An Deck der QUEEN MARY 2 stehen die Passagiere dicht an dicht, wenn ihr Schiff den Hamburger Hafen verlässt.
Fotos: Kai Ortel, Berlin
Kai Ortel
Königliche Auszeit bei Windstärke 11
An Bord der QUEEN MARY 2 von Southampton nach Hamburg (Teil 1)
Einige Transatlantik-Reisen der QUEEN MARY 2 starten oder enden in Hamburg, wobei man dann das Teilstück Hamburg – Southampton oder umgekehrt auch als Mini-Kreuzfahrt buchen und dies mit einem Städtetrip nach London verbinden kann. Wenn die geplante herbstliche Kurzkreuzfahrt dann aber mitten durch einen Orkan führt, verspricht dies auf einem Schiff wie der QUEEN MARY 2 der Cunard Line ganz besondere Erlebnisse.
Ab 140 € sind diese Kurztrips mit den Cunard-Queens zu haben. 70 € pro Nacht auf dem vielleicht schönsten Passagierschiff der Welt? Schnell einen Billigflieger nach London gebucht und das passende Hotel gleich dazu, und schon konnte der Städteurlaub mit anschließender Schiffsreise zurück in die Heimat beginnen. „Kleine Auszeit” nennt die Cunard Line dieses Angebot, doch eine richtige Auszeit verschafft einem natürlich weder die pulsierende englische Metropole noch das vielleicht berühmteste Passagierschiff unserer Zeit. Wenn einem die Stadt dann Ende Oktober 2017 auch noch mit untypisch schönem Wetter überrascht, heißt es Laufen: vom Hotel am Bahnhof Waterloo über Westminster nach Knightsbridge, von dort zum völlig überlaufenen Naturkundemuseum in Kensington und einmal quer durch Chelsea zu Vater Themse und wieder zurück. Und das war nur der erste Tag. Die Kinder, die zum ersten Mal in London sind, murren zwar, sind aber zu gefangen von den vielen Eindrücken. Big Ben (eingerüstet), Westminster Abbey und Buckingham Palace gleich in der ersten Stunde, und was ist das für eine Limousine, die da plötzlich am Green Park an uns vorbeifährt? Fünf Motorräder vorneweg, eine Standarte auf dem Dach und dahinter zwei Jeeps? Wahnsinn, Königin Elizabeth II. höchstpersönlich, unverkennbar – fast unscheinbar klein hinter dem Autofenster, auffällig aber ihr blaues Kostüm und der Hut. Vor Schreck vergessen wir, ein Foto zu machen, blicken ihr dafür staunend hinterher. London hat sich schon am Nachmittag unserer Ankunft gelohnt. Da dürfen es am Abend statt Fish and Chips auch Currywurst mit Pommes frites sein, erhältlich bei „Herman ze German”, einer (ziemlich) deutschen Würstchenbude gleich hinter dem Bahnhof Charing Cross.
London zu Fuß
Am zweiten Tag geht es abermals die Themse entlang, diesmal aber in der anderen Richtung. Und wieder gibt es an beiden Ufern alle paar Schritte eine Sehenswürdigkeit zu bestaunen, die so viel Geschichte erzählt, dass es für ganze Bibliotheken reichen würde: London Eye, Somerset House, National Theatre, Blackfriars, St. Paul’s Cathedral, die Tate Modern, Shakespeare’s Globe Theatre, Southwark Cathedral, The Shard und schließlich Tower und Tower Bridge. Dazwischen die Brücken Londons, jede von ihnen unverzichtbar im Gesamtgefüge der Millionenstadt und ein Stück Geschichte für sich: Westminster Bridge, Hungerford Bridge, Waterloo Bridge, Blackfriars Bridge, Southwark Bridge und die älteste und vielleicht berühmteste von allen: London Bridge. An der Stelle, wo die Themse am engsten ist, hatten schon die alten Römer eine erste Brücke gebaut. Heute ist ihre Nachfolgerin vielleicht nicht die schönste, dafür aber noch immer die robusteste und am stärksten befahrene von allen. Doch auch das Familienprogramm kommt nicht zu kurz: Mit der U-Bahn geht es am Mittag vom Tower zum Bahnhof King’s Cross, unsterblich gemacht von J. K. Rowling als alljährlicher Abfahrtsbahnhof von Harry Potter zur Zaubererschule Hogwarts. Das berühmte Gleis 9 ¾ hat man hier nachgebaut, und den größten Harry Potter-Merchandising-Shop Englands praktischerweise gleich daneben. Klar, dass ein Einkaufsbummel in diesem Eldorado für Jung und Alt nicht fehlen darf. Überhaupt, Londons Bahnhöfe. Die viktorianischen Prachtbauten unter ihnen sind ebenso wie die Brücken der Stadt Wahrzeichen ganz eigener Art. Allein die prächtige St. Pancras Station direkt neben dem Bahnhof King’s Cross stellt, abgesehen vielleicht von der St. Paul’s Cathedral, so ziemlich jede Kirche im weiteren Umkreis in den Schatten. Hier endet auch der Eurostar, jener Schnellzug, der seit dem Bau des Kanaltunnels 1994 die meisten Passagier-Fährlinien zwischen dem Kontinent und Frankreich überflüssig gemacht hat. Gut, dass übermorgen in Southampton die QUEEN MARY 2 auf uns wartet. Schließlich ist England eine Insel, die erreicht und verlässt man am stilvollsten immer noch mit dem Schiff.
Doch noch ist es nicht so weit. Unser Rückweg führt die Tottenham Court Road entlang nach Soho. Wie zu allen Zeiten ist London natürlich auch hier voller Baustellen, der kleine Soho Square verschafft aber als grüne Oase inmitten von Wolkenkratzern und Verkehrslärm eine Verschnaufpause. Hier, an der noblen Adresse 1 Soho Square, hat auch Paul McCartney sein Büro; an manchem Tag kann man ihm hier angeblich in seiner Mittagspause über den Weg laufen. Doch nach der Königin auch noch den Ex-Beatle zu Gesicht zu bekommen, wäre wahrscheinlich des Guten zu viel. Als nächstes stoßen wir auf die Shaftesbury Avenue, stürzen uns in die Touristenmassen von China Town und Piccadilly Circus und ruhen unsere müden Füße schließlich am Trafalgar Square aus, auch der an einem sonnigen Herbsttag wie diesem voller Menschen. Wer allerdings wie früher an jeder Ecke einen indischen oder chinesischen Take-Away erwartet, sieht sich im Jahr 2017 um. Nichts dergleichen, stattdessen ein Starbucks und ein Nobel-Italiener neben dem anderen. Und die bereits erwähnten Fish and Chips? Liegen nur noch am Südufer der Themse in der erschwinglichen Region von sechs Pfund; am Leicester Square oder in Covent Garden bezahlt man schon mal das Doppelte. A propos Covent Garden: Das Ausgeh-Viertel besuchen wir nach einem Ausruhstopp im Hotel am Abend. Komisch nur, dass hier die Geschäfte schon um 20 Uhr schließen, während sie in so ziemlich jedem Vorstadt-Einkaufscenter Berlins bis 21 Uhr oder noch länger geöffnet haben. Dafür müssen wir über ein Auto schmunzeln, das nicht ganz regelkonform auf der Nobelmeile Long Acre geparkt hat: Ein pechschwarzer Maserati Cabrio mit „Knöllchen” am Scheibenwischer. Das sein Besitzer vermutlich aus der Portokasse bezahlt.
Reizüberflutung und Grauhörnchen
Auch Tag 3 in London hat es in sich. Zwar ist das goldene Herbstwetter weitergezogen, so dass die geplante Themse-Rundfahrt mit dem Schiff genauso ins Wasser fällt wie (mangels Sicht) die Fahrt mit dem London Eye. 36 Pfund pro Person für einmal im Kreis fahren liegen aber auch jenseits aller Schmerzgrenzen, London aus der Vogelperspektive hin oder her. Beim Shard, Londons neuestem (Einweihung 2013) und größtem (310 Meter) Wolkenkratzer gucken wir erst gar nicht nach den Preisen. Zum Glück gibt es auch Attraktionen, die nichts kosten: Downing Street z. B., wo vor dem Zaun am Vormittag gerade ein Live-Interview geführt wird; die Londoner Parks mit ihrer Armada von Grauhörnchen, die so zutraulich sind, dass sie ganz von allein angehuscht kommen, sobald man stehenbleibt; oder das Flaggschiff der Buchhandelskette Waterstones, wo die Auswahl so riesig ist, dass der Autor dieser Zeilen am Ende überhaupt nichts kauft. Ebenso Hamley’s in der Regent Street, ein Spielzeug-Kaufhaus über nicht weniger als sieben Etagen. Reizüberflutung auch hier. Dann der Leicester Square mit seinen Kinos, Theatern und Box Office-Häuschen, wo man Musical-Karten (angeblich) zum Last Minute-Preis bekommt. „Mamma Mia” gibt es aber nicht etwa für die beworbenen 18,50 Pfund, sondern erst ab 42. Für eine vierköpfige Familie unerschwinglich. Ein andermal vielleicht, auch wenn so ein gepolsterter Theatersessel nach drei Tagen London zu Fuß jetzt seinen Reiz hätte.
20 Kilometer waren es am Ende von jedem der drei Tage, wobei der iPod den letzten Abendspaziergang frech als „Workout” bezeichnet. Diesmal marschieren wir zum Monument, der mittlerweile von doppelt so hohen Bürohochhäusern eingerahmten Gedenksäule zur Erinnerung an den großen Brand von London im Jahr 1666. Die City, das Londoner Bankenviertel rund um die Fleet Street, ist am Abend dagegen wie leergefegt. Englands berühmte Pub-Kultur kann man daher auch eher am Südufer bestaunen. Frauen und Männer in Kostüm und Anzug neben Einheimischen, die selbst bei nur 5 Grad über Null noch bestens gelaunt in Shorts und T-Shirt ihr Feierabend-Bier auf dem Bürgersteig vor dem Pub zelebrieren. Nicht weniger skurril sind einige Meter weiter die Gestalten, die verkleidet und blutrünstig geschminkt für das nahegelegene „London Bridge Experience” Werbung machen. Schließlich hatte man zu Zeiten von Heinrich VIII. am Südtor der Brücke die Köpfe gefolterter und gehenkter Verbrecher aufgespießt – zur Abschreckung potenzieller weiterer Missetäter, welche über eben jene London Bridge neu in die Stadt kamen.
Natürlich kann man auch in drei vollgepackten Tagen in London lange nicht alles sehen, was die Stadt zu bieten hat. Den Regent’s Park, Greenwich, die Docklands, Wembley, Lambeth, Battersea, Kew Gardens und den Zebrastreifen an der Abbey Road heben wir uns für das nächste Mal auf. Nun geht es am Freitagmorgen erstmal nach Southampton, wo die QUEEN MARY 2 auf uns wartet – und damit der erholsamere, wenn auch nicht weniger aufregende zweite Teil der Reise.
Bon Voyage
Die Einschiffung im QUEEN ELIZABETH II-Terminal ist zunächst wenig glamourös. Das Taxi setzt uns am Ende einer Halle ab, in der ein großer Pulk Menschen bereits ungeduldig und wenig geordnet auf das Check-In wartet. So oder so ähnlich muss es hier auch bei der Auswanderung vor 100 Jahren zugegangen sein, auch wenn Schiffe wie die AQUITANIA und BERENGARIA damals vom Ocean Dock weiter hinten abgelegt haben. Doch war man erstmal an der Reihe und hat sein E-Ticket vorgelegt, geht es plötzlich ganz schnell. Nur noch eine Treppe hoch, und voilà – erblickt man durch die Scheiben der verglasten Gangway das Objekt der Begierde, den lange gehegten Traum: die majestätische QUEEN MARY 2 mit ihrem schwarzen, pardon: mitternachtsblauen Rumpf, der sie sofort nicht als Schönwetter-Traumschiff ausweist, sondern als Transatlantik-Liner der alten Schule. Als der Bau der QM2 im Jahr 2000 beschlossen wurde, schrieb die altehrwürdige Londoner „Times”, der Neubau würde „das Erbe all dessen in sich vereinen, das jemals zur See gefahren ist und die Schönheit und Eleganz einer vergangenen Epoche in die Zukunft tragen”. Und genau so ist auch der Empfang an Bord. „Welcome to Cunard” begrüßt uns ein Kärtchen auf dem Beistelltisch in der Kabine, zusammen mit „Bon Voyage”-Wünschen von Kapitän Peter Philpott, der Reservierung für den Tisch im Britannia-Restaurant und einem Kübel eisgekühlten Sekt. Zwei Samtkissen, bestickt mit dem goldenen Logo der Reederei, liegen geometrisch perfekt zentriert auf dem Doppelbett, der ledergebundene Ordner mit der „Onboard Information” lesebereit auf dem Nachttisch. Im Bad stehen die Fläschchen mit Duschgel und Shampoo der britischen Nobelmarke Penhaligon in Reih und Glied, die Dusche ist auf exakt 38 Grad eingestellt. Der erste Eindruck? Unübertrefflich. Kein Wunder, dass der renommierte „Berlitz”-Guide die QUEEN MARY 2 eine Ikone nennt und sie erst kürzlich wieder als das beste Kreuzfahrtschiff ihrer Größenklasse bewertet hat. Es sind vielleicht nur zwei Tage, die wir an Bord verbringen dürfen. Die aber versprechen königlich zu werden.
Auch der erste Bordrundgang offenbart ein Schiff, das so gar nicht für Mini-Kreuzfahrten mit Otto Normalverbraucher gebaut zu sein scheint. Die elegante Carinthia Lounge auf Deck 7 z. B. Sie hat erst im Rahmen des „Remastering” der QM2 im Juni 2016 den ehemaligen Wintergarten ersetzt und soll zum neuen Treffpunkt an Bord werden. Beim Klang von Harfe oder Violine gibt es hier Kaffee, Tee und Gebäck. Und edlen Wein; 343 verschiedene Sorten zählt der Weinkeller des Schiffes, der älteste davon ist Jahrgang 1840. Auch das Büffet-Restaurant „Kings Court” wurde letztes Jahr einem Umbau unterzogen und kommt jetzt mit einer intuitiveren Büffet-Führung und einem verbesserten Layout daher. Die Kunstwerke an den Wänden dort sind vom Art Déco inspiriert, während auch die Speisenauswahl abgeändert wurde. Und die kann sich sehen lassen: Egal ob heiß oder kalt, Mittagssnack oder Abendbüffet, Fleisch, Salat oder Meeresfrüchte – die Auswahl ist genauso fantastisch wie die Qualität. Denn was hier am Büffet auf den Teller kommt, wird auf anderen Schiffen nicht mal im A la Carte-Restaurant erreicht. Zudem speist man nicht wie anderswo von unzerbrechlichen Hartkunststofftellern, sondern von edlem Wedgwood-Porzellan („Made for Cunard”), und das darüber hinaus an erstaunlich vielen Tischen mit Meerblick. Kann es etwas Schöneres geben?
Kein Schiff wie jedes andere
Auf der QUEEN MARY 2 schon. Genau genommen den ganzen vorderen Teil des Schiffes. Denn wo auf anderen Kreuzfahrtschiffen riesige Theater, exklusive Spas oder teure Suiten den Blick nach vorne versperren, heißt es auf dem Cunard-Liner: freie Sicht. Und das nicht nur in einer einzigen kleinen Lounge, sondern auf fast allen Decks. Vom Promenadendeck (7) aus gelangt man bis auf das Vorschiff, wo man bei schönem Wetter seelenruhig zwischen den Ersatz-Propellerblättern spazieren kann; auf Deck 8 darüber laden in der (mit 10.000 Büchern übrigens bei Indienststellung seeweit größten) Bibliothek Lesetische zur Lektüre mit Meerblick ein. Auf Deck 9 befindet sich der noble Commodore Club; auf Deck 11 der Atlantic Room, der für Bridge-Partien und Spiele-Turniere genutzt wird, und auf Deck 13 schließlich der „Lookout”. Letzterer ist ein mehr oder weniger windgeschützter Aussichtsposten an der frischen Luft, der auf Kreuzfahrtschiffen seinesgleichen sucht. Morgen können wir uns an dieser Stelle die raue Nordseeluft um die Nase wehen lassen, im Moment geht der Blick über den Bug noch zu zwei Autotransportern vor uns sowie zur BRITANNIA von P&O, die in Southampton am Ocean Terminal festgemacht hat. Zu gerne würde man es sich schon jetzt bis zum Auslaufen im Commodore Club mit seinen Glastischen im Seekartenmuster und dem riesigen Schiffsmodell hinter der Bar gemütlich machen oder den Rest des Tages mit dem etwas versteckt liegenden Panorama-Fahrstuhl fahren, um immer wieder die Aussicht auf die imposanten Aufbauten und das herrlich breite Bootsdeck zu genießen. Doch noch haben wir das Schiff und seine Decks nicht mal ansatzweise kennengelernt.
Also lassen wir die Red Funnel-Fähren weiter ihre immer gleichen Bahnen hinüber zur Isle of Wight ziehen und blicken uns an Deck um. Einen Golfabschlagsplatz gibt es hier und einen Softtennisplatz (das obligatorische Shuffleboard sowieso), den die Kinder kurze Zeit später gar nicht mehr verlassen wollen. Schöne Deckstühle und -tische aus Holz, wo anderswo schon bei kleineren Windstärken die wenig einladenden Plastikstühle munter von Reling zu Reling (oder darüber hinweg) geweht werden. Wir werfen einen kurzen Blick auf den Innenpool auf Deck 12, der am Tag der Einschiffung noch etwas verwaist wirkt. Oder liegt dies etwa daran, dass die adrett gerollten Poolhandtücher auf dem Beckenrand zu einer derart perfekten Pyramide gestapelt sind, dass sich niemand traut, eines davon wegzunehmen? Und noch eine weitere Attraktion wartet achtern auf demselben Deck: Der Hunde-Auslauf. Da es in den USA keine obligatorische Quarantäne für Vierbeiner gibt, kann, wer mag, Katze oder Hund mit an Bord des Schiffes bringen. Letztere haben auf der QUEEN MARY 2 nicht nur ihren eigenen Tierpfleger, sondern auf dem Auslauf auch eine echte Londoner Straßenlaterne, um daran Pipi machen zu können. „Almost everything about the liner is British in style”, schreibt Douglas Ward in oben erwähntem Berlitz Guide. Wo er Recht hat, hat er Recht.
Selten kam die Rettungsübung vor dem Auslaufen so ungelegen wie auf diesem Schiff, aber was sein muss, muss natürlich sein. Und danach geht alles ganz schnell. Um 17 Uhr macht Kapitän Philpott seine Durchsage, dass das Ablegen kurz bevorstehe, dann schiebt sich schnell noch die VENTURA an uns vorbei, und schließlich ertönt dreimal das ohrenbetäubende Typhon unseres Schiffes, dem ein markantes Dampfgeräusch vorausgeht. Und das nicht ohne Grund: Das 650 Kilogramm schwere Gerät an der Steuerbordseite hat man beim Bau der QUEEN MARY 2 von ihrer Namensvorgängerin abmontiert; es wird mit Dampfdruck betrieben und hat eine Reichweite von über 10 Seemeilen. Als es 2016 während des Werftaufenthaltes des Schiffes in Hamburg jeden Tag um Punkt 12 Uhr erklang, soll es von Blohm & Voss bis nach Rahlstedt und Fuhlsbüttel zu hören gewesen sein. Gestimmt ist es übrigens auf das tiefe a, das als besonders festlicher Klang gilt.
White Star Service
Selbstredend lässt sich das Auslaufen der QUEEN MARY 2 aus Southampton kaum jemand an Bord entgehen. Dicht an dicht steht man an der Reling, während Englands „Gateway to the World” im Dämmerlicht zurückbleibt und der Cunard-Liner Kurs auf den östlichen Solent nimmt, der hinter Portsmouth in den Ärmelkanal mündet. Dort geht später am Abend auch der Lotse von Bord, doch das bekommen an Bord schon nur noch die wenigsten mit. Denn nun erwacht das Schiff unter Deck zum Leben. Um 18 Uhr beginnt die erste Essenssitzung im Britannia Restaurant, und dafür darf, ja soll man sich auf einem Schiff der Cunard Line in Schale werfen. Und wer erst nachher in der „late seating” um 20:30 Uhr dran ist, flaniert weiter durch das Schiff. Wirft vorsichtig einen Blick in das „Illuminations”-Theater, das tagsüber auch als 3D-Kino und als Planetarium genutzt wird. Betritt ehrfürchtig den Queens Room, jenes Zentrum des gesellschaftlichen Lebens an Bord, das noch für richtige Bälle, für Cocktailempfänge sowie für die berühmte englische „Tea Time” genutzt wird. Noch tanzt hier nur ein einzelnes Paar zu den Akkorden von Abbas „Knowing me knowing you”, und auch die dahinter liegende Disco „G32”, so benannt nach der Bau-Nummer des Schiffes bei seiner französischen Bauwerft Chantiers de l’Atlantique, ist noch menschenleer. Doch beides ändert sich im Laufe des Abends mit Sicherheit noch.
Und dann sind wir an der Reihe. Werfen vor dem Abendessen noch schnell den Bestellschein für unsere Plätze im Transferbus in Hamburg übermorgen in die Box am Tour Office und nehmen dann unsere Plätze im Britannia Restaurant ein. Es ist dies vielleicht das prachtvollste seiner Art überhaupt auf See. Nicht das protzigste, aber mit seinen geschwungenen Treppen, den überhängenden Balkonen, dem riesigen Wandteppich im Art Déco-Stil und dem klassisch runden Kapitänstisch direkt davor auf jeden Fall eines der elegantesten. Kaum irgendwo an Bord ist man dem Geist der „guten alten” Zeit der Transatlantik-Liner so nahe wie hier am Abend. Und während auf anderen Schiffen selbst die Kleiderempfehlung „elegant” bestenfalls wunderlich interpretiert wird, ist es auf der QUEEN MARY 2 genau umgekehrt. „Informal” steht heute zwar im Bordprogramm, doch wie selbstverständlich erscheinen alle in Anzug und Krawatte bzw. Abendkleid. Ausreißer gibt es (von einer Art Gothic-Dirndl mal abgesehen) keine, dabei bedeutet „informal” bei Cunard mittlerweile nur noch Jackett bzw. Kleid. Doch auf einem Atlantik-Liner wie diesem wird das Abendessen zelebriert. Die Kellner sind von einer umwerfenden, aber nicht aufgesetzten Freundlichkeit und machen sogar Scherze, wo es angebracht ist. „Ah, you liked it!”, heißt es, wenn man seinen Teller aufgegessen hat, und man nimmt es ihm ab, dass er sich darüber freut. „White Star Service” nennt dies die Reederei, in Anlehnung an jene Schifffahrtsgesellschaft, mit der Cunard 1934 fusioniert ist – ablesbar an den so betitelten Anstecknadeln, die alle Kellner und Köche an Bord tragen. „Always friendly, but never over familiar” – eine Kunst, die einer Gratwanderung gleicht und die man bei Cunard über Jahrzehnte perfektioniert hat. „Attention to the finest detail” gehört ebenfalls dazu. Auch sie wird uns in den kommenden Tagen immer wieder begegnen. Im Britannia Restaurant gehört dazu die Tatsache, dass alle Teller exakt mit dem Cunard-Löwen nach oben (auf zwölf Uhr) serviert werden. Dass die Butter zum Brötchen vorab nicht in Päckchen daherkommt wie am Büffet, sondern in fein ausgestochenen Blumen. Und dass die Getränke genau in dem Moment wie von Wunderhand nachgeschenkt werden, wenn man sich gerade fragen wollte, wo der Kellner bleibt. Und das Wichtigste nicht zu vergessen: Man wird auch satt. Die Mahlzeiten sind nicht nur erstklassig zubereitet und optisch höchst ansprechend hergerichtet, sondern die Portionen auch noch opulent. Besser kann man es nicht machen. Wir sind keine acht Stunden an Bord, und schon hat uns die QUEEN MARY 2, dieser „großartigste Ocean Liner unserer Zeit” (John Maxtone-Graham), voll in ihren Bann gezogen. Fortsetzung – Teil 2
Westminster Bridge und die Houses of Parliament. Seit August 2017 ist „Big Ben” für die Dauer von vier Jahren für eine Renovierung eingerüstet.
Das gewaltige Nordportal der Westminster Abbey. Ihre heutige Form bekam die gotische Kirche im 13. Jahrhundert unter
König Heinrich III.
Der Buckingham Palace gehört zu Londons größten Touristenattraktionen. Der „Royal Standard” auf dem Dach zeigt die Anwesenheit der Königin an.
Im Londoner Naturkundemuseum musste Dinosaurier „Dippy” 2017 dem Skelett eines ausgewachsenen Blauwals weichen,
des größten Tiers, das je gelebt hat.
„The Anchor” ist eines der ältesten Pubs Londons und soll schon zu Shakespeares Zeiten stark frequentiert gewesen sein.
Dessen „Globe Theatre” befindet sich am Südufer der Themse gleich daneben.
Die Tower Bridge ist ohne Zweifel die prachtvollste unter Londons Brücken. Ein Spaziergang über die Brücke oder die Fahrt
unter ihr hindurch mit dem Boot oder Schiff sind immer wieder ein besonderes Erlebnis.
Die City Hall ist seit 2002 Sitz der Londoner Stadtverwaltung. Im Hintergrund der „Shard”, der mit 310 Metern höchste
Wolkenkratzer der Stadt, der 2012 eingeweiht wurde.
Die Treppen und Brüstungen am Trafalgar Square laden Touristen seit jeher zu Verschnaufpausen ein. Im Hintergrund die
Nationalgalerie, rechts die Kirche St. Martin-in-the-Fields.
Typischer Londoner Nebel hüllt Ende Oktober das Riesenrad „London Eye” sowie die County Hall ein, bis 1986 Sitz der Londoner Stadtverwaltung.
Eine der vielen grünen Oasen Londons ist der zwischen Westminster und Buckingham Palace gelegenen St. James’s Park.
Vor der Abfahrt der QUEEN MARY 2 aus Southampton genießen Passagiere die Herbstsonne auf dem Oberdeck.
Eisgekühlter Sekt und eine Grußkarte vom Kapitän – in seiner Kabine wird man von der Cunard Line wie König empfangen.
Die gemütliche Carinthia Lounge hat auf der QUEEN MARY 2 den Wintergarten abgelöst.
Der Commodore Club gehört zu den vornehmsten Lounges auf der QUEEN MARY 2.
Das Büffetrestaurant „Kings Court” wurde 2016 im Rahmen des „Remastering”-Umbaus der QUEEN MARY 2 umgebaut.
Das zuzahlungspflichtige Verandah Restaurant ist eine intime und gediegene Alternative zum Britannia- oder zum Kings
Court Restaurant.
Das „Illuminations” ist gleichzeitig Theater, Kino und Planetarium, das einzige dieser Art auf einem Passagierschiff.
Im Queens Room wird das typisch englische „Ballroom Dancing” gepflegt, aber auch die ebenso traditionelle Nachmittags-
Tea Time.
Wenn nicht gerade eine der drei Cunard-Queens festgemacht hat, dominieren Kreuzfahrtschiffe (hier die BRITANNIA) und
Autotransporter die Skyline von Southampton. Ganz links im Bild: An Southamptons historischer Waterfront
gegenüber dem Mayflower Park hat das Segelschiff TENACIOUS festgemacht.