NEUE SEIDENSTRASSE · AUSGABE 1/2020
Der Rügener Fährhafen Mukran aus der Vogelperspektive. Foto: Fährhafen Mukran
Dr. Peer Schmidt-Walther
Rügen und die Neue Seidenstraße
Zu DDR-Zeiten hatte Sassnitz-Mukran auf Deutschlands größter Insel Rügen den einzigen Fährhafen Deutschlands mit 1520-Millimeter-Breitspuranschluss nach Russland. Damit war sogar eine Umspuranlage verbunden, so dass russische Waggons nach dem Umachsen ins Normalspur-Schienennetz rollen konnten.
Das ist längst Vergangenheit, könnte aber eines Tages durchaus wieder belebt werden. In den 80er Jahren wurde der Fährhafen im Nordosten der Insel gebaut, um den Transitweg durch das „unsichere” Polen zu umgehen. Nach der Wende schließlich wurde ein Großteil der in der DDR stationierten sowjetischen Streitkräfte über Mukran in die Heimat zurückgeführt.
Seit dem 12. November 2019 ist der Hafen zum Etappenziel der „Neuen Seidenstraße” geworden, die China mit Europa verbindet. Als Seidenstraße bezeichnet man ein altes Netz von Karawanenstraßen, dessen Hauptroute den Mittelmeerraum auf dem Landweg über Zentralasien mit Ostasien verband. Die Bezeichnung geht auf den deutschen Geografen Ferdinand von Richthofen zurück, der den Begriff erstmals 1877 prägte.
10.000 Kilometer durch Eurasien
Den Ostseehafen steuerte jetzt der irische 3800-Tonnen-Frachter HUELIN DISPACH mit den ersten 41 Containern eines Testzuges an, der Anfang November im 10.000 Kilometer entfernten zentralchinesischen Xi’an gestartet war. Ein zweiter „Pilot Train” brachte 48 Container, die für China bestimmt sind. Die 40-Fuß-Blechkisten werden im russischen Baltysk, dem früheren Pillau, das zum Gebiet Kaliningrad/Königsberg gehört, auf das Schiff verladen und bereits nach 24 Stunden in Mukran vom Schiff auf einen Spezial-Containerzug verladen, der dann weiter nach Hamburg rollt. Ab Baltysk kann auch problemlos und kostengünstig im Short-Sea-Verkehr in die skandinavischen Länder weiterverteilt werden. Schon jetzt lassen sich hier bis zu acht Containerzüge pro Tag abgefertigen.
Verlässlicher Knotenpunkt Mukran
Den Transportservice auf der Strecke hat das multinationale Unternehmen United Transport and Logistics Company (UTLC ERA) übernommen, das von Eisenbahngesellschaften Russlands, Weißrusslands und Kasachstans gegründet wurde und bereits 85 Prozent des Güterbahn-Transports zwischen China und Europa abwickelt.
In den vergangenen Jahren habe sich nach Angaben des Mukran-Geschäftsführers Harm Sievers der Transport auf dem Landweg stark entwickelt. Der Hafen sei im transeurasischen Eisenbahnverkehr schon immer ein verlässlicher Knotenpunkt gewesen. Er verfüge über jahrzehntelange Erfahrung mit den Märkten in Russland und den GUS-Staaten.
Kostengünstige Luftfracht-Alternative
UTLC-Geschäftsführer Alexej Grom sagte, die Entscheidung für Mukran sei gefallen, weil die Genehmigung innerhalb von nur drei Monaten erteilt worden sei. Der Transport von hochwertigen Konsum- und Industriegütern auf der Schiene sei für viele Unternehmen preisgünstig und attraktiv. Von China nach Europa dauert der Schiffstransport via Suezkanal bis zu fünf Wochen, per Bahn im Tür-zu-Tür-Service hingegen nur 14 Tage.
Wie Alexey Grom weiter sagte, sei dies auch eine kostengünstige Alternative zur Luftfracht. „Sobald der Transportpreis pro Container 1000 Euro übersteigt”, so Grom weiter, „lohnt sich der Schienenweg”. Für gekühlte Lebensmittel wie Fleisch im Transit durch Russland werde es bald eine Genehmigung geben.
Einheits-Frachtbrief ein Novum
Der Gesandte der chinesischen Botschaft in Berlin, Junhui Zhang, trat Befürchtungen entgegen, der Handel könnte sich einseitig gestalten. Er versicherte, dass „die Züge nicht leer nach China zurückfahren. Immer mehr deutsche Unternehmen haben Interesse daran, ihre Produkte nach China zu verkaufen”. China importiere vor allem Autozubehör, technische Geräte und Lebensmittel wie Milchpulver. Der neue multimodale eurasische Korridor – eine Ergänzung zu den bestehenden –, der auf eine chinesische Initiative zurückgeht, biete Geschwindigkeit, Sicherheit, Service und Stabilität. Die Transitzeit betrage 4,5 Tage, die Schadensrate null Prozent, einen – das ist ein Novum – trotz verschiedener Rechtssysteme vereinheitlichten Frachtbrief für Zug und Schiff, 1187 Kilometer Strecke pro Tag und eine Kapazität von 15 Container-Ganzzügen pro Tag. Das sei rekordverdächtig. „Davon müssen wir noch Leute überzeugen”, meint der CEO, „denn eine traditionelle Mentalität ist oft das größte Hindernis bei Neuentwicklungen”. 2018 betrug das UTLC-Transportvolumen noch 280.500 TEU, gegenüber 2017 eine Steigerungsrate um 60 Prozent. „Wir peilen jetzt die erste Million an”, ist Grom zuversichtlich.
Touristische Nutzung angedacht
Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrs- und Infrastrukturminister Christian Pegel (SPD) zufolge ist die Verbindung schneller als der Landweg durch Polen. Die polnische Infrastruktur sei mit dem wachsenden Handelsvolumen überfordert. „Die Züge stecken in Polen fest”, sagte er. Ziel sei es, einen Express-Linienverkehr zu schaffen, der die Strecke in weniger als zwei Wochen bewältige. Auch sei die „Neue Seidenstraße” ein Stück Völkerverständigung zwischen China, Russland und Deutschland. „Solange wir miteinander handeln, führt uns das von Konflikten weg.”
Alexey Grom kann sich in dem Zusammenhang auch eine touristische Nutzung der vorerst nur für den Güterverkehr genutzten Strecken vorstellen. Was auch im Interesse Chinas wäre, das seine modernen Hochgeschwindigkeitszüge dann bis nach Europa schicken könnte. Eine südliche Ergänzung quasi zur nördlich verlaufenden Trasse der Transsibirischen Eisenbahn. Auch die mit 18 Fahrtagen auf 13.000 Kilometern längste Güterzugstrecke der Welt von Ywu, dem östlichsten Punkt Chinas, nach Madrid könnte dann wie die nach London touristisch genutzt werden.
UTLC-Geschäftsführer Alexej Grom vor der Fotowand des Fährhafens Mukran. Fotos: Dr. Peer Schmidt-Walther, Stralsund
Der Frachter MS HUELIN DISPATCH wird in Mukran entladen.
Die 10.000-PS-Zuglok des Eröffnungszuges.
Gleich wird das Eröffnungsband durchschnitten.
Eine Diesellok mit Eröffnungsplakat schiebt den Zug in den Hafen.
In einem Meer vor unserer Zeit
Großer Auftritt für die „heimlichen Stars” der Erdgeschichte
Die größte Schildkröte, die Achelon Ischyros, wog etwa 2 Tonnen und wurde bis zu 4,60 Meter lang. Der Schädel des Liopleurodon umfasste 1,5 Meter, bestückt mit 20 Zentimeter langen Zähnen. Solche Maße sind kaum vorstellbar. So kann die Faszination, die diese imposanten Wesen, die vor über 230 Millionen Jahren unserer Erde bevölkerten, kaum verwundern. Gigantische Kolosse und listige Jäger besiedelten nicht nur das Land, sondern auch die Ozeane. Das Familien-Mitmachbuch „Saurier – Giganten der Meere” zur gleichnamigen Ausstellung im Lokschuppen Rosenheim taucht ab in die geheimnisvolle Unterwasserwelt der faszinierenden Urzeitgiganten. Auf spielerische Art und Weise und gut beraten, denn hier hat das Senckenberg Museum in Frankfurt mit seiner Senckenberg world of biodiversity unterstützt, wird das Leben in Trias, Jura und Kreide-Zeit unter der Wasseroberfläche unter die wissenschaftliche Lupe genommen. Wie sah der Superkontinent Pangäa aus? Wie lebten Riesenreptilien? Und wie jagte der Mosasaurier, einer der größten Räuber der Meere? Mit Einblicken in das Erdmittelalter bis hin zur Erdneuzeit anhand originaler Fossilien werden gleichzeitig geologische Aspekte der Erdentwicklung, darunter auch die großen Aussterbeereignisse, die keinen der Urzeitgiganten verschonten, aufgegriffen. Obwohl Meeressaurier ihr Leben vollständig im Meer verbrachten, gab es eine Ausnahme, den Spinosaurier – er konnte sowohl an Land als auch im Meer leben. Ob gefährliche Überraschungsangriffe aus der Tiefe oder 20 Zentimeter große Augen, um in der Dunkelheit des Urmeeres gut sehen zu können – wie sich diese Gattungen und Spezies verbreiteten, sich fortbewegten und an die spezifischen Bedingungen des Ozeans anpassten wird in zahlreichen Steckbriefen, Bildern und Mitmachseiten für Groß und Klein erforscht. Einfach gigantisch sind dann die 3D-Paläoszenen, die die Meeressaurier der drei Erdzeitalter in ihrem Element zeigen – in der Ausstellung sogar als Kamerafahrt.
Albrecht Pfrommer
Saurier – Giganten der Meere
Erschienen im Nünnerich-Asmus Verlag, Oppenheim am Rhein,
96 Seiten, 152 Abbildungen, 25 x 29 cm, gebunden,
ISBN 978-3-96176-094-7
€ 19,90 (D) · € 20,50 (A) · Buch-Bestellung beim Verlag
Der Autor
Albrecht Pfrommer studierte Zoologie und Botanik mit längeren Forschungsaufhalten in den Tropen und promovierte an der Universität Würzburg in Tierökologie. Durch seine Arbeit im Museumspädagogischen Dienst des Senckenberg Naturmuseums begeisterte er sich für die Paläontologie. Er ist seit 2003 selbstständiger Natur- und Umweltpädagoge sowie Berater für Kommunikation von Naturwissenschaften in Museen mit den Schwerpunkten Biowissenschaften, Paläontologie und Archäologie.
Die Ausstellung
Die Familienausstellung „Saurier – Giganten der Meere” wird seit dem 26. September 2019 bis zum 13. Dezember 2020 im Ausstellungszentrum LOKSCHUPPEN Rosenheim gezeigt.
Meeresreptilien gehören zweifellos zu den faszinierendsten und geheimnisvollsten Lebewesen des Erdmittelalters. Auf 1.500 Quadratmetern inszeniert das AUSSTELLUNGSZENTRUM LOKSCHUPPEN die urzeitliche Wasserwelt mit über 200 hochkarätigen Original-Fossilien, Skeletten, Abgüssen und imponierenden 1:1 Modellen von Meeressauriern. Die Originale stammen u.a. aus dem Senckenberg Naturmuseum Frankfurt und weiteren renommierten Museen in Europa.
Lebensrauminszenierungen mit bis zu 12 Meter langen Sauriermodellen zeigen dreidimensionale Augenblicke aus einem Land vor unserer Zeit. Europas größtes digitales und erstes echtzeitrealisiertes „Paläoaquarium” erzeugt auf über 50 Quadratmetern ein nachhaltig fühlbares Raumerlebnis. Sowohl die 3-D-animierten „Hauptdarsteller” als auch die 1:1 Modelle der Urreptilien wurden auf Basis wissenschaftlicher Basis eigens für das Ausstellungsprojekt entwickelt.
20 Medienstationen laden zum Mitmachen ein und erklären spielerisch Spannendes und Wissenswertes über das Leben der urzeitlichen Meeresgiganten und die Erdgeschichte.
Die Familien-Erlebnisausstellung ist ein Highlight – nicht nur für kleine und große Saurier Fans.
www.lokschuppen.de/saurier/ausstellung