bauern auf den Weiden links und rechts sorgten dafür. „Das ist wie Seefahrt durch den Bauernhof”, lacht Bernd, „aber die da drüben sind ja irgendwie auch unsere Futter-Kunden”.
Ein knappes Drehmanöver im Dunkeln auf dem Teller mit maximal null Meter Uferabstand und FREDO wird nach 31 Stunden vor dem Oldenburger Agravis-Großsilo festgemacht. Für ein paar Seh-Leute am Ufer das Highlight des Abends. „Wenn du das hier jede Woche machst”, meint Bernd gelassen, „ist’s ein Kinderspiel”. Rückwärts geht es an den Stau, „nicht i n den Stau”, schiebt er nach, „so heißt nämlich die Straße am Kai. Das macht uns kein Auto nach”.
Bernd Blanck hat sich mit seinem Kollegen vom Binnenfrachter OLDENBURG, der hinter FREDO liegt, verabredet. Steak essen und Weihnachtsmarkt stehen auf ihrem Programm. „Vielleicht find ich auch eine schöne Fichte für unsern Achtermast”, ist der stets gut aufgelegte Kapitän optimistisch, „das ist bei uns so Tradition”.
Information MS FREDO
Bauwerft: Schiffswerft Hugo Peters, Wewelsfleth/Stör; Baujahr: 2/1985; Bau-Nr.: 607; Flagge: Deutschland; Taufname: PREMIERE (bis 2002), danach MONTIS, ab 1. Mai 2010 FREDO (Zusammensetzung aus den Heimatorten der Eigner Willem (Freiburg/Unterelbe) und Bernd Blanck (Dornbusch/Unterelbe); Telefon: 0171-2111839 (W. Blanck); E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Abmessungen: Länge: 82,45 m, Breite: 11,33 m, Tiefgang (maximal): 3,43 (Typ Saima/Vänern-max, da der Frachter früher jahrelang zu den finnischen Seen unterwegs war); 1 Luke (3.105 Kubikmeter Schüttgut); eingerichtet für Container-Transport: 46 TEU, verstärkt für Schwergutladung; BRZ: 1649, Tragfähigkeit: 1829 tdw, Ladetonnen: 1700 Tonnen; Displacement (Ladetonnen und 865 t Schiffsgewicht): 2694 t; Maschine: MWM, Typ TBD 440-6K, 441 kW (700 PS), Geschwindigkeit (maximal): 10,6 kn; GL-Klasse: GL+100 A4 MEG; Crew (maximal): 7; Passagiere: 1 Einzelkammer ( Bad/WC/Dusche gemeinsam mit 1. Offizier), breite Koje, Schrank, Sitzecke, Tisch, Stuhl, Schubfächer, Sat.-TV, Waschmaschine/Trockner können problemlos benutzt werden, Preis (inklusiv Vollpension): 60 Euro/Tag (Info/Buchung: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! Kapitäne Bernd + Willem Blanck); Brücke und Maschinenraum stehen dem Gast jederzeit offen;
Tipp: FREDO bietet sehr reizvolle Reisen zwischen großen, kleinen und kleinsten Nord-Ostsee-Häfen -Flüssen, -Kanälen und -Seen.
Die Ausfahrt des Warnemünder Seekanals wird passiert.
MS FREDO läuft in die Schleuse Brunsbüttel ein.
MS FREDO hat in der Schleuse Brunsbüttel festgemacht.MS FREDO-Passage der Straßenbrücke über die Hunte durch die Bugklüse gesehen.
MS FREDO unterwegs auf der Hunte nach Oldenburg.
MS FREDO mit Weihnachtsbaum auf dem Peildeck.