NORDSEEMAGAZIN · AUSGABE 1/2018
Baltrum und das liebe Geld
Die kleinste der ostfriesischen Inseln, Baltrum mit 600 Einwohnern, hat seit dem 1. Dezember 2017 ein Problem: die Sparkasse Aurich-Norden hat ihre Filiale auf der Insel für immer geschlossen. Nur ein Geldautomat und ein Drucker für Kontoauszüge blieben zurück. Die Filiale arbeitete seit Jahren deutlich defizitär, die Immobilie wurde verkauft, der Geschäftsraum wurde gepachtet. Kundenberater werden zukünftig nur nach Absprache zu persönlichen Gesprächen mit der Fähre auf die Insel kommen. Außer Baltrum wurden sechs weitere Filialen aufgegeben oder zu SB-Stationen umgewandelt. Nur auf Juist und Norderney wird die Sparkasse weiter mit Personal tätig sein. Vertreter der wichtigsten Vereine und Institutionen auf Baltrum haben gegen die Schließung protestiert. Wer jetzt sein Bargeld zur Sparkasse bringen will, muss die Fähre nach Neßmersiel nehmen, die tidenabhängig fährt, und mit einem unregelmäßig verkehrenden Bus nach Dornum zur nächsten Filiale fahren. Der Rat der Inselgemeinde beschloss in seiner Novembersitzung, das niedersächsische Finanzministerium als Aufsichtsbehörde einzuschalten. Es soll prüfen, ob die Sparkasse mit der Schließung ihre Pflichtaufgaben verletzt. Originelle Ideen vertritt in dieser Situation der Bürgermeister: Man könne ja auf der Insel ein Zahlungssystem mit Magnetkarten wie auf Kreuzfahrtschiffen einrichten. Und man könne ja die Insel durch eine rund vier Kilometer lange Kabinenbahn mit dem Festland verbinden. Fünf Stützen, jeweils 65 Meter hoch, würden dafür ausreichen. In zehn Minuten wäre man dann, unabhängig von Ebbe und Flut an Land oder auf der Insel. Das Projekt ließe sich für 19 Millionen Euro realisieren. Der Gemeinderat lehnte den Vorschlag des Bürgermeisters ab. Noch kursiert auf der Insel weiter Bargeld. Denn nach wie vor unterhält die Volksbank Freesena, ebenfalls mit Sitz in Norden, auf Baltrum eine Filiale.
Bremer Werft baut Schiffe in Australien
Ein Milliardenauftrag des Staates Australien ging an die Bremer Werft Fr. Lürssen. Sie wurde Generalunternehmer für den Bau von zwölf Patrouillenbooten, so genannten Off Shore Patrol Vessels (OPV) der Royal Australian Navy. Die königliche australische Marine will die neuen OPV’s, die die Boote der Armindale Klasse ersetzen werden, für Grenzschutz- und Patrouillenaufgaben, für Such- und Rettungsaufgaben und als Katastrophenhilfe einsetzen. Der Auftrag hat ein Volumen von 4 Milliarden Australischen Dollar, 2,57 Milliarden Euro. Gebaut werden die neuen Schiffe allerdings nicht an der Weser, sondern unter Führung von Lürssen auf zwei Werften in den australischen Hafenstädten Adelaide und Henderson bei Perth. Bei der Ausschreibung hatte sich die Lürssen Werft gegen die deutsche Fassmer Werft aus Berne und gegen den niederländischen Konkurrenten Damen durchgesetzt.
Der Strand vor Sylt ist gewaltig – bei Ebbe und sommerlich ruhiger See. Foto: Dieter Bromund, Bremen
Sand als Schutz
Sylt ist nicht nur die größte, sondern auch die am meisten gefährdete Insel der deutschen Nordseeküste. Mit den Herbststürmen begann die Nordsee wieder an ihrer Küste zu nagen. Nach Erfahrungswerten müssen am Strand und an den Dünen etwa eine Million Kubikmeter Sand pro Jahr ersetzt werden – rund 50.000 LKW-Ladungen. Der dafür benötigte Sand kommt aus dem Meer weit vor der Küste. Um den Schutz zu verstärken, verklappt man Sand ein paar hundert Meter vor dem Strand. So entstehen dort künstliche Sandbänke, die die Wellenenergie abbremsen. Küstensand driftet in der Strömung vor Sylt nach Süden in das Vortrappentief zwischen Sylt und Amrum. Dort will man jetzt ein Sanddepot einrichten. Von ihm soll künftig Sand für Sylt, Amrum und Föhr entnommen werden.
Im Winter bedroht nagendes Wasser die Inseln. Demnächst wird Sand aus einem Sanddepot die Küsten von Sylt, Amrum und
Föhr schützen. Foto: Alexander Seidlich, www.nordseetourismus.de
Deiche für Bremen
Ohne den Schutz der Deiche würden 85 Prozent der Fläche Bremens regelmäßig überflutet werden. Dass das nicht passiert und Deiche das Land schützen, ist seit 13 Jahren die Hauptaufgabe von Deichhauptmann Schirmer und seinen 50 Mitarbeitern des Deichverbandes auf der rechten Weserseite. Deichhauptmann ist ein Ehrenamt, mit sehr viel Verantwortung verbunden. Schirmer wohnt an der Wümme und bedauert, dass sie nicht mehr mäandriert. Sie fließt jetzt viel zu schnell und die Weser drückt nach vielen Vertiefungen massiv in den Nebenfluss hinein und gefährdet das Umland. Ob der große Fluss weiter vertieft werden darf, wird das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden müssen. Unter Schirmers Leitung wird pro Jahr an drei oder vier Baustellen gleichzeitig gearbeitet. Wenn das Meereswasser wegen des Klimawandels weiter steigt, könnte der Schutz durch immer höhere Deiche nicht mehr ausreichen. Man müsste dann wie bereits in den Niederlanden auch in Bremen dem Wasser Platz geben, die Deiche öffnen und Polder bauen. Damit würde Land geopfert werden. Offizielle Pläne gibt es dafür in der Hansestadt noch nicht.
Demnächst in Cuxhaven: Landstrom für Seeschiffe
Cuxhaven bekommt als erster Hafen im Eigentum von Niedersachsen Ports (NPorts) auf dem Liegeplatz 9.3 bis Mitte März 2018 einen Landstromanschluss, um Seeschiffe mit Energie zu versorgen. Den Auftrag dazu erhielten Ewe Netz und Siemens. Im Frühjahr 2018 wird eine Anlage mit einer Leistung von 630 kW zur Verfügung stehen. Sie besteht aus einer Station mit zwei Transformatoren und einem Konverter, der den Wechselstrom aus dem öffentlichen Netz (400V/50Hz) in Schiffsstrom (440V/60 Hz umwandelt). Auf einer ebenfalls neuen Übergabestation werden über ein Rollensystem die Stromkabel auf das Schiff geführt. Cuxhaven ist damit einer der ersten Offshore-Standorte, die diese Technologie anbietet. „Sie trägt maßgeblich dazu bei, in Cuxhaven Emissionen von Lärm und Luftschadstoffen gar nicht erst entstehen zu lassen”, erklärte Holger Banik, Geschäftsführer von NPorts sowie der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft. Eine der ersten Abnehmerinnen des Landstroms soll das für diesen Zweck umgerüstete RoRo-Schiff ROTRA VENTRE sein. Das vom Logistikunternehmen deugro bereederte Schiff soll die im neuen Werk in Cuxhaven produzierten Offshore-Windturbinen in regelmäßigem Pendelverkehr vom Liegeplatz 9.3 in Cuxhaven zu den jeweiligen Installationshäfen bringen.
Das besondere Buch: Flut – Das wilde Leben der Gezeiten
Auf dem Schutzumschlag lädt der Verlag ein, Platz zu nehmen, „denn das große maritime Drama mit einer Länge von 12 Stunden und 30 Minuten beginnt.” Die Hälfte der Menschheit lebt an Küsten, aber was weiß sie wirklich über das große Drama, die Gezeiten? Als Kreuzfahrer nimmt man sie kaum wahr, als Inselurlauber oder Küstenbesucher ganz bestimmt. Da kommt ein Buch wie das von Hugh Aldersey-Williams gerade recht. Auf 366 Seiten mit Glossar, Literaturauswahl und Quellenangaben und einem umfangreichen Register lesen wir „the science and lore of the greatest force on earth”, über die größte Kraft auf Erden, wissenschaftlich und künstlerisch betrachtet. Aldersey-Williams, Jahrgang 1959, lebt in London und Norfolk, also wassernah und ist Kurator, Naturwissenschaftler und erfahrener Autor. Dieser ungewöhnlichen Kombination verdanken wir ein Buch, das man nicht aus der Hand legen mag.
„Die Gezeiten sind kompliziert, und manche meinen, dass die Mathematik sie am elegantesten erkläre. Aber auch, wenn man die Symbole und Gleichungen nachvollziehen kann, spürt man in ihnen nicht das Auf und Ab der Meere und die Macht, die die Gezeiten über menschliche Vorstöße auf dem Meer haben”, heißt es auf Seite 18. Also steht am Anfang die präzise Beobachtung und Beschreibung einer vollen Tide vor Blakeney, Norfolk am 4. September 2013. Und dann beginnt eine Reise in die Geschichte, die den Autor durch die halbe Welt führt. Denn die Gezeiten faszinierten schon Aristoteles, der noch mit Vorstellungen leben musste, dass es sich bei ihnen um „Körperflüssigkeiten der animalischen Erde” handelt. Cäsar brach mit seiner Flotte am 27. August 55 nach Britannien auf, sieben Tiden vor Vollmond. Und bis in die Neuzeit hinein hielten sich Vermutungen über einen gewaltigen „Mahlstrom” in der Höhe der Lofoten vor Norwegen, der Schiffe mit Mann und Maus in die Tiefe riss. Neben phantastischen Geschichten wuchs die wissenschaftliche Erforschung der Gezeiten. Wie berechnet man Tiden, was sind Spring-, was Nipptiden? Und was lebt in den Zonen des Meeres, die mal unter und mal über Wasser liegen?
Man kann dieses Kompendium als Seefahrer, Urlauber oder Neugieriger in einem Zug durchlesen oder sich Kapitel wie in einem Lexikon heraussuchen, die einen besonders interessieren – ein Genuss ist die Lektüre in jedem Fall.
Hugh Aldersey-Williams
Flut – Das wilde Leben der Gezeiten
Aus dem Englischen übersetzt von Christophe Fricker
Carl Hanser Verlag, München, ISBN 978-3-446-25479-8, 24,00 €.