HERING FÜR RÜGENFISCH · AUSGABE 2/2020
Der Norwegische Kühlfrachter SILVER FJORD passiert die Ziegelgrabenbrücke. Foto: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund
Dr. Peer Schmidt-Walther
SILVER FJORD bringt Meeressilber
Norwegischer Kühlfrachter hat Station in Stralsund gemacht
Man erkennt sie mit geschultem Auge gleich: Seeleute, die auf der Straße am Langenkanal vom Landgang zurückkommen. Ihr leicht wankender Gang verrät Seebeine, dazu sind die Männer mit vielen Tüten schwer bepackt. Zwischen dem Parkhaus „Am Ozeaneum” und dem Gebäude der SWS Seehafen Stralsund GmbH verschwinden sie plötzlich in einem schmalen Gang. An der Gangway trifft man sie wieder.
14.00 Uhr: Die große Seitenpforte wird gerade geschlossen, über die zuvor noch Gabelstapler in den großen Ladekühlraum gerollt sind. Schiffsmakler Frank Krämer der Rostocker Firma Frachtcontor Junge hat per Telefon vorab informiert, welche Ladung die SILVER FJORD gelöscht hat: 1200 Tonnen Atlantik-Frosthering aus dem norwegischen Hafen Maloy nördlich der altehrwürdigen Hansestadt Bergen. Die Partie sei komplett bestimmt für die Firma Rügenfisch in Sassnitz, die daraus Dosenfisch produziere. Auf die Frage, warum das Schiff nicht gleich dorthin gefahren sei, um LKW-Kilometer zu sparen, erfährt man, dass die Kühlhauskapazität dort für diese Menge nicht reiche. „Der Stralsunder Hafen bietet aber die passende Alternative”, erklärt er. Eine Konkurrenz für die lokalen Fischer sei das nicht, die können und dürfen gar nicht so viel fangen.
Lotsen-Verwechslung
Der 1984 gebaute 2462 BRZ messende 77,60 Meter lange und 13,17 Meter breite norwegische Kühlfrachter SILVER FJORD der Fjord Shipping A/S, ist auslaufklar. Und der Kapitän? Sei auf der Brücke, hört man auf Englisch mit russischem Akzent von einem der Männer. „Njet problem”, ihn dort zu sprechen.
Im Türspalt taucht ein freundlich lächelndes Gesicht auf. „Sergei Kurashov my name, welcome on board!” stellt sich der Kapitän vor und streckt einem die Hand entgegen. Ob ich der Lotse sei, möchte er wissen, denn auf den warte man. Die Verwechslung sorgt für einen Lacher und entspannt die Situation.
Dafür ist noch etwas Zeit zum „Brückenschnack”. Dritter Offizier Valentin Davydov – „wie die Zigarre”, grinst der 29jährige und bedient den Kaffeeautomaten, so dass es auf der Brücke bald anheimelnd duftet. SeereisenMagazin-Berichterstatter PSW muss sich noch in die Besucherliste eintragen, „denn so will es die internationale Vorschrift”, meint der 50jährige Kapitän halb entschuldigend.
Ur-russische Heimat Krim
Und man erfährt, dass seine neunköpfige russische Crew überwiegend in Sewastopol auf der Krim zu Hause sei. „Dort leben zu 70 Prozent Russen”, sagt er, und legt nach: „Die Halbinsel ist bis 1954 schon immer russisch gewesen. Damals verschenkte sie der ukrainische KP-Chef Nikita Chruschtschow leichtfertig an seine Landsleute, und wir haben im Referendum von 2014 zu 96 Prozent für Russland votiert”. Warum? „Weil der Lebensstandard hier besser ist und man doppelt so viel verdient”, ist Valentin überzeugt.
Eigentlich sprechen sie als Seeleute ungern über Politik, erfährt man von beiden Nautikern, aber dieses Thema berühre sie doch emotional sehr: „Wir sind Russen und wollen in unserer russischen Heimat leben, so einfach ist das!”
Themenwechsel. Was sie von Stralsund gesehen hätten? Die Altstadt und vor allem die GORCH FOCK (I), die ja seit 1951 als TOVARISCHTSCH russisch und nach der Wende ukrainisch gewesen sei. Mit deren letztem Kapitän Yuri sei Sergei noch auf die Seefahrtsschule in Sewastopol gewesen. „Aber wir respektieren die Geschichte”, meint Valentin ernst, „sonst würde es diesen schönen Großsegler wahrscheinlich nicht mehr geben”. Ein anderes moderneres Segelschulschiff indes, die DRUSCHBA, würde in Odessa nur noch vor sich hingammeln und verfallen. Das könne kein Seemann mit ansehen.
Das Gespräch endet, als der Seelotse der Brüderschaft WiRoSt (Wismar-Rostock-Stralsund) die Szene betritt. Thomas Langhinrichs aus Wustrow fragt erst mal nach dem Tiefgang und bespricht dann mit Kapitän Kurashov das bevorstehende Auslaufmanöver sowie die vierstündige Reise durch Sund und Bodden zur Ostsee. Wohin man dann fahre? „For order”, auf Warteposition bei Skagen, „bis wir wissen, wo wir Fisch laden sollen”.
Es brummt am Sund
Während der Reise nach Norden wird ein strammer Westwind, so die Windfinder-App, den in Ballast mit nur 3,80 Meter nicht sehr tief gehenden Spezialfrachter ordentlich durchschütteln. „Das sind wir gewohnt”, grinst Valentin, und zeigt Smartphone-Fotos von einer der letzten Reisen, „da gingen die Seen über zehn Meter hoch, und das war mit diesem kleinen Schiff kein Zuckerschlecken!”
15.00 Uhr: Der Besucher muss das Schiff verlassen, denn die Gangway soll eingeholt werden. Zu einem Packen Frosthering, es sollte ein Kapitäns-Geschenk sein, hat die knappe Zeit nicht mehr gereicht. „Na, dann beim nächsten Mal”, verspricht der freundliche Russe, „Paka!” – Und Tschüß! Am Heck knattert wie zum Abschied die bunte Bahamas-Flagge im Wind. Mit dem Auslaufen sind gleich drei Frachter auf Gegenkurs in den Südhafen: MS WILSON HUMBER, MS SEELAND und MS FG LEVENT. Es brummt also am Sund.
15.15 Uhr: Zwei Festmacher der Seehafen GmbH stehen schon in Warteposition, um die Leinen nach Kapitänsanweisung loszuwerfen. Die 3180 PS-Hauptmaschine grummelt hörbar stärker, und das Bugstrahlruder drückt den hoch aufragenden schwarzen Rumpf weg von der Pier. Zuletzt fliegt die Vorspring-Leine ins Wasser. Kapitän Kurashov und Lotse Langhinrichs winken noch ein letztes Mal aus der Brückennock. Die Schraube quirlt das Heckwasser schäumend auf und SILVER FJORD schiebt sich der langsam in die Höhe reckenden Ziegelgrabenbrücke entgegen.
Infos
MS SILVER FJORD (Ex-Namen: LUDVG ANDERSEN, STAR SAGA); Typ: Kühlschiff; Baujahr: 1984; BRZ: 2462; Länge: 77,60 m; Breite: 13,17 m; Tiefgang (maximal: 4,80 m; Seitenhöhe: 9,80 m; Höhe (Kiel-Mast): 31,14 m; Hauptmaschine: B&W Alfa, Typ 12U28L-VO, 3180 PS; Geschwindigkeit (maximal): 13,5 kn; Bugstrahlruder: 351 PS; Hilfsmaschinen: 2 x Mercedes OM 404 je 200 kW; Eisklasse: 1A1 ICE-C; Klassifikation: DNV – GL – RINA; Eigner: Silver Fjord A/S, Maloy; Charterer: Silver Sea A/S, Bergen; Flagge: Bahamas; Heimathafen: Nassau.
Kapitän Sergei Kurashov (links) und Dritter Offizier Valentin Davydov auf der Brücke.
MS SILVER FJORD läuft aus nach Norwegen.
Wohin man dann fahre? „For order”, auf Warteposition bei Skagen, „bis wir wissen, wo wir Fisch laden sollen”.
In einem Meer vor unserer Zeit
Großer Auftritt für die „heimlichen Stars” der Erdgeschichte
Die größte Schildkröte, die Achelon Ischyros, wog etwa 2 Tonnen und wurde bis zu 4,60 Meter lang. Der Schädel des Liopleurodon umfasste 1,5 Meter, bestückt mit 20 Zentimeter langen Zähnen. Solche Maße sind kaum vorstellbar. So kann die Faszination, die diese imposanten Wesen, die vor über 230 Millionen Jahren unserer Erde bevölkerten, kaum verwundern. Gigantische Kolosse und listige Jäger besiedelten nicht nur das Land, sondern auch die Ozeane. Das Familien-Mitmachbuch „Saurier – Giganten der Meere” zur gleichnamigen Ausstellung im Lokschuppen Rosenheim taucht ab in die geheimnisvolle Unterwasserwelt der faszinierenden Urzeitgiganten. Auf spielerische Art und Weise und gut beraten, denn hier hat das Senckenberg Museum in Frankfurt mit seiner Senckenberg world of biodiversity unterstützt, wird das Leben in Trias, Jura und Kreide-Zeit unter der Wasseroberfläche unter die wissenschaftliche Lupe genommen. Wie sah der Superkontinent Pangäa aus? Wie lebten Riesenreptilien? Und wie jagte der Mosasaurier, einer der größten Räuber der Meere? Mit Einblicken in das Erdmittelalter bis hin zur Erdneuzeit anhand originaler Fossilien werden gleichzeitig geologische Aspekte der Erdentwicklung, darunter auch die großen Aussterbeereignisse, die keinen der Urzeitgiganten verschonten, aufgegriffen. Obwohl Meeressaurier ihr Leben vollständig im Meer verbrachten, gab es eine Ausnahme, den Spinosaurier – er konnte sowohl an Land als auch im Meer leben. Ob gefährliche Überraschungsangriffe aus der Tiefe oder 20 Zentimeter große Augen, um in der Dunkelheit des Urmeeres gut sehen zu können – wie sich diese Gattungen und Spezies verbreiteten, sich fortbewegten und an die spezifischen Bedingungen des Ozeans anpassten wird in zahlreichen Steckbriefen, Bildern und Mitmachseiten für Groß und Klein erforscht. Einfach gigantisch sind dann die 3D-Paläoszenen, die die Meeressaurier der drei Erdzeitalter in ihrem Element zeigen – in der Ausstellung sogar als Kamerafahrt.
Albrecht Pfrommer
Saurier – Giganten der Meere
Erschienen im Nünnerich-Asmus Verlag, Oppenheim am Rhein,
96 Seiten, 152 Abbildungen, 25 x 29 cm, gebunden,
ISBN 978-3-96176-094-7
€ 19,90 (D) · € 20,50 (A) · Buch-Bestellung beim Verlag
Der Autor
Albrecht Pfrommer studierte Zoologie und Botanik mit längeren Forschungsaufhalten in den Tropen und promovierte an der Universität Würzburg in Tierökologie. Durch seine Arbeit im Museumspädagogischen Dienst des Senckenberg Naturmuseums begeisterte er sich für die Paläontologie. Er ist seit 2003 selbstständiger Natur- und Umweltpädagoge sowie Berater für Kommunikation von Naturwissenschaften in Museen mit den Schwerpunkten Biowissenschaften, Paläontologie und Archäologie.
Die Ausstellung
Die Familienausstellung „Saurier – Giganten der Meere” wird seit dem 26. September 2019 bis zum 13. Dezember 2020 im Ausstellungszentrum LOKSCHUPPEN Rosenheim gezeigt.
Meeresreptilien gehören zweifellos zu den faszinierendsten und geheimnisvollsten Lebewesen des Erdmittelalters. Auf 1.500 Quadratmetern inszeniert das AUSSTELLUNGSZENTRUM LOKSCHUPPEN die urzeitliche Wasserwelt mit über 200 hochkarätigen Original-Fossilien, Skeletten, Abgüssen und imponierenden 1:1 Modellen von Meeressauriern. Die Originale stammen u.a. aus dem Senckenberg Naturmuseum Frankfurt und weiteren renommierten Museen in Europa.
Lebensrauminszenierungen mit bis zu 12 Meter langen Sauriermodellen zeigen dreidimensionale Augenblicke aus einem Land vor unserer Zeit. Europas größtes digitales und erstes echtzeitrealisiertes „Paläoaquarium” erzeugt auf über 50 Quadratmetern ein nachhaltig fühlbares Raumerlebnis. Sowohl die 3-D-animierten „Hauptdarsteller” als auch die 1:1 Modelle der Urreptilien wurden auf Basis wissenschaftlicher Basis eigens für das Ausstellungsprojekt entwickelt.
20 Medienstationen laden zum Mitmachen ein und erklären spielerisch Spannendes und Wissenswertes über das Leben der urzeitlichen Meeresgiganten und die Erdgeschichte.
Die Familien-Erlebnisausstellung ist ein Highlight – nicht nur für kleine und große Saurier Fans.
www.lokschuppen.de/saurier/ausstellung