SeereisenMagazin Logo klein 347 65LANDGANG · AUSGABE 2/2020hr

20210 Landgang Stade 1Einen Hafen hatte Stade schon vor dem Jahr 1000. Der heutige Alte Hafen stammt wohl aus dem Jahr 1235. Er wird heute nicht mehr benutzt. Bis 1870 begrenzten ihn Spundwände, die dann durch Kaimauern ersetzt wurden. Fotos: Petra Bromund, Bremen

Dieter Bromund (Text) · Petra Bromund (Fotos)
Landgang in Stade – im Westwind an der Niederelbe

Schreib doch nur, wie schön Stade ist, meinte Petra, ich habe die Bilder. Also tat ich’s. Denn wer kennt die Stadt schon? Wer Hamburg mit dem Schiff verlässt oder anläuft, sieht bei Elbkilometer 654,8 im Südwesten nur die Mündung eines Flüsschens, der Schwinge, zwischen einem abgebauten Atomkraftwerk und einer großen Chemieanlage. Sehr viel bekannter sind südöstlich von ihr Deutschlands Obstparadies, das Alte Land, und im Nordwesten das pferdenärrische Kehdingen.
Die winzige Schwinge ist ein Flüsschen von knapp 29 Kilometern Länge. Ihre Quelle liegt im Hohen Moor nordöstlich von Bremervörde. Sie fließt als Burggraben um die Altstadt von Stade herum und als Fleet hindurch. Hinter Stade, auf den letzten 4,6 Kilometern zur Elbe, wird die Schwinge zu einer Bundeswasserstraße mit einem gewaltigen Tor, das Stade seit 1971 vor Hochwasser schützt.
Die Stadt hat gleich zwei Häfen, einen uralten, idyllischen, der nautisch nicht mehr genutzt werden kann, und einen neuen für Schiffe bis 3,5 Meter Tiefgang und höchstens 65 Meter Länge. Ihn laufen gern Segler und Motorbootfahrer an.
Urkundlich wird Stade erstmals 994 erwähnt, doch Funde aus Steinzeit und Bronzezeit bezeugen eine sehr viel frühere Besiedlung. Ein uralter Weg führte aus dem tiefen Süden über Stade, die Elbe und Itzehoe in den Norden Europas.
Geprägt wurde Stade ab 1645 durch den Sieger im Dreißigjährigen Krieg, Schweden. Das Land zwischen Elbe und Weser huldigte Carl XII., der aus Stade eine Festung machte. Die ergab sich 1712 den Dänen, die ihren Besitz drei Jahre später an Kurhannover verkauften. Aus dem wurde 1866 die preußische Provinz Hannover.
Stade blieb im Zweiten Weltkrieg unzerstört. In den Hungerjahren danach ging’s mühsam um den Erhalt dessen, was man besaß. Als später Geld in die Stadt kam, blühte bei den Stadtvätern die Einsicht, dass Neues nicht auf der Zerstörung von Altem wachsen sollte. So blieb Stades Innenstadt, umgeben von Burggraben und Wällen, erhalten. Man restaurierte mit sehr viel Gefühl. Was neu für die Stadt war, siedelte sich außerhalb an und wurde später eingemeindet.
Hinter Burggraben und Wällen mit Bastionen und Ravelins ist die Altstadt herzerwärmend schön. Ein Bummel vom Bahnhof zum Alten Hafen ist nicht mal einen Kilometer lang, einmal außen um die Altstadt rum sind’s etwa drei Kilometer.
Stade ist mit Hamburg seit einigen Jahren durch die S-Bahn verbunden, die vom Hauptbahnhof Hamburg 50 Minuten bis nach Stade braucht. In der Saison gibt es überaus kundige Stadtführungen, aber auch ohne Experten genießt man leicht, was Stade zu bieten hat. Fast alles liegt am Weg durch die Stadt zum Hafen.
Der Pferdemarkt im Stadtzentrum wird heute noch vom Zeughaus beherrscht, vor dem – wie zu Schwedenzeiten – zwei gewaltige Mörserkanonen stehen. Das alte Postamt daneben wurde 1891 errichtet.
Noch bis ins letzte Jahrhundert wurden auf dem Markt Pferde gehandelt. Gleich daneben nennen Straßen, wer am Pferdehandel mit verdiente, die Sattelmacher und die großen und kleinen Schmiede, nach deren Werkstätten entsprechende Straßen benannt wurden.
In der Hökerstraße lebte und lebt immer noch der Handel. Dort steht seit 1688 auch das Rathaus, immer noch im Dienst. Die Straße der Höker endet am Fischmarkt, am Alten Hafen bei Stadtwaage und Kran. Wie winzig einst Häfen waren, zeigt der Ewer, der zwischen den Hafenmauern liegt. Glanz gibt am Wasser West das Bürgermeister-Hintze-Haus, seit 1621 mit einer Fassade im Stil der Weserrenaissance versehen. 1705 wurde am Alten Hafen der so genannte Schwedenspeicher als Provianthaus der Festung errichtet. Er ist „das einzige voll erhaltene Speichergebäude der schwedischen Großmachtzeit”, wie es im Stader Stadtlexikon von Jürgen Bohmbach heißt. Das große Gebäude wird heute für kulturelle Veranstaltungen und als Museum genutzt, beginnend mit der Urzeit und Frühgeschichte der Stadt. Hier am Fischmarkt und am Wasser Ost und Wasser West trifft man sich gern auf einen Wein, zum Essen, zum Feiern.
Am Fischmarkt muss der Besucher sich entscheiden, wie’s zurück geht, historisch pittoresk oder eher großbürgerlich. Die meisten Besucher dürften sich für den pittoresken Weg entscheiden und über den Spiegelberg, die Keimzelle der Stadt, oder durch die Salzstraße zum neuen Hafen gehen. Und dann die Cosmaekirche und die Wilhadikirche besuchen. Die Orgeln in beiden Kirchen wurden zwischen 1668 und 1678 von Arp Schnitger gebaut, der eng mit dem Komponisten Vincent Lübeck befreundet war, zwischen 1674 und 1702 Organist der Cosmae-Kirche. Am Johanneskloster scheint die Zeit still zu stehen.
In der Nähe der Wilhadikirche an der Großen Schmiedestraße liegt eine der schönsten Buchhandlungen Norddeutschlands, Friedrich Schaumburg, mit einem Regal und Antiquariat für Stadensien, Sachbüchern, Fotobänden und Geschichten aus Stade. Gelegentlich ist dort ein librum rarum zu finden, der 1946 zum ersten Mal erschienene Bildband „Stade” von Alice O’Swald-Ruperti aus dem Waldemar Heldt-Verlag Hamburg. Der schmale Band zeigt in großformatigen, intensiven Schwarzweißfotos die alte Stadt.
Man mag sich kaum vorstellen, dass Stade einst bedeutender als Hamburg war. Aus England vertriebene Merchant Adventurer, Tuchhändler, fanden hier ab 1587 Aufnahme. Ihretwegen wurde Stade aus der Hanse ausgestoßen und erst 2008 wieder aufgenommen.
Gelegentlich erinnert sich Stade noch an die Schweden, die die Stadt prägten. Eine Schwedenwoche wird nach längerer Pause in diesem Jahr wieder in Stade gefeiert, vom 5. bis 9. Oktober 2020.

 

20210 Landgang Stade 2Das Bürgermeister-Hintze-Haus am Wasser West 23 war ursprünglich ein spätmittelalterliches Kaufmannshaus. 1621 ließ Bürgermeister Heino Hintze eine Fassade im Stil der Weserrenaissance davorsetzen. Besonders auffallend sind die sieben Turmaufsätze des abgetreppten Giebels.

20210 Landgang Stade 3Der Schwedenspeicher am Alten Hafen ist – auf langen Pfählen gegründet – 41 Meter lang und 16 Meter breit. Er wurde 1705 vollendet und noch bis 1881 als Provianthaus der Festung genutzt. Er ist das einzige voll erhaltene Speicherhaus aus der Großmachtzeit Schwedens.

20210 Landgang Stade 4In Hafennähe steht die Cosmae-Kirche mit ihrem charakteristischen Turm, die Ende des letzten Jahrhunderts von Grund auf erneuert wurde. Einen Kran am Hafen gab es von 1337 bis 1898. Der neue wurde auf Initiative des Rotary Clubs 1977 wieder errichtet – ohne ein Tretwerk.

20210 Landgang Stade 6Viele Wege führen zum Hafen. Die Stadtväter haben das alte Stade mit viel Gefühl erhalten, als anderswo im Wirtschaftswunder die Abrissbirne wirkte.

20210 Landgang Stade 5Im Stadtbrand 1659 brannte die Wilhadikirche vollständig aus. Nach dem Wiederaufbau 1667 trug sie einen zwiebelförmigen Turmhelm, der 1724 durch einen Blitz zerstört wurde. Seither hat sie ein Zeltdach, das den wuchtigen Turm krönt.

20210 Landgang Stade 7Der Hauptarm der Schwinge umfließt als Burggraben die Stadt, doch am Schiffertor zweigt ein schmales Wasser ab und fließt durch die Stadt in den Alten Hafen. So gibt es mitten in der Altstadt idyllische Wohnpartien am Wasser.

20210 Landgang Stade 8Im Gasthaus Knechthausen in der Bungenstraße trafen sich einst die Brauerknechte der Stader Brauereien, die seit den Zeiten der Pest auch als Totengräber dienten. Das Wirtshausschild lädt heute in ein Restaurant ein.

20210 Landgang Stade 9Arp Schnitger war der Baumeister der Stader Orgeln in beiden großen Kirchen. Er arbeitete von 1677 bis 1682 in Stade und Umgebung und zog dann nach Hamburg. Die ursprüngliche Orgel in der Wilhadikirche verbrannte 1724 und wurde nach
seinen Plänen durch eine von Erasmus Bielfeldt zwischen 1731 und 1736 gebaute ersetzt.